Rechtsextremismus

Rückzieher nach Kritik: Tauschitz als Kärntner Verfassungsschutz-Chef abgezogen

Stephan Tauschitz, der ehemalige Kärntner ÖVP-Klubobmann, wurde am 1. Februar Chef des Verfassungsschutzes in Kärnten. Und das, obwohl er in der Vergangenheit als Redner bei rechtsextremen Veranstaltungen aufgetreten war.  Grüne und die Israelitische Kultusgemeinde forderten seinen Rücktritt. Auch in Israel ist man geschockt.

Nach anhaltender Kritik machte die Regierung einen Rückzieher und setzte Stephan Tauschitz von dem Posten ab. (Aktualisierung 11.2.2022)

Seit den 1950er Jahren treffen sich jedes Jahr Veteranen der nazideutschen Streitkräfte und ihrer Verbündeten mit Neonazis und Rechtsextremen am Ulrichsberg bei Klagenfurt, um „ihrer toten Kameraden zu gedenken“. Früher galt das Treffen als „die größte jährlich abgehaltene rechtsextreme Veranstaltung Österreichs“, wie das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands schreibt. Nach immer lauterer Kritik an dem Treffen, sagte 2009 der damalige SPÖ-Verteidigungsminister Norbert Darabos die Unterstützung durch das Bundesheer ab: „Es kann nicht sein, dass ein Anstreifen an rechtem Gedankengut toleriert wird“, begründete er damals seine Entscheidung. Seitdem gehen die Besucherzahlen zurück, der Veranstaltungsort wurde gewechselt, in manchen Jahren wurde das Treffen ganz abgesagt.   

Diese Umstände hielten Stephan Tauschitz jedoch nicht davon ab, 2008 – und ein zweites Mal 2010 – dort als offizieller Vertreter der ÖVP als Redner aufzutreten. Die rechtsextreme Zeitschrift Aula wies bei der Einladung explizit darauf hin, dass „ehemalige Waffen-SS-Angehörige am Ulrichsberg ausdrücklich willkommen“ seien. Stephan Tauschitz, ehemaliger Klubobmann der Kärntner ÖVP im Landtag, ist jetzt am 1. Februar ausgerechnet Leiter für Verfassungsschutz in Kärnten geworden. Damit ist er auch für die Beobachtung der rechtsextremen Szene zuständig.

Rücktrittsforderungen auch aus Israel

Die grüne Vize-Klubobfrau Olga Voglauer fordert deshalb Tauschitz zum Rücktritt auf. Auch Oskar Deutsch, Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde hält die Besetzung für unvereinbar.

Kürzlich zeigte sich auch Efraim Zuroff vom Simon-Wiesenthal-Zentrum Jerusalem über den Vorgang „geschockt“. Nicht nur Tauschitz solle sofort zurücktreten, sondern auch Innenminister Karner, der sich in der Vergangenheit für seine antisemitischen Äußerungen zwar entschuldigt hat, mit diesem Vorgehen aber unglaubwürdig wird: „Wenn es jetzt unter seiner Führung eine solche Personalentscheidung gibt, dann zeigt uns das, dass das offenbar nur ein Lippenbekenntnis war, um sich aus der Affäre zu ziehen“, sagt Zuroff zum STANDARD.

Der KZ-Verband fordert in einem offenen Brief unter anderem Bundeskanzler Nehammer und Innenminister Karner zum Handeln auf:

„Beschämen Sie nicht die Opfer, unterschätzen Sie nicht die Gefahr des Rechtsextremismus und beenden Sie diese Fehlbesetzung des Kärntner Verfassungsschutzes.“

Eine entsprechende Petition haben bereits fast 4.000 Menschen unterschrieben.

Nachrichtendienstexperte Siegfried Beer sieht darüber hinaus kritisch, dass Stephan Tauschitz Gesellschafter einer Firma ist, obwohl Nebenjobs für Leiter in diesem Bereich verboten sind. Es handelt sich zwar nicht um eine Nebenbeschäftigung, aber „es geht um die Konfliktvermeidung und auch um deren Anschein“, wie er betont.

Postenschacher im „System Innenministerium“

SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner am Rednerpult des Nationalrates. Foto: Parlamentsdirektion, Thomas Topf (c)

Kritik gibt es auch daran, wie Tauschitz an den Posten gekommen ist. Der SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner spricht von mehreren Bewerbern, die sich allerdings nach politischem Druck zurückgezogen hätten. Er nennt dies das „System Innenministerium“:

„Das ÖVP-Innenministerium geht nicht erst seit gestern die übelste aller Gangarten, wenn es um Postenschacher geht. Wenn es unliebsame Bewerber auf eine Stelle gibt, die aber für einen gewissen Günstling vorgesehen ist, wird auf die anderen Bewerber schlicht Druck ausgeübt, die Bewerbungen zurückzuziehen“, so Einwallner.

Dass Tauschitz als Berufspolitiker und gelernter Betriebswirt vor einigen Jahren einen Job im Bundesamt für Verfassungsschutz bekam, stieß bereits damals auf Verwunderung. 2017 wechselte er dann ins Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung in Kärnten.

Die SPÖ-Kärnten und Landeshauptmann Peter Kaiser fordern eine lückenlose Aufklärung der Bestellung. Eine parlamentarische Anfrage soll die Vorgänge aufklären und alle ÖVP-Postenbesetzungen im Innenministerium untersuchen. Zuletzt wurde bekannt, dass dort erneut drei Spitzenfunktionen mit Vertrauten aus dem ÖVP-Kabinett besetzt worden sein sollen. 

 

Der Artikel wurde am 10.2.2022 ergänzt.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 59%, 1534 Stimmen
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12. März 2024
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