Einundzwanzig. Zweiundzwanzig. In den 2 Sekunden, in denen du das gelesen hast, hat Amazon-Chef Jeff Bezos 3.078 Dollar verdient. Wesentlich mehr als ein Versandmitarbeiter bei Amazon im Monat. Bezos ist der reichste Mensch der Welt. Auf der anderen Seite stehen die Mitarbeiter in den Versandlagern. Sie fordern höhere Löhne und treten am „Prime Day“ an sieben Standorten in Streik. Zu beklagen haben sie aber mehr als nur fehlendes Geld. Permanente Videoüberwachung und Leistungsdruck machen aus der Arbeit für den Versand-Riesen einen Knochenjob.
Es ist mit Sicherheit eines der modernsten Logistikzentren der Welt – schaut man nur auf die Technik. Doch was den Umgang mit den Mitarbeitern betrifft, orientiert sich Amazon dann doch an der Vergangenheit. In Deutschland (wo auch der österreichische Versandhandel abgewickelt wird) ist die Gewerkschaft im Dauerstreit mit dem Internethändler. Seit mittlerweile 6 Jahren verlangt sie, dass auch die Amazon-Mitarbeiter nach Kollektivvertrag der Branche bezahlt werden – auch mit Streiks. Andere große deutsche Versandhändler zahlen den Kollektivvertrag.
Die Rabatte an die Kundinnen und Kunden lasse sich Amazon „durch Tarifflucht und Niedriglöhne der eigenen Beschäftigten bezahlen“, beklagt Verdi-Handelsexperte Orhan Akman. „Damit muss Schluss sein.“ Das Unternehmen müsse endlich die Tarifverträge für den Einzel- und Versandhandel anerkennen. Geld sei genug da: Amazon erzielte allein im ersten Quartal dieses Jahres nach eigenen Angaben weltweit einen Rekordgewinn von rund 3,2 Mrd. Euro.
Unter dem Namen „Prime Day“ hat Amazon sich seinen eigenen Einkaufs-Feiertag geschaffen. Über 1 Milliarde Dollar Umsatz wird erwartet. Manche Analysten bezweifeln, dass Amazon den logistischen Aufwand überhaupt bewältigen kann. Diesen Moment wollen die Mitarbeiter nutzen, um für bessere Arbeitsbedingungen und letztlich auch für ihre Gesundheit zu kämpfen. In Deutschland und den USA wollen den „Prime Day“ bestreiken.
Arbeiter an sieben deutschen Standorten haben angekündigt, nicht zur Arbeit zu erscheinen. In der Vergangenheit konnte der Internet-Gigant Streiks über andere Versandzentren abfedern, laut Gewerkschaft allerdings nur mit Mühe. Amazon hingegen kündigt an, die Lieferzeiten dank der nicht-streikenden Belegschaft einhalten zu können.
Auf Social Media unterstützen Nutzer die Streikforderungen und rufen zum Boykott auf.
Eine Undercover-Reportage des „Sunday Mirror“ im Vereinigten Königreich deckte katastrophale Zustände auf: Mitarbeiter arbeiten im Akkord. 300 Gegenstände müssen pro Stunde zusammengesucht werden. Das ist einer alle 12 Sekunden. Dabei werden die Beschäftigten ständig per Videokamera beobachtet. Wer nicht im „Takt“ ist, wird über einen Bildschirm ermahnt. Wer das Soll auf Dauer nicht schafft, fliegt raus. Die Mitarbeiter wechseln häufig und schnell.
Die Hallen sind so groß wie mehrere Fußballfelder. Es gibt es kein Tageslicht. Das beklagen auch die Kollegen in den USA und auch, dass es in den Hallen unerträglich heiß wird. Das dementiert Amazon zwar, rüstet aber Klimaanlagen nach – nach dem öffentlichen Aufschrei.
Just am denselben Tag bringt es übrigens Jeff Bezos mit einer anderen Schlagzeile ebenfalls in die Nachrichten. Laut neuesten Schätzung ist er nun der reichste Mensch der Welt. Sein privates Vermögen wird auf 150 Mrd. Dollar geschätzt, und stellt damit das Bruttoinlandsprodukt von 134 Ländern in den Schatten. Oder andersrum: nur 58 Länder, haben einen höheres BIP als Bezos privates Vermögen.
Während du diesen Artikel gelesen hast, hat Jeff Bezos übrigens 277.020 Dollar gemacht.
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