Teuerung

SPÖ will Mehrwertsteuer auf Lebensmittel aussetzen – das würde kleinen Einkommen helfen, aber auch dem Mittelstand

Um die Teuerung zu bremsen, schlägt SPÖ-Vorsitzende Rendi-Wagner vor, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel befristet auf Null zu setzen. Das würde kleinere Einkommen am stärksten entlasten, weil sie im Verhältnis zu ihrem Einkommen am meisten für Lebensmittel – und die Steuern darauf – bezahlen müssen. 500 Euro würde sich ein Haushalt dadurch jährlich im Schnitt sparen. Unterstützung bekommt die SPÖ von der Gewerkschaft und der FPÖ, die ÖVP ist dagegen.

In der ersten Inflationswelle sind die Preise für Butter (plus 22 Prozent), Öl (plus 12,9 Prozent) und Gemüse (plus 6,8 Prozent) nach oben geklettert, eine zweite Teuerungswelle könnte insbesondere Fleisch sowie Eier und Getreideprodukten treffen, wie Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will erwartet. Insgesamt sind die Lebensmittelpreise seit Juni 2021 um 13,8% angestiegen, wie eine aktuelle Berechnung der Arbeiterkammer zeigt.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner fordert von der Regierung angesichts der explodierenden Preise, die Mehrwertsteuer für Lebensmittel auf null zu setzen. Die bisherigen Maßnahmen der Regierung würden nicht wirken, kritisiert Rendi-Wagner am Sonntag in der Pressestunde:

„Gehen Sie auf die Straße, fragen Sie die Menschen, ob irgendetwas bei ihnen angekommen ist. Fahren Sie zur Tankstelle, schauen Sie, ob die Spritpreise sich gesenkt haben – nein, haben sie nicht. Ob die Preise der Lebensmittel geringer geworden sind, die rasant steigen – nein, sind sie nicht.“

Rendi-Wagner fordert daher ein zeitlich befristetes Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel. Auch ÖGB-Chef Wolfgang Katzian will die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel “halbieren oder sogar für ein halbes Jahr aussetzen“. In Deutschland fordern Sozial- und Verbraucherverbände, aber auch Wissenschafter schon länger eine Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel. Zuletzt ist der Grüne Agrarminister Cem Özdemir in Deutschland auf die Idee aufgesprungen, er will Obst und Gemüse von der Mehrwertsteuer befreien. In Österreich wird die Forderung auch vom Handelsverband  und der FPÖ unterstützt.

Je kleiner das Einkommen, umso mehr belastet die Mehrwertsteuer

„Es kann nicht sein, dass der Staat auch noch profitiert von der Teuerung“, sagt Rendi-Wagner in der Pressestunde. Insgesamt schätzen ExpertInnen die Mehreinnahmen des Finanzministers aufgrund der Teuerung dieses Jahr auf rund 11 Mrd. Euro. 1,5 bis 1,6 Mrd. Euro würde ein Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel im Jahr kosten – auf ein halbes Jahr befristet wären das rund 800 Millionen Euro. Ein durchschnittlicher Haushalt würde sich laut Konsumerhebung rund 450 bis 500 Euro im Jahr sparen.

Kritiker sehen in der Mehrwertsteuersenkung eine ungezielte Maßnahme, weil sich auch reiche Haushalte die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel sparen. Tatsächlich gilt aber: Der Anteil der Mehrwertsteuer an der gesamten Steuerbelastung eines Haushaltes ist bei kleinen und mittleren Einkommen deutlich höher: „Der Anteil der indirekten Steuern wie der Mehrwertsteuer nimmt mit der Einkommenshöhe deutlich ab“, schreibt das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO). Indirekte Steuern machen laut WIFO beim unteren Einkommensdrittel über die Hälfte der Steuern aus (52,2 Prozent), beim oberen Drittel sind es nur 18 Prozent. Insgesamt frisst die Mehrwertsteuer bei ärmeren Haushalten 13 Prozent des Einkommens, bei der reichen Bevölkerung sind es im Vergleich dazu nur vier Prozent – das hat das  deutsche Institut für Wirtschaftsforschung berechnet, für Österreich dürften die Zahlen ähnlich sein.

Kleine Einkommen geben doppelt so vom Einkommen für Lebensmittel aus wie Gutverdiener

Kleine Einkommen geben – gemessen am Haushaltsbudget – deutlich mehr Geld für Lebensmittel aus (17%) wie Menschen mit sehr hohen Einkommen (4%). Die Zahlen stammen aus der Konsumerhebung 2019/20, durch die Inflation werden kleine Einkommen mittlerweile mehr für Essen und Trinken ausgeben müssen. Schließlich lassen sich Ausgaben für Lebensmittel auch nicht einsparen, wenn die Preise steigen. Hohe Preise treffen kleine Einkommen bis weit in die Mittelschicht:

„Bei keiner anderen Steuer kann man die untere Bevölkerungsmehrheit besser entlasten als bei der Mehrwertsteuer. Eine Mehrwertsteuersenkung wirkt von ganz unten bis weit in die Mittelschicht. Für den vermögenden Porsche-Fahrer ist sie Peanuts, für die Kassiererin in Teilzeit ist sie ein schmerzhafter Lohnfresser“, schreibt der deutsche Ökonom Maurice Höfgen.

Kritische Stimmen warnen, dass Lebensmittelhändler die Senkung der Mehrwertsteuer einstecken und nicht an die Konsumenten weitergegeben könnten. Um das zu verhindern, fordert die SPÖ die Überwachung der Preise durch die Teuerungs-Kommission der Regierung – verbunden mit Strafzahlungen. In Deutschland haben allerdings einige Studien gezeigt, dass die Mehrwertsteuersenkung in der Corona-Krise 2020 durchaus weitergegeben wurde: Die Mehrheit der Bevölkerung merkte die Weitergabe, bei den Supermarktpreisen betrug sie zumindest 70 Prozent der Steuersenkung.

Schramböck gegen Mehrwertsteuer-Senkung

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck sprach sich am Montag gegen eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Null aus. „Ich bin eher dafür zu schauen, wer ist stark betroffen und da zu unterstützen“, so Schramböck am Montag auf einer Pressekonferenz. Die Regierung plant aber weder eine Mehrwertsteuersenkung, noch eine Anhebung von Mindestsicherung, Arbeitslosengeld oder Steuergutschriften für kleine und mittlere Einkommen.

EU-Richtlinie gibt grünes Licht für Mehrwertsteuer-Senkung

Die EU hat ihre Mehrwertsteuersystem-Richtlinie angepasst. Sie regelt die Mehrwertsteuersätze der EU-Länder und erlaubt angesichts der Inflation einen Nullsatz auf Grundnahrungsmittel. Lebensmittel unterliegen in Österreich grundsätzlich dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 10%. Die Richtlinienänderung wurde am 6. April im Bundesgesetzblatt der EU veröffentlicht – eine komplette Mehrwertsteuer-Befreiung für Lebensmittel ist europarechtlich daher grundsätzlich möglich und könnte sofort umgesetzt werden.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1710 Stimmen
    58% aller Stimmen 58%
    1710 Stimmen - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 16%, 457 Stimmen
    16% aller Stimmen 16%
    457 Stimmen - 16% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 362 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    362 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 277 Stimmen
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    277 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 138 Stimmen
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    138 Stimmen - 5% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2944
12. März 2024
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Kontrast Redaktion

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