Verteilungsgerechtigkeit

Verbund erhöht Strom- und Gaspreise – aber will heuer 1,2 Mrd. Euro an Aktionäre ausschütten

Der österreichische Energiekonzern Verbund hat seine Preise ab Mai deutlich erhöht. Eine Belastung für eine halbe Million Verbund-KundInnen. Gleichzeitig schreibt der Konzern Rekordgewinne – und will seine Aktionäre an diesen teilhaben lassen: Für 2022 plant das Unternehmen 1,2 Milliarden Euro Dividende auszuschütten. Die Summe umfasst auch eine „Sonderdividende“ von 400 Millionen Euro. Die Republik Österreich ist mit 51 Prozent der größte Aktionär.

Bisher hat die Regierung wenig gegen die massive Teuerung unternommen. Der 150 Euro Energiegutschein deckt nicht ansatzweise die steigenden Strom- und Gaskosten. Die Preise des Verbund-Konzerns haben sich im Mai für einen durchschnittlichen Kunden beim Strom um etwa 21 Euro und beim Gas um 75 Euro erhöht – pro Monat. Nun sickerte nach draußen, dass der Verbund für das Jahr 2022 eine „Sonderdividende“ in der Höhe von 400 Millionen Euro ausschütten will. Sonderdividenden sind dann üblich, wenn ein börsenotiertes Unternehmen unerwartete Einnahmen macht. Einnahmen wie jetzt in der Krise zum Beispiel.

„Durch die einmalige Sonderdividende sollen die Aktionär:innen an der erwarteten außerordentlich positiven Geschäftsentwicklung des Konzerns für das laufende Geschäftsjahr 2022 auch durch eine erhöhte Ausschüttung teilhaben“, heißt es in einer Mitteilung des Verbund. Die positiven Geschäftsentwicklungen nützen den Aktionären – die Kunden hingegen haben nur höhere Rechnungen.

Die Gesamtdividende für dieses Geschäftsjahr soll etwa 1,2 Milliarden Euro betragen.

51 Prozent bekommt die Republik Österreich, weitere rund 30 Prozent gehen an andere Unternehmen, die in öffentlicher Hand sind (TIWAG, EVN und Wiener Stadtwerke). Weniger als 20 % sind im Streubesitz.

Der Verbund hat seinen Gewinn verdreifacht

Der Verbund selbst rühmt sich damit, 96 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien zu gewinnen. Als Laie fragt man sich, wie es dann zu dieser massiven Preiserhöhung kommen kann – schließlich weht der Wind und fließt das Wasser auch kostenlos, wenn die Gaspreise steigen. Doch die Strompreise sind mitgezogen, weil den Kunden nicht verrechnet wird, was die Erzeugung kostet, sondern jener Preis, den man am Markt dafür bekommt. Das macht sich auch bei den Gewinnen bemerkbar: Seit 2017 konnte der Verbund das operative Ergebnis – also den Gewinn vor Abzug der Steuern – von 400 Millionen auf 1,26 Milliarden mehr als verdreifachen.

VKI klagt Verbund wegen Strompreiserhöhung

Möglich macht die Preiserhöhung eine Wertsicherungsklausel, die der Verbund mit Kundinnen und Kunden in den Energielieferverträgen abgeschlossen hat. Derzufolge sind die Strompreise des Unternehmens an den Strompreisindex (ÖSPI) gebunden, der von der Österreichischen Energieagentur ermittelt wird. Die Energiepreise orientieren sich also automatisch am Index. Das findet der Verein für Konsumenteninformation (VKI) unzulässig und klagt nun den Verbund nun.

„Für viele Konsumentinnen und Konsumenten ist es vollkommen unverständlich, warum der Verbund seinen Preis an einen Börsenpreis bindet, obwohl er den Strom für Haushaltskunden wohl zu einem überwiegenden Teil selbst produziert und durch die gesteigerten Preise erhebliche Übergewinne erwirtschaftet hat“, erklärt Thomas Hirmke, Leiter VKI-Rechtsabteilung, die Gründe für die Klage. Der Gewinn des Verbund-Konzerns stieg im Vorjahr auf 874 Millionen Euro.

Auch auf das Jahr 2022 blickt man beim Verbund optimistisch, wenn es ums Geld geht: Laut Konzernbericht plant man, um bis zu 14 Prozent mehr des Gewinnes an seine Aktionäre auszuschütten. Warum die Republik mit ihrer Mehrheit bei der Aktionärsversammlung nicht einfach auf die Dividendenausschüttung verzichtet und damit günstigere Preise für Österreichs Haushalte finanziert? Verbund-Chef Michael Strugl, ehemaliger ÖVP-Wirtschaftslandesrat in Oberösterreich, beteuert per Aussendung: Man dürfe aus wettbewerbsrechtlichen Gründen den Strom gar nicht billiger anbieten.

Über 4 Milliarden Extra-Profit für den Verbund

Der ehemalige Verbund-Vorstand und Bundeskanzler Christian Kern rechnet mit einem Extra-Profit von 4,2 Milliarden für den Verbund. Vor einem Jahr verdiente der Verbund noch 55 Euro pro Megawattstunde, jetzt sind es um 145 Euro mehr. „Der größte österreichische Stromkonzern produziert rund 30 Terawattstunden aus Wasserkraft. Auf den Handelsmärkten ist der Preis für Lieferungen 2023 in einem Jahr von 55 auf 210 Euro/Megawattstunde gestiegen. Bei unveränderten Kosten ist das ein Extraprofit von 4,2 Mrd. Euro. Wer zahlt das?“, schrieb Kern kürzlich auf Twitter. Jeder Euro mehr pro  je MWh bringt dem Verbund 25 Millionen Euro mehr, rechnete auch Verbund-Finanzchef Peter Kollmann vor.

Die Politik ist nicht so machtlos wie sie tut

Der Verbund versucht, über andere Maßnahmen die Österreicher:innen zu unterstützen, versichert Strugl. Der Konzern finanziert den sogenannten „Stromhilfefonds“. Gemeinsam mit der Caritas werden damit Soforthilfe, Energieberatungen und Tauschgeräte für bedürftige Personen finanziert. Für Sandra Matzinger, Energieexpertin der Arbeiterkammer, ist das zwar löblich, aber sie gibt in der Wiener Zeitung zu bedenken: „Jeder Euro ist wichtig, aber da ist noch viel Luft nach oben.“ Laut Verbundchef Strugl wird der Fonds heuer um 266.000 Euro verdoppelt – eine verschwindend kleine Summe im Vergleich zum Bruttogewinn von 1,26 Milliarden und der Dividende von 364 Millionen Euro.

Zudem kündigte das Unternehmen an, allen seinen Kunden zwei Monatsrechnungen gutzuschreiben. Einkommensschwache Bevölkerungsgruppen sollen weitere 2 Monate gutgeschrieben bekommen. Das Problem: die hohen Preise werden bleiben – und noch Jahre die Haushaltsbudgets der Verbund-Kunden belasten.

Die Politik könnte durchaus stärker eingreifen: Die österreichische Stromhandelszone, die es den öffentlichen Unternehmen verbietet, ihren Kunden günstigere Preise anzubieten, kann gesetzlich geändert werden. Der ehemalige Verbund-Chef und Ex-Kanzler Kern schlägt vor, den Strom- vom Gaspreis zu entkoppeln. Aktuell bildet immer das teuerste Kraftwerk den Preis für alle anderen. Das ist derzeit eben ein Gaskraftwerk und so kommt es, dass ein Energieversorger für eine Megawattstunde Strom aus Wasserkraft 200 Euro pro Stunde kassieren kann.

Alternativ könnte der Bund auch seine hohen Dividenden, die er aus den Staatsbeteiligungen seiner Energie-Unternehmen bekommt, für Anti-Teuerungsmaßnahmen verwenden. Würde man nur jene Gewinnanteile, die die Republik direkt von Unternehmen wie der OMV oder dem Verbund erhält, in die Hand nehmen, würden ihr dafür 420 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stehen.

Sondersteuern für Energiekonzerne und Preisbremsen: Das tun andere Länder

Doch auch diese Maßnahmen wären noch relativ milde, im Vergleich zu jenen anderer Länder. Die französische Regierung hat den größten Stromerzeuger Electricit de France (EDF) angewiesen, die Preisanstiege auf 4 Prozent zu deckeln. Italien hat die Netzbetreiber beauftragt, keine Netzbenützungsentgelte zu verlangen. Unser südlicher Nachbar finanzierte wie Rumänien seine Teuerungsmaßnahmen unter anderem mit einer neuen Steuer für Unternehmen, die durch die hohen Marktpreise jetzt Gewinne erwirtschaften. Bulgarien führte eine Sondersteuer für sein Atomkraftwerk in Kozloduy ein. Ähnlich wie bei der Wasserkraft des Verbundes wurde schließlich auch die Erzeugung von Atomstrom nicht teurer, auch wenn die Marktpreise stiegen.

Klimaaktivist:innen ausspionieren & Leiharbeiter anstellen: Was ist aus den Staatsunternehmen geworden?

Dass der Verbund seine Dividende um 40 Prozent erhöht, während die Teuerung durch die hohen Strompreise für die Bevölkerung bis in den Herbst und Winter in diesem Jahr enorm wird,  ist beispielhaft für viele staatliche Unternehmen. In der Österreichischen Beteiligungsgesellschaft (ÖBAG), scheint man sich nicht zu überlegen, wie man die Staatsbeteiligungen und damit das Vermögen der Bevölkerung, auch zum Wohle aller nutzt. Es wirkt fast so, als wären die Staatsanteile nur dazu da, Parteigünstlinge in gut bezahlte Positionen zu heben. Man stellt sich die Frage, was die Österreicher:innen davon haben, dass Leiharbeiter bei der Post Pakete zu miserablen Löhnen schlichten müssen. Ob es im Sinne der Bevölkerung ist, wenn die OMV Klimaaktivist:innen ausspioniert, oder wenn die Telekom bei regierungskritischen Protesten in Belarus das Netz abdreht? Der ÖBAG-Vorstand sollte sich überlegen, wie ihre Unternehmen einen positiven Beitrag zum Allgemeinwohl leisten können.

Wie sollen wir in Österreich die Teuerung bzw. ihre Folgen bekämpfen?

Maximal 4 Antwortmöglichkeiten

  • Steuern auf Arbeit senken, dafür Steuern auf Millionenvermögen erhöhen 21%, 41 Stimme
    21% aller Stimmen 21%
    41 Stimme - 21% aller Stimmen
  • Übergewinnsteuer für Energieunternehmen und Banken 18%, 35 Stimmen
    18% aller Stimmen 18%
    35 Stimmen - 18% aller Stimmen
  • Energiepreise stärker regulieren 16%, 31 Stimme
    16% aller Stimmen 16%
    31 Stimme - 16% aller Stimmen
  • Mehrwertsteuer auf Lebensmittel streichen 14%, 28 Stimmen
    14% aller Stimmen 14%
    28 Stimmen - 14% aller Stimmen
  • Mieterhöhungen für die nächsten zwei Jahre stoppen 12%, 23 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    23 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Ganztagesschulen kostenlose machen 9%, 18 Stimmen
    9% aller Stimmen 9%
    18 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Höchstzinsen für Häuselbauerkredite einführen 5%, 9 Stimmen
    5% aller Stimmen 5%
    9 Stimmen - 5% aller Stimmen
  • Mindestzinsen für bestimmte Sparprodukte einführen 5%, 9 Stimmen
    5% aller Stimmen 5%
    9 Stimmen - 5% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 194
Voters: 59
13. Mai 2024
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Marco Pühringer

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