Gesundheit & Leben

Unvereinbar: Pharma-Lobbyistin wird Chefin der Medizinmarkt-Aufsicht

Helga Tieben soll die neue Chefin der Medizinmarktaufsicht werden. Das sorgt für Kritik, schließlich ist sie eine langjährige Mitarbeiterin des Verbands der pharmazeutischen Industrie (Pharmig), einer Lobbying-Organisation.

Die Leiterin der Medizinmarktaufsicht, Christa Wirthumer-Hoche, geht Ende März in Pension. Mit dem Abgang der Biochemikerin wird ein Spitzenjob in einem, gerade in Pandemiezeiten, sehr sensiblen Bereich der Republik frei. Die Medizinmarktaufsicht gehört zur AGES und untersteht dem Gesundheitsministerium. Sie ist etwa für die Arzneimittelzulassung oder die klinische Prüfung von Arzneimitteln und Medizinprodukten zuständig. Gerade dieser sensible Job wird nun mit einer Pharma-Lobbyistin besetzt.

Publizistin künftig für Medikamentenzulassungen verantwortlich

Die Bestellung von Helga Tieben sorgt für Aufregung. Nicht nur wegen ihrer Nähe zu Pharma-Konzernen, sondern auch, weil sie Kritiker:innen zufolge die nötigen Qualifikationen nicht mitbringt. So wird laut den Salzburger Nachrichten in der Ausschreibung ein „abgeschlossenes Studium der Humanmedizin oder naturwissenschaftliches Studium“ verlangt. Ebenso mehrjährige Führungserfahrung an einem „einschlägigen nationalen oder internationalen Institut, Ministerium oder öffentlichkeitsnahen Betrieb“. Zudem „nachweisliche Managementerfahrung im Bereich Mitarbeiterführung, Budgetverantwortung“. Tieben ist hingegen studierte Publizistin und hat einen Legal-Studies- und Business-Mastertitel der Donau-Uni Krems.

Doch nicht nur ein medizinisches Studium fehlt der designierten Leiterin der Medizinmarktaufsicht: Sie arbeitet seit 18 Jahren bei der Pharmalobbying-Organisation Pharmig als „Director Regulatory Affair, Supply & Innovation“. Klingt auf den ersten Blick nach Führungserfahrung, doch es handelt sich dabei um eine Miniabteilung – die gesamte Lobbyorganisation kommt gerade einmal auf 20 Mitarbeiter:innen. Dafür gibt es gleich 17 Präsident:innen, Vizepräsident:innen und Vorstandsmitglieder. Allesamt Vertreter:innen der Pharmabranche von Pfizer bis Novartis. In ihrem neuen Zuständigkeitsbereich arbeiten hingegen 350 Mitarbeiter:innen.

Leichtfried: Postenvergabe ist nicht zu verstehen

Scharfe Kritik an der Besetzung Tiebens kommt auch von SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried:

„Dass ein grüner Gesundheitsminister die Leitung dieses sensiblen Bereichs ausgerechnet einer Lobbyistin der Pharmabranche übergibt, ist wirklich nicht mehr zu verstehen. Die bisherigen Leiterinnen und Leiter der Medizinmarktaufsicht waren Expert:innen mit wissenschaftlichem und medizinischem Background“, so Leichtfried.

Auch die Wiener Pflege- und PatientInnenanwältin Sigrid Pilz hält die Besetzung für nicht akzeptabel, wie sie auf Twitter klarstellt. Die AGES betont, dass es sich um einen „ganz normalen Ausschreibungsprozess“ gehandelt habe. Sie verweist auf ein Hearing und die Einbindung eines externen Personalberatungsunternehmens.

„Wenn die großen Pharmafirmen, die in der Pharmig das Sagen haben, eine Lobbyistin in diese Position bringen, können die sogar auf Gesetze Einfluss nehmen“

Trotzdem ist auch für Insider der Branche die Bestellung Tiebens fragwürdig: „Wenn die großen Pharmafirmen, die in der Pharmig das Sagen haben, eine Lobbyistin in diese Position bringen, können die sogar auf Gesetze Einfluss nehmen“, zitieren die Salzburger Nachrichten einen Insider.

Auch für Leichtfried ist das ein No-Go. Er befürchtet, dass die durch die Pandemie ohnehin aufgeheizte Stimmung durch solche Besetzungen noch weiter zugespitzt wird: „Das ist ein klarer Interessenskonflikt. Und es ist Wasser auf die Mühlen von Verschwörungstheoretikern, die hinter Corona eine Verschwörung der Pharma-Industrie vermuten. Solche absurden Theorien und Mythen werden dann noch befeuert.“

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12. März 2024
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Kontrast Redaktion

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