Von unten

Ärmere Kinder und Familien leiden stärker unter der Hitze als der Rest

Foto: Unsplash

Die Hitzewelle ist für viele Menschen eine körperliche Belastung: Zu besonders vulnerablen Gruppen gehören ältere Menschen, Menschen mit Erkrankungen, Personen, die im Freien arbeiten oder auch Säuglinge. Aber auch Menschen mit niedrigen Einkommen können sich und ihre Kinder weniger gut gegen die Hitze schützen. 

Gerade schwitzen wir in der längsten Hitzeperiode des Jahres. Ohne ausreichende Maßnahmen könnte es bis 2030 bis zu 400 hitzebedingten Todesfälle pro Jahr in Österreich geben. Auch der Sommer 2022 war einer der heißesten seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen. Die Effekte der Klimakrise sind in Österreich längst angekommen. Die Zahl der Hitzetage im Sommer lag letztes Jahr deutlich über dem Durchschnitt der schon heißen Periode 1991-2020. Doch die Hitze belastet nicht alle Menschen gleich stark.

Kinder leiden schon im Kindergarten unter Hitzestress

Hitzewellen sind eine enorme Belastung für den Körper. Wie sehr die Hitze den Körper belastet, ist nicht nur eine Frage des persönlichen Empfindens. Strukturelle, sozioökonomische Ungleichheiten führen zu unterschiedlichen Belastungen während Hitzewellen.

Armutsbetroffene sind stärker von den Effekten der Klimakrise und damit auch von zunehmenden Hitzeperioden betroffen. Das gilt auch für Kinder im Allgemeinen, insbesondere Kleinkinder unter fünf Jahren. Eine Studie aus Göteborg beobachtete Hitzestress z.B. bei Kindern in elementaren Bildungseinrichtungen. Dass Säuglinge und Kleinkinder stärker belastet sind, liegt an dem höheren Risiko auszutrocknen, an den weniger entwickelten Atemwegen und das häufige Zusammentreffen von Fieber und Durchfall während Hitzewellen.

Zwei von drei armutsbetroffenen Familien halten es kaum in ihrer Wohnung aus, weil es so heiß ist

Die speziellen Belastungen armutsbetroffener Kinder sind jedoch wissenschaftlich weit weniger gut untersucht.

Ein Jahr lang wurden im Projekt „Existenzsicherung 2022-2023“ der Volkshilfe armutsbetroffene Familien mit Mitteln des Sozialministeriums mit 100 Euro pro Kind und Monat unterstützt und von Sozialarbeiter:innen begleitet. Die Familien wurden am Beginn des Projekts unter anderem zu ihrer Hitzebelastung befragt, um diese Gruppe und ihre speziellen Herausforderungen während Hitzetagen in den Blick zu nehmen. Eine Stichprobenanalyse zeigt:

Zwei Drittel der armutsbetroffenen Familien sagen, in ihrer Wohnung wird es im Sommer so heiß, dass sie sich (eher) nicht oder (eher) ungern darin aufhalten.

Die Befragung der Volkshilfe gibt nur einen kleinen Einblick in die Belastungen armutsbetroffener Kinder während der Hitzewellen. Zusammen mit der Gesundheit Österreich GmbH wurde 2022 hat die Volkshilfe eine umfassende Befragung von armutsbetroffenen Familien mit Kindern unter zehn Jahren durchgeführt. Rund ein Drittel der Befragten gab für die eigenen Kinder eine sehr starke oder starke Hitzebelastung an.

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Kinder aus Familien mit kleinen, aufgeheizten Wohnungen brauchen öffentlich zugängliche – und kostenlose – Abkühlung besonders dringend. (Foto:Unsplash)

Bei der Frage nach spezifischen gesundheitlichen Veränderungen nahmen die Eltern zahlreiche Veränderungen wahr, die in Zusammenhang mit der Anzahl von Hitzetagen am jeweiligen Wohnort standen. Dazu gehörten vermehrter Durst bei 8 von 10 Kindern (85 %), schlechteres Schlafen und vermehrtes Weinen oder Unwohlsein bei 6 von 10 Kindern. Rund die Hälfte der Kinder zeigte eine geringere Motivation, sich zu bewegen. 45 Prozent der Kinder litten unter Übelkeit, Ausschlag, Kopfschmerzen und Schwindel.

Ärmeren Familien geht es in den Hitzewellen strukturell schlechter

Die Daten zeigen deutlich die strukturellen Ursachen für die starke Betroffenheit armutsbetroffener Menschen von Hitze: schlechtere Wohnbedingungen wie Überbelag) oder auch die stärkere regionale Betroffenheit durch städtische Hitze-Hotsponts. Hinzu kommen auch schwere körperliche Arbeit oder auch die größere Zahl armutsbetroffener Menschen mit chronischen Erkrankungen.

Armutsbetroffenen fehlen auch die Mittel, um Anpassungen an die Effekte der Klimakrise abzumildern. Sie wohnen häufiger in Mietwohnungen, weshalb Außenjalousien nicht nur zu teuer, sondern auch rechtlich meist nicht umsetzbar sind.

Eine Untersuchung der Uni Wien wies auch darauf hin, dass private Freiflächen wie Balkone, Terrassen oder Gärten bei kleinen Wohnungen weniger häufig vorhanden sind. Das sind jene Wohnungen, die eher von Ein-Personen-Haushalten, Haushalten mit geringem Einkommen und Haushalten in Städten bewohnt werden. Ein Wohnungswechsel ist angesichts der steigenden Wohnkosten nicht zu realisieren.

Die Mutter eines Volksschulkindes aus Linz erzählte in der Befragung: „Wir haben keinen Balkon, auf den wir ausweichen können. Wenn ich koche, heizt sich die Wohnküche noch mehr auf. Die Wohnung ist eigentlich zu klein und zu eng und dadurch auch zu heiß. Aber wir können uns nichts Größeres leisten.“

Klimaanlagen sind teure Stromfresser

Abseits von Anpassungsstrategien wie Wohnungswechsel und baulichen Anpassungen, sind auch Klimageräte für viele Familien zu teuer, die Angst vor den Stromkosten zusätzlich abschreckend. Auch wollen viele Familien nicht zuletzt aus ökologischen Gründen darauf verzichten.

Eine Familie mit drei Kindern aus Wien erzählte: „Unsere Wohnung ist sehr, sehr heiß. Wir haben einen kleinen Ventilator, der verteilt nur die heiße Luft. Alles andere wäre zu teuer.“ Eines ihrer Kinder hatte bereits einen Hitzeschlag.

Selbst wenn eine Klimaanlage vorhanden ist, wird diese nicht in Betrieb genommen, wie eine niederösterreichische Familie erzählte: „Das Haus hat sich schon sehr aufgeheizt, im Obergeschoss sind es gerade 29 Grad. Eine Klimaanlage und die damit verbundenen Stromausgaben kann ich mir nicht leisten.“

Familien mit verstärkter materieller Deprivation berichteten, dass kaputte Ventilatoren nicht ersetzt werden können. Auch andere Anpassungsstrategien werden von den Familien erwähnt. Ein Vater vierer Kinder aus Niederösterreich erklärte, er habe am Flohmarkt eine Standwand gekauft, um die Hitze Kinderzimmer abzuschirmen, es helfe aber nur wenig.

Was helfen würde: öffentliche Infrastruktur klimafit machen

Der öffentliche Raum ist zum einen ein Ort, an dem Hitze stark wahrgenommen, der aber zum anderen auch zur Abkühlung genutzt wird und dafür, heißen Wohnungen zu entfliehen.

Die von STARTCLIM finanzierte Studie zeigt: Mehr als die Hälfte der befragten Familien sucht öffentliche Orte auf (56 %), um sich vor Hitze im eigenen Wohnraum zu schützen.

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In Wien versucht man mit Wassernebelfontänen, Pergolas und „coolen Zonen“ Abkühlungsmomente zu schaffen. (Foto: PID/Christian Fürthner)

Viele der befragten Familien profitieren in besonderem Maße von sozialer Infrastruktur – öffentlichen Bademöglichkeiten, Wasserspielplätzen und schattigen Parks. Gerade, wenn ein eigener Garten oder Balkon fehlt, werden öffentliche Plätze bei hohen Temperaturen zum verlängerten Wohnzimmer.

Eine Familie erzählte: „In der jetzigen Wohnung ist es sehr heiß. Aber bei uns gibt es einen kleinen Park und wenn es sehr heiß ist, gehen wir ins Schwimmbad.“

Eine Alleinerziehende berichtet: „Tagsüber kühlt sich meine Tochter manchmal bei einer Wasserstelle am Spielplatz ab. Besuche im Schwimmbad können wir uns derzeit nicht leisten.”

Damit ist sie nicht alleine. In der erwähnten Befragung gab fast die Hälfte (45 %) der Haushalte an, dass sie Aktivitäten wie einen Besuch im Schwimmbad oder einen Ausflug an einen See zwar gerne machen würden, dies aber nicht könnten. 44 Prozent führten hohe Kosten als Barriere an.

Hier wird deutlich, wie wichtig kostenfreie Angebote im öffentlichen Raum in Sommermonaten sind. Eine offene Herausforderung ist auch, Spielplätze, Schulhöfe und die Gärten elementarer Bildungseinrichtungen an die Erfordernisse im Kontext der Klimakrise anzupassen.

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