Medien & Kritik

Österreichische TV-Landschaft – wer besitzt und kontrolliert die Sender?

Neben dem ORF haben sich mittlerweile zahlreiche private Fernsehsender breitgemacht. Diese gehören zu großen Teilen der deutschen „Pro7Sat1 Media SE“ und der luxemburgischen „RTL Group“. Doch auch die Raiffeisenbank und Silvio Berlusconi mischen in Österreichs TV-Landschaft mit.

65, 1 Prozent der Österreicher sehen jeden Tag fern. Das ist zwar weniger als noch 1991 – seitdem ist die Reichweite aber nur um gut 6 Prozentpunkte gesunken. Wir sind also weit von der häufig geäußerten These entfernt, dass das Fernsehen stirbt. Ganz im Gegenteil: Zwar sahen früher noch prozentuell mehr Menschen täglich fern – doch jene, die heute noch schauen tun das länger als je zuvor. So ist die durchschnittliche TV-Verweildauer von 212 Minuten im Jahr 1997 auf heute 290 Minuten gestiegen. Streaming-Angebote wie Netflix oder Amazon Prime konnten den Rundfunkanstalten also wenig anhaben. Innerhalb des Fernsehmarktes kam es allerdings zu starken Verschiebungen: Der ORF verlor Zuseher an private TV-Anbieter – gerade deswegen ist es umso wichtiger zu wissen, wem diese Sender gehören. Ein Überblick.

Das österreichische Fernsehen in einer Grafik

Der Platzhirsch ORF

Die mit Abstand wichtigste Rundfunkanstalt ist noch immer der ORF. Zählt man die Marktanteile laut Teletest von ORF 1 (10,9 %) und ORF 2 (19,3) und ORF 3 (2,2 %) zusammen nimmt der ORF fast ein Drittel des österreichischen TV-Marktes ein. Weit abgeschlagen folgt bei den Einzelsendern das deutsche öffentlich-rechtliche ZDF (4,2 %) gefolgt von den zahlreichen Privatsendern. Betrachtet man jedoch ganze Sendergruppen folgen auf den ORF die „Pro7Sat1 Media SE“ mit insgesamt 21,6 Prozent und die „RTL Group“ mit 12,9 Prozent.

Bei gewissen Sendungen erzielt der öffentlich finanzierte ORF aber immer noch bemerkenswerte Zahlen. So sehen 1,1 bis 1,5 Millionen Österreicher täglich die ZIB 1. Auch andere Formate wie der sonntägliche „Tatort“ erzielen Spitzenreichweiten. Insgesamt nutzen 48 % der Österreicher täglich den ORF. Dieser Wert ist aber wegen der Konkurrenz durch private Anbieter in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. 2002 wurden noch über 70 Prozent durch ein ORF Angebot erreicht.

Pro7Sat1 und Silvio Berlusconi

Die zweitgrößte Rundfunkanstalt in Österreich ist die deutsche „Pro7Sat1 Media SE“. Zu ihr gehören neben Pro7, Sat1 und Kabel1 auch noch viele kleinere Nischensender sowie ATV und Puls 4. Insgesamt erreicht der deutsche Medienkonzern in Österreich einen Marktanteil von 21,6 Prozent. Die „Pro7Sat1 SE“ ist zu 87,43 % im Besitz von verschiedenen Fonds. 9,6 Prozent hält die Mediaset SpA aus Italien. Diese gehört wiederum zu 44,18 Prozent der Holding Fininvest, die von Silvio Berlusconi gegründet wurde und heute von seiner Tochter Marina geleitet wird. Die restlichen Aktien teilen sich auf verschiedene Aktionäre auf – mit 28,8 Prozent ist der französische Medienkonzern Vivendi der größte davon. An der „Pro7Sat1 Media SE“ kann man deutlich erkennen: Anders als bei den Printmedien machen die TV-Konzerne keinen Halt vor Ländergrenzen. Der österreichische Markt wird auch von einem europaweit agierenden Netzwerk bearbeitet, dass sich von Deutschland über Österreich und Frankreich bis nach Italien erstreckt.

Raiffeisen und die katholische Kirche

Bei diesem Netzwerk spielen aber auch zwei österreichische Player mit – die Raiffeisenbank und die katholische Kirche. Genau genommen geht es dabei um die „Medicur Holding GmbH“, die der „Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien“ und der „Raiffeisen Zentralbank Österreich“ gehört, und um die „Styria Media Group“, die im Besitz der „katholische Medien Verein Privatstiftung“ ist. „Medicur“ und „Styria“ sind nämlich mit der „Pro7Sat 1 Media SE“ verflochten. Sie halten je 24,5 Prozent von Sat1 Österreich. Die übrigen 51 Prozent sind im Besitz der Sendeanstalt rund um Pro7.

Der Obmann der Raiffeisen Holding NÖ-Wien Erwin Hameseder wurde als ÖVP-Verteidigungsminister gehandelt. © Raiffeisen NÖ-Wien / Thomas Topf

Sat 1 ist übrigens nicht das einzige Medium an dem Styria und Raiffeisen beteiligt sind. So besitzen sie gemeinsam das „Niederösterreichische Pressehaus“. Doch auch personell sind sie bestens vernetzt. So war der jetzige Styria Vorstandsvorsitzende Markus Maier zuvor Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Steiermark. Davor arbeitete Maier unter anderem als parlamentarischer Mitarbeiter für einen ÖVP Abgeordneten. Generell scheint die ÖVP gute Kontakte zu den beiden Medienbeteiligungs-Gesellschaften zu haben – der Vorstandsvorsitzende der Raiffeisen Medicur Holding ist Erwin Hameseder. Er wurde während der schwarz-blauen Koalitionsverhandlungen als Verteidigungsminister gehandelt.

Raiffeisen besitzt Teile der TV-Infrastruktur

Doch die Raiffeisenbank mischt nicht nur bei Sat 1 mit. Die TV-, Satelliten- und Radio- und Blaulicht-Infrastruktur hängen von der „Österreichischen Rundfunksender GmbH & Co KG“ (ORS) ab. Die ORS wurde 2005 aus dem ORF ausgegliedert und gehört heute zu 60 Prozent dem ORF und zu 40 Prozent der Medicur Holding GmbH der Raiffeisen. Als der ORF 2005 beschloss Anteile an der ORS zu verkaufen, war dafür hauptsächlich Monika Lindner als ORF Generaldirektorin verantwortlich. Die Medicur macht mit ihren Anteilen scheinbar ein gutes Geschäft und wollte sie auf 75 Prozent aufstocken. Lindner wurde mit einer ÖVP-FPÖ/BZÖ Mehrheit zur ORF-Chefin gemacht und gilt als ÖVP nahe. 2006 wurde sie von Alexander Wrabetz abgelöst – daraufhin arbeitete sie als Beraterin der Medicur.

Monika Lindner war Generaldirektorin des ORF. Sie ist trotz kurzer Annäherung an die Liste Stronach, der ÖVP zuzuordnen. (CC BY-SA 3.0, Der Hut/Wikipedia)

RTL

Ein weiterer wichtiger Akteur am österreichischen Fernsehmarkt ist die luxemburgische „RTL Group“. Zu ihr gehören unter anderem die Fernsehsender RTL, RTL 2, SuperRTL, VOX und NTV. Ursprünglich ist der TV-Konzern aus dem deutschsprachigen Ableger von Radio Luxemburg entstanden, darum auch die Abkürzung RTL für „Radio Télévision Luxembourg“. Heute ist die „RTL Group“ der größte Betreiber von werbefinanziertem Fernsehen und Radio in Europa. Insgesamt hat RTL mit seinem Sender-Angeboten einen Marktanteil von 12,9 Prozent in Österreich. Sie gehört zu 75,1 Prozent der Bertelsmann Capital Holding GmbH. 24,1 Prozent sind im Streubesitz und werden von verschiedenen kleinen Aktionären gehalten und 0,79 Prozent haltet RTL selbst. Vor allem die Anteile der Bertelsmann Holding lassen an der politischen Unabhängigkeit von RTL zweifeln, denn der Großteil des Bertelsmann Kapitals liegt in der Bertelsmann Stiftung, die als CDU-freundlicher, konservativer bzw. wirtschaftsliberaler ThinkTank gilt.

Servus TV

Die restliche TV-Landschaft Österreichs verteilt sich auf mehrere kleine TV-Sender. Einer davon ist Servus TV mit einem Marktanteil von 2,4 Prozent. Über die „Red Bull Media House GmbH“ gehört der Sender zu 100 Prozent dem Red Bull Media House. Besitzer und de-facto-Programmchef ist Dietrich Mateschitz.
Servus TV fiel in der Vergangenheit durch sein Einladungspolitik negativ auf – so wurde beispielsweise der Chef der rechtsextremen „Identitären“ Martin Sellner zu einer Diskussions-Sendung eingeladen. Auch das Format „Der Wegscheider“ wurde kritisiert. Der Moderator Ferdinand Wegscheider arbeitet sich darin an den „linken Mainstream-Medien“ und ihrer parteiischen Berichterstattung ab – Wegscheider selbst gilt als FPÖ-nahe.

OE24 TV

Ein weiterer kleiner Sender mit einem Marktanteil von unter einem Prozent ist oe24. Der Sender ist über ein kompliziertes Geflecht von 10 GmbHs, Stiftungen und Holdings im Besitz der Familie Fellner, allen voran Wolfgang Fellner und seinem Sohn Nikolaus Fellner.

Freies Fernsehen, öffentlich-rechtlicher Rundfunk aus Deutschland und GoTV

Der restliche Markt teilt sich auf freie Fernsehsender wie Okto TV oder LT1, dem Musiksender GoTV und den öffentlich-rechtlichen deutschen TV-Sendern ARD und ZDF auf. ARD und ZDF führen außerdem gemeinsam mit dem ORF und den öffentlich-rechtlichen Sendern aus der Schweiz das Gemeinschaftsprojekt „3 Sat“, dass auf einen Marktanteil von 1,6 Prozent kommt.

Kollaborativer Journalismus
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13. Mai 2024
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