Die Regierung beschließt die Kürzung der Mindestsicherung. Vor allem Familien mit Kindern bekommen deutlich weniger. Die Folgen sind fatal. Kinder, die in Armut groß werden, haben später deutlich schlechtere Chancen und landen wahrscheinlicher wieder in Armut. Armut wird vererbt und das hat Folgen: Wer arm ist, stirbt 10 Jahre früher.
Die Mindestsicherung macht gerade einmal 1 % des Sozialbudgets aus. Das Einsparungspotential ist hier also sehr gering – die Auswirkungen der Kürzungen sind aber fatal. Denn es wird vor allem bei Kindern gespart und darunter werden sie auf ihren gesamten weiteren Lebensweg leiden.
Die „Sozialhilfe Neu“ sieht vor, dass es für das zweite Kind künftig nur noch 4,30 € pro Tag gibt – ab dem dritten wird der Betrag gar auf 1,50 € reduziert. Das ist deutlich weniger, als man beispielsweise in Deutschland mit Hartz 4 bekommt. Hartz 4 gilt international als abschreckendes Beispiel, da es Armut verfestigt, an Kinder weitervererbt und zu einem großen Billiglohnsektor führte. Darum verkündete auch Sozialministerin Hartinger-Klein:
„Hartz 4 gibt es mit mir nicht.“
Und sie hat ihr Versprechen gehalten, die „Sozialhilfe neu“ wurde deutlich schlimmer. Familien mit einem Kind werden in Österreich künftig 45 Euro weniger haben als in Deutschland, ab zwei sind es 126 Euro, bei dem dritten dann 251 Euro und
ab dem vierten Kind bekommen Familien gar 360 Euro weniger als beim Negativ-Beispiel Hartz 4.
Kinder aus armen Familien werden am meisten an den Kürzungen der Mindestsicherung leiden – und das ihr Leben lang. Denn Studien zeigen: Wer in Armut groß wird, bleibt wahrscheinlich arm. Eine Neuauflage des bekannten Marshmallow Experiment hat nachgewiesen, das Armut das Sozialverhalten von Kleinkindern stark prägt und das hat Folgen für ihr weiteres Leben.
Bei dem Experiment wird ein 4-Jähriger in einem Raum gesetzt und vor ihm ein Marshmallow platziert. Ein Forscher erklärt dem Kind, dass er den Raum verlassen wird. Zu seiner Rückkehr verspricht er eine zweite Süßigkeit mitzunehmen. Die bekommt das Kind aber nur, wenn es den Marshmallow noch nicht gegessen hat. Die Forscher zeichneten die Zeit auf, die die Kinder bereit waren zu warten. Jahre später verglichen sie die schulische Leistung der damals 4-Jährigen. Das Ergebnis: Je länger ein Kind gewartet hat, desto erfolgreicher war es später. Früher ist man davon ausgegangen, dass die Zeit, die das Kind bereit war zu warten, mit seiner Willenskraft zu tun hat und somit ein Zusammenhang zu dem späteren Erfolg besteht. Doch man verzehnfachte die getestete Gruppe und erkannte: Die alte Annahme ist falsch.
Es geht nicht um Willensstärke, sondern um den sozialen Status.
Das Experiment zeigt in Wahrheit, wie der soziale Status der Eltern das Verhalten der Kinder prägt. Ärmere Kinder haben seltener auf den zweiten Marshmallow gewartet, da es für diese Kinder im täglichen Leben keine Garantien gibt. Sie können sich nicht darauf verlassen, dass Dinge, die gerade verfügbar sind, auch morgen noch vorhanden sind. Außerdem erleben sie häufiger, dass Versprechen nicht gehalten werden können – aus finanziellen Gründen. Geld, das ihre Eltern heute haben, ist morgen schon aufgebraucht. Die Kinder lernen, dass sie kurzfristig planen und konsumieren müssen. Und das ist in ihrer Situation auch vernünftig.
Das Umfeld, in dem Kinder aufwachsen, bestimmt also ihr Konsumverhalten und ihre spätere Leistungsfähigkeit stark. Unsichere finanzielle Verhältnissen in der Kindheit wirken sich bis ins Erwachsenenalter darauf aus, wie lange Belohnungen aufgeschoben werden können. Kürzungen im Sozialbereich, wie z. B. bei der Mindestsicherung für kinderreiche Familien verstärken diesen Effekt zusätzlich.
Durch die Kürzungen bei der Mindestsicherung werden Kinder also von Anfang an in die Armut gedrängt. Das prägt ihr späteres Sozialverhalten und ihre Leistungsfähigkeit – dadurch ist es wahrscheinlicher, dass sie später wie ihre Eltern in der Armutsfalle landen. Ihren sozialen Status vererben sie wiederum an ihre eigenen Kinder weiter. Eine deutsch-spanische Studie konnte feststellen, dass dieser über 4 Generationen hinweg vererbt wird. Das Einkommen der Ur-Großeltern prägt also das eigene wesentlich mit. Laut der Studie wird der eigene soziale Status zu 60 % weitervererbt.
Die Kürzungen bei der Mindestsicherung zementiert also den sozialen Status von ganzen Gesellschaftsgruppen ein. Doch es kommt noch schlimmer. Für die betroffenen Menschen bedeutet ein Leben in Armut auch einen früheren Tod. Die Statistik Austria hat die Auswirkungen von Armut auf die Lebenserwartung der Österreicher untersucht. Sie führte eine Sonderauswertung der EU-Sozialstudie SILC durch. Ergebnis: Dauerhaft arme Menschen sterben zehn Jahre früher als der Rest der Bevölkerung. Die „Sozialhilfe Neu“ wird das ganz noch verschärfen und das, obwohl schon jetzt 1,5 Millionen Menschen in Österreich von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen sind.
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