Das Vermögen ist in Österreich noch ungleicher verteilt als bisher angenommen. So besitzt das oberste Prozent der Bevölkerung 40,5 % des Vermögens, bisher ging man von „lediglich“ 25 % aus. Das zeigt eine neue Studie der AK Oberösterreich und Wien.
In Österreich weiß man relativ wenig über große Vermögen und wer diese beseitzt. Während es in fast allen europäischen Ländern relativ genaue Aufzeichnungen über das Vermögen gibt, weil die Staaten darauf Steuern erheben, fehlen diese Daten in Österreich, weil es hier weder Vermögens- noch Erbschaftssteuern gibt. Daher müssen die Vermögensdaten von der EZB durch Befragungen erhoben werden.
Die sogenannte „Household Finance and Consumption Survey (HFCS)“ ist die genauste Aufzeichnung über die Vermögen der österreichischen Haushalte. Die Daten weisen jedoch einen entscheidenden Mangel auf: Reiche Haushalte werden hier nur unzureichend erfasst und tendieren dazu, die Befragung zu vermeiden. Das führte dazu, dass die Vermögenswerte von besonders wohlhabenden Personen unterschätzt werden – und in Folge auch die Vermögensungleichheit. Ein Team von ÖkonomInnen von der Johannes-Kepler-Universität Linz hat nun diese Unschärfe durch statistische Schätzungen ausgeglichen. Das Resultat:
Die Vermögenswerte sind deutlich höher und die Verteilung enorm ungleicher, als bisher angenommen.
Das gesamte Vermögen der ÖsterreicherInnen macht 1.317 Milliarden Euro aus, das sind um 319 Milliarden mehr als in den bisherigen Daten. Ein Haushalt im reichsten Prozent verfügt im Durchschnitt über ein Vermögen von 14 Millionen Euro. In Summe besitzen die Superreichen 534 Milliarden Euro.
Das reichste Prozent könnte also drei Jahre lang alle Staatsausgaben für öffentliche Verwaltung, Gesundheitswesen, sämtliche Bildungseinrichtungen, Polizei, Feuerwehr, Rettung, Pensionen, Straßenbau, etc. übernehmen.
Klar ist, wenn wenige so viel besitzen, bleibt für die Vielen wenig. 90 % der ÖsterreicherInnen verfügen gemeinsam nämlich nur über 34,2 % des Gesamtvermögens, die ärmere Hälfte besitzt gar nur 2,5 %. Zur ärmeren Hälfte gehört man, wenn im Haushalt das Vermögen abzüglich aller Schulden unter 85.000 Euro liegt. Die nackten Zahlen sprechen eine deutliche Sprache, noch klarer wird das Bild, wenn man sich selbst auf der Vermögensskala einordnet. Die Webseite www.verteilung.at bereitet die aktuellen Daten interaktiv und anschaulich auf.
Ein gewichtiger Grund für die ungleiche Verteilung liegt an dem Fehlen von gerechten Steuermechanismen, damit der vorhandene Wohlstand auch allen zu gute kommt. So wechseln durch Erbschaften in Österreich Milliardenbeträge gänzlich unbesteuert den Besitzer. Das nutzt vor allem dem reichsten Prozent: Wenn Superreiche erben, erhalten sie im Schnitt 3,3 Millionen Euro – ohne dafür eine Leistung zu erbringen oder einen Cent Steuern zu bezahlen. Als Teil der reichsten 10 Prozent erbt man noch 828.000 Euro – die „restlichen“ 90 Prozent erben, wenn überhaupt, knapp über 100.000 Euro. Österreich liegt damit weltweit auf Platz 1 von 50 Ländern, in denen Reichtum am stärksten vererbt wird.
Diese enorme Ungleichverteilung ist nicht nur ungerecht, sondern wirkt sich auch negativ auf unsere Wirtschaftsleistung aus. Denn weniger vermögende Haushalte geben ihr Geld eher für Dinge des täglichen Bedarfs aus. Stärkt man Einkommen und Vermögen dieser Gruppe nutzt das unmittelbar der Wirtschaft. Superreiche hingegen werden ihren Konsum nicht weiter erhöhen, sondern stecken überschüssiges Kapital in den Finanzmarkt, oft werden die Gewinne in Steueroasen versteckt. Die damit vermiedenen Steuereinnahmen schwächen den Staat und das Gemeinwesen.
Die enorme Ungleichheit führt also zu einem ausufernden Finanzmarkt, schadet der Realwirtschaft und kostet den Staat obendrein noch Steuereinnahmen.
Der Abstand zwischen den Superreichen und den Menschen, die in Österreich ein gewöhnliches Leben führen, wächst stetig. Ein Aufstieg in diese Sphären ist praktisch nicht möglich, es existiert eine gläserne Decke. Diese zu durchbrechen ist die Herausforderung unserer Zeit, denn mit der extremen Vermögenskonzentration verschieben sich auch die Machtverhältnisse im Land. Das gefährdet die Demokratie.
Wer die wachsende Ungleichheit ignoriert oder gar weiter fördert, festigt diese Verhältnisse ganz bewusst und hilft bei der laufenden Umverteilung von unten nach oben mit. Klug wäre es das Gegenteil zu tun, denn bereits 2009 haben Wilkinson und Pickett nach jahrzehntelanger Forschung nachgewiesen, dass gleichere Gesellschaften die glücklicheren sind: Soziale Spannungen, die Lebenserwartung, Gesundheit, Bildungschancen, Geburtenrate, Verbrechensrate und vieles mehr stehen in einem direkten Zusammenhang zur gleicheren Verteilung von Vermögen und Einkommen. Geht es um das Glück der großen Zahl, ist mehr Gleichheit der Schlüssel dazu.
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