Die ÖVP verzögerte Sitzungstermine, doch nun ist es soweit. Im Plenum des Nationalrats am 18. November liefert das Parlament ÖVP-Chef Sebastian Kurz der Justiz aus. Seine parlamentarische Immunität wurde aufgehoben. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) kann nun weiter in der Inseraten-Affäre ermitteln. Kurz wird Untreue und Bestechung vorgeworfen.
Am 9. Oktober 2021 verkündete Sebastian Kurz wegen Korruptionsvorwürfen im Zusammenhang mit der ÖVP-Inseratenaffäre seinen Rücktritt als Bundeskanzler. zwei Tage später enthob Bundespräsident Alexander Van der Bellen Kurz des Amtes.
Doch Kurz ist weiterhin Spitzenpolitiker: Er bleibt ÖVP-Parteichef und sitzt als ÖVP-Klubobmann im Nationalrat. Dort genießt er parlamentarische Immunität.
Damit die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) weiter ermitteln kann, hat der Immunitätsausschuss im Nationalrat der Aufhebung der Immunität von Kurz zugestimmt. Man nennt das „ausliefern“. Im Nationalrats-Plenum am 18. November 2021 wurde diese „Auslieferung“ nun bestätigt.
Zuvor hatte die ÖVP versucht, die Aufhebung der Kurz-Immunität zu verzögern. Konkret, als es um die Terminfindung für die Sitzung des Immunitätsausschusses ging. Fünf Terminvorschläge für einen Termin des Immunitätsausschusses hat die ÖVP abgelehnt, berichtete die Ausschussvorsitzende Selma Yildirim (SPÖ). „Die ÖVP spielt auf Zeit“, so ihr Eindruck.
Viel Spielraum für Verzögerungstaktiken hätte die ÖVP aber ohnehin nicht gehabt. Wenn länger als acht Wochen nicht über den Antrag auf Aufhebung der Immunität abgestimmt wird, wäre Kurz automatisch ausgeliefert worden. Jetzt steht den Ermittlungen nichts mehr im Weg.
Den Österreicherinnen und Österreichern geht die Auslieferung aber offenbar nicht weit genug. Die Mehrheit findet, dass Sebastian Kurz auch nichts mehr in der Politik verloren hat.
Laut einer Umfrage von Peter Hajek für die APA und ATV wollen 65 Prozent der Befragten, dass sich Kurz ganz aus der Politik zurückzieht – auch als Klubobmann und Parteichef der ÖVP. Nur 27 Prozent sind dafür, dass er bleibt.
“Soll Sebastian Kurz weiterhin Klubobmann und Parteichef bleiben oder soll er sich aus allen politischen Funktionen zurückziehen?” Auf diese Fragen antworteten 65 Prozent der Befragten mit dem Wunsch, dass Ex-Kanzler Sebastian Kurz die Politik komplett verlässt. 27 Prozent sind für den Verbleib von Kurz in der Politik, 8 Prozent machten keine Angabe.
Auch bei der Frage, “welche Person als ÖVP Kanzler geeignet wäre”, schneidet Kurz nicht gut ab. Nur 23 Prozent finden, dass er “sehr” beziehungsweise “eher geeignet” ist. 68 Prozent finden ihn “wenig” und “überhaupt nicht geeignet”.
Wozu gibt es überhaupt Immunität für Abgeordnete? |
Dass es so eine parlamentarische Immunität gibt, ist sinnvoll. Es gibt sie seit der Monarchie und sollte Abgeordnete davor schützen, dass sie vom Kaiser durch bloße Verdächtigung verfolgt – und an parlamentarischer Arbeit gehindert – wurden. Die Immunität ist eine Schwelle, um die Legislative nicht zu behindern. Allerdings kann man die Immunität aufheben. Hierfür gibt es im Parlament einen Immunitätsausschuss, der die Aufhebung empfehlen kann. Beschlossen wird die Aufhebung dann im Plenum des Nationalrats. Man sagt dann: Ein:e Abgeordnete:r wurde „ausgeliefert“.
In Österreich sind nur Nationalrats- und Landtagsabgeordnete sowie der Bundespräsident politische „immun“, Mitglieder der Bundesregierung nicht. Die Immunität umfasst zudem nur Delikte, die im Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit der Abgeordneten stehen. Die Aufhebung der Immunität gilt nur für einen ganz bestimmten Verdacht. Deshalb muss die Staatsanwaltschaft ein konkretes Auslieferungsbegehren an den Nationalrat stellen. |
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