Mitten in der größten Arbeitslosenkrise der zweiten Republik will die ÖVP den Druck auf den Arbeitsmarkt weiter erhöhen: Mitten im zweiten Lockdown will sie die Hacklerregelung abschaffen. Wer dann nach 45 Arbeitsjahren in Pension geht, erhält nach dem Jahr 2021 12,6 Prozent weniger Pension. Der Kanzler begründet das mit den Kosten der Krise.
Während alle Aufmerksamkeit auf Corona und den zweiten Lockdown gerichtet ist, will die Regierung die Abschaffung der abschlagsfreien Pension nach 45 Arbeitsjahren beschließen. Am Freitag wird die ÖVP den Antrag im Parlament einbringen und mit den Stimmen der Grünen gleich beschließen – ohne parlamentarische Debatte, wie die Kronen Zeitung berichtete.
Die SPÖ kritisiert, dass die Regierung die Abschaffung heimlich „im Windschatten von Corona und ohne parlamentarische Debatte“ durchziehen will. Der SPÖ-Abgeordnete und Gewerkschafter Rainer Wimmer spricht von einer „undemokratischen Vorgangsweise“ und einem „handfesten politischen Skandal“.
Selbst Kritiker der Hacklerregelung halten eine Abschaffung mitten in der Corona-Krise für falsch, weil es zusätzliche ältere Arbeitnehmer in die Arbeitslosigkeit treiben könnte. Denn die Corona-Arbeitsmarktkrise trifft Ältere besonders: Ende September waren von 409.000 Arbeitslosen rund 116.000 älter als 50 Jahre. Mit der Hacklerregelung können 62-Jährige in Pension gehen, wenn sie 45 Jahre lang gearbeitet haben – das nimmt auch Druck vom Arbeitsmarkt. Die Gewerkschaft hat bereits eine Unterschriften-Kampagne gestartet: 45 Jahre sind genug!
Seit 1.1.2020 reichen 45 Arbeitsjahre aus, um ohne Abschläge in Pension zu gehen – egal, ob Alterspension, Invaliditätspension oder Schwerarbeitspension. Für Frauen sind 40 Arbeitsjahre erforderlich, 60 Monate Kindererziehungszeiten können angerechnet werden. Das gilt für ASVG-Versicherte, alle Bauern und Selbständige – nicht aber für den öffentlichen Dienst. Das hat die FPÖ verhindert.
Nach 45 Jahren sind die Beschäftigten oft am Ende ihrer Kräfte und haben auch ausreichend Beiträge einbezahlt. Die Hacklerregelung standt schon mehrmals vor dem aus. Das erste Mal verlängert wurde sie von Alfred Gusenbauer (SPÖ). 2013 ist sie aber wieder ausgelaufen. Danach mussten Beschäftigte, die nach 45 Jahren in Pension gehen, 12,6 Prozent Abschläge in Kauf nehmen – obwohl sie ihr Leben lang gearbeitet haben. Die SPÖ wollte die Hacklerregelung verlängern, ist aber immer am Widerstand des Koalitionspartners ÖVP gescheitert. Sechs Jahre später war die ÖVP das erste Mal seit Jahrzehnten nicht mehr in der Regierung. Im Parlament herrschte das freie Spiel der Kräfte und siehe da: Die ÖVP konnte nichts mehr blockieren und die SPÖ beschloss gemeinsam mit der FPÖ im Herbst 2019 eine Wiedereinführung der Hacklerregelung.
Als einer der ersten Schritte der türkis-grünen Regierung kündigt Kurz bereits im Jänner an, die Hacklerregelung wieder abschaffen zu wollen. Jetzt dürfte er die Corona-Krise nutzen, um abschlagsfreie Pension nach 45 Arbeitsjahren mitten im Lockdown abzuschaffen.
„Wir müssen als Staat schauen, dass wir funktionsfähig bleiben“, sagte Kurz und betonte: „Wenn wir jetzt noch Maßnahmen setzen, dass die Menschen immer früher in Pension gehen, dann werden die sozialen Maßnahmen, die wir in der Krise setzen, irgendwann nicht mehr leistbar sein.“
Doch die Kosten der Hacklerregelung sind gering: Heuer lagen sie laut Sozialministerium bei rund 30 Mio. Euro, 2021 sollen sie bei 100 Mio. liegen. Viel mehr Geld liegt anderswo: ÖVP-Großspenderin Heidi Horten hat sich zum Beispiel mitten in der Krise ein Schloss mit 2.000 Quadratmetern Wohnfläche in Kärnten gekauft. Ihre Yacht vor Venedig, die sie laut eigenen Angaben kaum benützt, lässt sie sich 27.000 Euro täglich (!) kosten. Über Vermögens- und Erbschaftssteuern denkt die Regierung aber nicht nach, sie kürzt stattdessen bei Menschen, die nach 45 Jahren Arbeit in Pension gehen wollen.
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