Von unten

Ferien ohne Urlaub und Zoo: Armutsbetroffene Kinder müssen im Sommer zurückstecken

Für viele Schüler:innen – und ihre Eltern – haben nun die Ferien begonnen. Für sie gehören Sommer, Sonne und Meer zusammen, zumindest in der Idealvorstellung. Für armutsbetroffene Eltern ist der Sommer allerdings eine finanzielle Belastung und organisatorische Herausforderung – vor allem in Zeiten der Teuerung. 

In Österreich sind etwa 353.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren von Armut und materieller Ausgrenzung bedroht. Das bedeutet unter anderem, dass ihre Eltern ein Haushaltseinkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle haben oder sich bestimmte Dinge (ausreichend Kleidung, ausgewogene Ernährung, unerwartete Zahlungen) nicht leisten können. Das ist mehr als jedes 5. Kind – in einem der reichsten Länder der Europäischen Union. Um sich diese Zahl besser vorstellen zu können, kann man sich die Strecke zwischen Wien und Rijeka in Kroatien vorstellen. Jeder Meter stünde für ein betroffenes Kind. Die Strecke von Wien bis ans Meer. 

Keine Strandburg, kein Meerwasser – kein Urlaub

Eine Woche am Meer, das könnten sich 1,2 Millionen Menschen nicht leisten. Unter ihnen sind 278.000 Kinder. Einige von ihnen waren noch nie auf Urlaub. 

Sie können nicht am Ende der Ferien von Sandburgen, Wellenreiten oder Meeresbrisen erzählen. Nicht von neuem Essen, anderen Städten – oder davon, mal Schulenglisch in der Praxis ausprobiert zu haben. Urlaub, das ist für viele armutsbetroffene Familien ein abstrakter Wunsch.

Hitzetage in der Wohnung: “Es ist wie in einer Sauna”

Für viele bleibt der Sommer zu Hause. Armut und niedrige Einkommen wirken sich auch auf die Wohnumgebung und -qualität aus. Armutsbetroffene Familien leben eher in feuchten oder lauten Wohnungen. 

Von den 264.000 Kindern und Jugendlichen von 0-18 Jahren, die in überbelegten Wohnungen leben, sind 47 Prozent bzw. 124.000 armutsgefährdet. Überbelag, aber auch die Wohnumgebung – fehlende Grünflächen, starke Verkehrsbelastung oder schlechte Isolierung – können sich während Hitzewellen besonders negativ auf die Wohnqualität auswirken. Außenjalousien brauchen Genehmigungen und kosten Geld, eine Klimaanlage sowieso. „Es ist wie in einer Sauna“, erzählt eine armutsbetroffene Mutter im Gespräch mit Volkshilfe-Sozialarbeiter:innen. 

Wer keine Parks oder günstige Schwimmbäder in der Nähe hat, leidet im Sommer, statt sich zu erholen.

Ab Mittag sind die Rutschen und Schaukeln zu aufgeheizt

Eine Untersuchung der Volkshilfe hat gezeigt, dass viele armutsbetroffene Familien auch aufgrund der Hitzebelastung in der eigenen Wohnung in den öffentlichen Raum “fliehen”, um sich zu erholen. Dazu gehören insbesondere Parks und Spielplätze, aber auch leistbare öffentliche Schwimmbäder und freizugängliche Badeplätze. 

Eine alleinerziehende Mutter erzählte der Volkshilfe letzten Sommer: „Tagsüber kühlt sich meine Tochter manchmal bei einer Wasserstelle am Spielplatz ab. Besuche im Schwimmbad können wir uns derzeit nicht leisten.”  

Andere Familien erzählten, dass die Spielgeräte in den Parks für sie nur in den frühen Morgenstunden nutzbar seien, weil Rutsche und Schaukeln dann zu heiß sind. Diese Beispiele zeigen: Damit diese öffentlichen Räume auch gut nutzbar sind, müssen sie günstig oder frei zugänglich sein, und insbesondere auch während Hitzewellen Schatten spenden und über Zugang zu Trinkwasser verfügen. Besonders beliebt sind Wasserspielplätze, die ein multisensorisches Vergnügen bereiten. 

Die Teilhabe armutsbetroffener Familien ist stark saisonabhängig – im Winter ist es besonders schwierig, weil viele warme Innenräume mit Konsumation oder Eintritten verbunden sind. Im Sommer sind es kühle Innenräume, in denen man spielen kann, die diese Familien suchen.

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Armutsbetroffene Kinder können ihre Sandburgen nur an Spielplätzen in der Nähe bauen – nicht am Meer. Ausflüge, die Geld kosten, sind für sie oft nur Wunschdenken.

Teuerung belastet zusätzlich

Der finanzielle Druck, die Ferien mit leistbaren Erlebnissen zu füllen, ist durch die Teuerung gestiegen. “Jetzt ist der Eintritt für meine Familie in den Zoo Schönbrunn nicht mehr leistbar. Ich weiß nicht, wie ich das in den Sommerferien machen werde. Wenn es nur Gas und Strom wäre, das teurer werden würde, wäre es ja irgendwie okay. Aber alles wurde teurer. Ich weiß, man muss den Gürtel ganz eng schnallen, aber ich weiß nicht, wie ich das mit vier Kindern machen soll“, erzählt eine Mutter gegenüber einer Sozialarbeiterin. 

Wie viele Ferienerlebnisse heuer von der Teuerung geprägt sein werden, wird sich zeigen. Die Regierung hat es leider verabsäumt, die Teuerung in ihren Wurzeln zu bekämpfen und so schließt an den Winter nun der zweite Teuerungssommer an. 

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