Politik

Die Kassen-Pläne: Mehr Macht für Unternehmer, schlechtere Leistungen für Versicherte

Die Regierung hat ihre Kassen-Pläne bekannt gegeben: Die Beschäftigten werden in den Gremien der Sozialversicherung zugunsten der Unternehmer entmachtet, grobe Ungerechtigkeiten bei Leistungsunterschieden bleiben unberührt und  Konzerne wollen ihre Beiträge reduzieren. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.

Die ÖVP-FPÖ Regierung will 21 Krankenkassen auf 4 oder 5 Kassen zusammenlegen und dadurch 200 Millionen Euro im Jahr sparen. Sie spricht davon, dass für gleiche Beiträge gleiche Leistungen erbracht werden sollen. Klingt schön – stimmt nur nicht:

  1. Es wird weiterhin verschiedene Kassen mit unterschiedlichen Leistungen geben: Die großen Ungerechtigkeiten zwischen Beamtenversicherung und Angestellten-Versicherung werden nicht beseitigt.
  2. Wo es zu einer Angleichung der Leistungen kommt, drohen schlechtere Leistungen.

50 Gesprächsrunden sollen zu der Reform geführt haben. Tatsächlich heißt es aus Gewerkschaftskreisen, dass es keine einzige Verhandlungsrunde mit den Sozialpartnern gegeben hat. Stattdessen hat die Regierung ein Modell vorgelegt, das ziemlich genau den Forderungen von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung entspricht. Das heißt vor allem: Niedrigere Beiträge für Arbeitgeber und ein Übergewicht der Wirtschaftsvertreter in den Entscheidungsgremien.

Hier die wichtigsten Fragen zur Kassenreform:

Welche Versicherungen werden zusammengelegt?

Die größten Umstrukturierungen wird es für die Arbeitnehmer geben. Über die neun Gebietskrankenkassen wird mit der österreichischen Gesundheitskasse eine zentralisierte Einheit gestülpt. Bauern und Unternehmer werden sich in einer gemeinsamen Kasse für Selbstständige wiederfinden. Die Beamten und Eisenbahner bekommen eine gemeinsame Kasse für den öffentlichen Dienst. Die Pensionsversicherungsanstalt bleibt weiterhin bestehen. Unklar ist das Fortbestehen der potentiell fünften Versicherung: der Allgemeinen Unfallversicherung (AUVA).

Bringt die Zusammenlegung wirklich Harmonisierung?

Es wird keine echte Harmonisierung geben. Gleiche Leistungen soll es nur innerhalb der neu geschaffenen Kassen kommen, nicht aber zwischen den Kassen. Es wird also weiter verschiedene Kassen mit unterschiedlichen Beiträgen und unterschiedlichen Leistungen geben.

Innerhalb der Gebietskrankenkassen hat der Haupverband die Leistungen schon heute weitgehend harmonisiert – hier ist der Bedarf also gering. Die großen Ungerechtigkeiten bestehen zwischen Privatangestellten und Beschäftigten im öffentlichen Dienst – und die werden weiter bestehen.

In Zukunft werden zwar Unternehmer und Bauern die gleiche Leistung erhalten. Beamte genießen aber weiterhin andere Leistungen als Bauarbeiter oder Bankangestellte. Genau diese Ungerechtigeit bemängelt die Effizienz-Studie der London School of Economics 2017 , auf die sich die Bundesregierung beruft:

Weil die Beamtenversicherung fest angestellte, gut bezahlte öffentlich Bedienstete versichert, kann sie weit mehr Leistungen anbieten als die Gebietskrankenkassen. Dort sind auch Arbeitslose, Niedrigverdiener und Mindestpensionisten versichert. Eine Zusammenlegung müsste einen Ausgleich schaffen, rät die Studie. Die Regierung will die Privilegien der Beamten aber erhalten.

Wird es künftig weniger Arbeitnehmer in den Gremien geben?

Der Einfluss der Arbeitnehmer-Vertreter wird massiv zurückgedrängt. Tatsächlich gibt es in Österreich rund 3,6 Millionen Arbeitnehmer und 324.000 Unternehmer – das heißt auf einen Unternehmer kommen 11 Arbeitnehmer. Der allergrößte Teil davon ist in den Gebietskrankenkassen versichert, dort stehen derzeit 4 Arbeitnehmer einem Unternehmer-Vertreter gegenüber. Obwohl kein einziger Unternehmervertreter dort versichert ist.

Künftig sollen beide Seiten in der Österreichischen Gesundheitskasse gleich stark vertreten sein. Argumentiert wird das damit, dass Unternehmen auch die Hälfte der Beiträge  leisten. Doch auch das stimmt nicht: Gerade einmal 28,7 Prozent der Gesamteinnahmen der Gebietskrankenkassen stammt von den Arbeitgebern. Trotzdem gibt ihnen die Regierung die Hälfte der Entscheidungsmacht über die Gelder der Beschäftigten.

Dazu kommt, dass selbst dieses Drittel im eigentlichen Sinn keine Arbeitgeberbeiträge sind, sondern Lohnteile. Denn die Beiträge der Unternehmen werden nicht vom Gewinn des Unternehmens abgezogen, sondern vom Lohn jedes einzelnen Beschäftigen – dem Lohn, den sie selbst erwirtschaftet haben.

Was verändert sich, wenn Unternehmer über Beitragsgelder der Beschäftigten entscheiden?

Wirtschaftsvertreter haben in der Sozialversicherung künftig deutlich mehr mit zu reden. Und dadurch drohen Leistungskürzungen. Schließlich drängt der Industrielle-Flügel der ÖVP schon lange auf eine Senkung ihrer Beiträge. Mit der Kürzung der AUVA-Beiträge um 500 Mio. Euro hat die Regierung diesem Drängen schon nachgegeben.

Einen Vorgeschmack auf den Kurs der Arbeitgeber-Seite in den Gebietskrankenkassen hat der Chef der Industriellen-Vereinigung (IV) Georg Kapsch gegeben:

„Was nicht funktionieren wird, ist, dass man die Leistungen nach oben harmonisiert.“

Will man Leistungen angleichen, ohne sich nach oben zu orientieren, führt das zu Leistungskürzungen. Wenn also die Vorarlberger Gebietskrankenkasse für den Zahnersatz zahlt, die burgenländische aber nicht, würde das schlechtere Leistungen für einen Angestellten aus dem Ländle bedeuten.

Generell erwarten sich die Wirtschaftsvertreter in den Krankenkassen vor allem eines: Weniger Beiträge, die sie leisten müssen. Das bringt vor allem großen Konzernen mit vielen Beschäftigten viel Geld.

Die Leistungsreduktionen werden wohl auch nötig werden – denn die Regierung plant eine Milliarde bei der Sozialversicherung einzusparen.

Sind die angekündigten Einsparungen von 1 Mrd. realistisch?

Die Präsidentin des Rechnungshof Margit Kraker ist „sehr skeptisch“ und bezeichnet im ORF-Interview die Kostenschätzungen der Regierung als „Wunschdenken“. Die Reduktion der Kassen soll pro Jahr 250 Mio. Euro bringen: Derzeit haben alle betroffenen Versicherungen gemeinsam einen Verwaltungsaufwand von 481 Mio. Euro (2016). Über 40% des derzeitigen Verwaltungsbudgets müssen jährlich eingespart werden, um ohne Leistungskürzungen auf die angekündigte Milliarde Euro zu kommen.

Die Regierung will auch sparen, in dem sie 800 Funktionäre streicht. Doch 90 Prozent der ehrenamtlichen Funktionäre bekommen ein Sitzungsgeld von 42,- Euro pro Sitzung und das 2 bis 4 Mal im Jahr. Die Selbstverwaltung kostet den Versicherten gerade mal 40 Cent järhlich. Auch damit kommt man auf keine Milliarde Euro.

Das Sparpotential in der Verwaltung ist äußert gering, denn das österreichische Sozialversicherungssystem ist im Vergleich sehr günstig:

  • Während die österreichischen Krankenversicherungen 2,74 Prozent der Einnahmen für Verwaltung ausgeben, geben deutsche Krankenversicherungen im Durchschnitt 4,90 Prozent und schweizer Versicherungen 4,96 Prozent aus.
  • Pro Versichertem liegen die Verwaltungskosten in Österreich bei nur einem Drittel der deutschen oder schweizer Kosten: Hier kommen 53,24 Euro jährlich auf einen Versicherten, in der Schweiz und Deutschland sind es 142 Euro – und damit drei Mal mehr.

Schon bei der AUVA hat die Regierung gezeigt, dass ihre Sparziele „fantasievoll“ sind. Die Unfallversicherung soll 500 Mio. im Jahr sparen – dabei gibt sie nur 100 Mio. Euro in der Verwaltung aus. Will die AUVA diese Forderung erfüllen, sind Leistungskürzungen zwingend.

Warum wird den Sozialversicherungen die Prüfkompetenz entzogen?

Den Unternehmervertretern ist es schon lange ein Dorn im Auge, dass die Sozialversicherungen die Beiträge selbst einheben. Denn sie prüfen auch, ob die Beiträge richtig bezahlt werden und ahnden Unterentlohnung oder Scheinselbständigkeit. Hier ist die Regierung den Unternehmen bereits entgegengekommen: Die falsche oder verspätete Anmeldung zur Sozialversicherung soll nur mehr pauschal 855 Euro kosten, auch wenn tausende Mitarbeiter nicht richtig beider Sozialversicherung angemeldet wurden. Das hat die Regierung per Gesetz beschlossen. Jetzt wird der Sozialversicherung die Beitragsprüfung komplett entrissen.

Das bringt Nachteile für die Beschäftigten: Die Sozialversicherung hat geprüft , ob der Kollektivvertrag stimmt und auch die Beiträge einbezahlt werden, auf die die Arbeitnehmer Anspruch haben. Wird die Prüfkompetenz jetzt in das Finanzministerium verlagert, wird nur mehr auf die rechnerische Richtigkeit geschaut – die Rechte der Arbeitnehmer fallen dabei unter den Tisch. Außerdem hat die Regierung angekündigt, in der Finanzverwaltung Stellen abzubauen – es wird also weniger Prüfer geben. Das wird schon bald zu weit weniger Beiträgen führen, Lohn- und Sozialbetrug wird weit seltener auffliegen.

Was bringt die Abschaffung der Mehrfachversicherung? 

Derzeit zahlen einige Menschen wegen Mehrfachversicherungen überproportional viel in die Sozialversicherung. Das können sie auch heute schon zum Teil zurück holen. Mehrfachversicherungen entstehen beispielsweise, wenn jemand in einem Anstellungsverhältnis ist, und gleichzeitig auf Werkvertragsbasis dazuverdient. In Zukunft soll sich der Versicherte seine Krankenkasse selbst aussuchen, und falls er zu viel zahlt, das Geld automatisch zurückbekommen. An sich eine gute Sache: Betroffen von dieser Regelung sind allerdings nur 3% der Österreicher.

Wie sollen wir in Österreich die Teuerung bzw. ihre Folgen bekämpfen?

Maximal 4 Antwortmöglichkeiten

  • Steuern auf Arbeit senken, dafür Steuern auf Millionenvermögen erhöhen 24%, 269 Stimmen
    24% aller Stimmen 24%
    269 Stimmen - 24% aller Stimmen
  • Übergewinnsteuer für Energieunternehmen und Banken 20%, 232 Stimmen
    20% aller Stimmen 20%
    232 Stimmen - 20% aller Stimmen
  • Energiepreise stärker regulieren 15%, 174 Stimmen
    15% aller Stimmen 15%
    174 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Mieterhöhungen für die nächsten zwei Jahre stoppen 13%, 144 Stimmen
    13% aller Stimmen 13%
    144 Stimmen - 13% aller Stimmen
  • Mehrwertsteuer auf Lebensmittel streichen 12%, 136 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    136 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Ganztagesschulen kostenlose machen 8%, 89 Stimmen
    8% aller Stimmen 8%
    89 Stimmen - 8% aller Stimmen
  • Höchstzinsen für Häuselbauerkredite einführen 5%, 55 Stimmen
    5% aller Stimmen 5%
    55 Stimmen - 5% aller Stimmen
  • Mindestzinsen für bestimmte Sparprodukte einführen 4%, 43 Stimmen
    4% aller Stimmen 4%
    43 Stimmen - 4% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 1142
Voters: 339
13. Mai 2024
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