Wohnen & Miete

„Keine produktive Arbeit“: Ökonom fordert 100%-Steuer auf Gewinn aus Bodenspekulation

„Warum kannst du dir keine Wohnung kaufen?“ fragt der Ökonom Josh Ryan-Collins und gibt auch gleich eine Antwort: Weil Großinvestoren mit Grund und Boden spekulieren. Sie machen saftige Gewinne mit taktischen Verkäufen. Die Wohnungen, die dann gebaut werden, sind danach aber teuer. Die Grundbesitzer haben nicht für ihren Gewinn gearbeitet. Ryan-Collins fordert deshalb eine 100-Prozent Steuer auf den Gewinn aus Bodenspekulation. Das Geld hieraus sollen Städte für den öffentlichen Wohnbau verwenden.

1.800 Euro zahlt man heute in London pro Monat für eine durchschnittliche Mietwohnung. Kaum ein normaler Angestellter kann sich das noch leisten – geschweige denn eine Wohnung kaufen. In Wien zahlt man für eine gleichwertige Wohnung immerhin um zwei Drittel weniger: Zwischen 600 und 700 Euro kostet eine durchschnittliche Mietwohnung in Wien. Und das liegt vor allem am sozialen Wohnbau.

Privatmieten viel teurer als im öffentlichen Wohnbau

Ein Grund für die Wohnkrise in London und in vielen anderen europäischen Städten ist nämlich der privatisierte Wohnungsmarkt: Die neoliberale Premierministerin Margarete Thatcher hat den kommunalen Wohnbau in den 1980er Jahren mit einem Trick zerstört: Thatcher wollte Arbeiter dazu bringen, die Konservativen zu wählen. Dafür hat sie ihnen angeboten, ihre gemeinnützigen Wohnungen zu kaufen.

Das hatte „katastrophale Folgen“, wie der britische Ökonom Josh Ryan-Collins erklärt:

„Die Menschen haben ihre Wohnungen dann verkauft, leben jetzt in den Vorstädten und kaum ein normaler Mensch kann sich heute mehr leisten, in London zu leben. Die ehemaligen Sozialwohnungen werden jetzt von Immobilien-Firmen sehr teuer vermietet.“

In Wien lebt nach wie vor mehr als die Hälfte im geförderten Wohnbau. Doch auch in Österreich gibt es das „Right to buy“ im Sinne Thatchers: Die Kaufoption wurde von ÖVP und FPÖ 2002 eingeführt, mit der Novelle des Wohngemeinnützigkeitsgesetzes (WGG-Novelle) hat Türkis-Blau das 2019 noch einmal vereinfacht. Doch die Kaufoption betrifft nur Genossenschafts-Wohnungen, keine Gemeindewohnungen.

Der britische Ökonom Josh Ryan-Collins erforscht den Wohnungsmarkt in Europas Metropolen. Auf Einladung der Arbeiterkammer war er 2019 in Wien.

Dabei ist es gerade der öffentliche Wohnbau, der für günstige Wohnungen sorgt. Während die Mieten für Wiener am freien Markt in den letzten 10 Jahren um fast 50 Prozent gesteigen sind und die Eigentumspreise um 60 Prozent, sind die Preise im gemeinnützigen Wohnbau gerade mal um die Inflationsrate teurer geworden – das sind 22 Prozent. In diesem Ausmaß sind auch die Einkommen der Menschen gesteigen.

Bodenpreise in Wien um 114 Prozent gestiegen

Der gemeinnützige Bereich federt die Entwicklungen in Wien ab, kann sie aber auch nicht aufhalten: Seit der Wirtschaftskrise 2008 drängen internationale Investoren in den Immobilien-Markt. „Immobilien sind das neue Gold“, urteilt Ryan-Collins. Vor allem der Bodenmarkt ist in Wien ein zentrales Problem: Die Wiener Bodenpreise sind seit 10 Jahren um 114 Prozent gestiegen. Das sieht Ryan-Collins besonders kritisch: Denn ein Großteil des Gewinns am Bodenmarkt hat nichts mit dem Bau neuer Häuser und Wohnungen zu tun.

„Wenn der Wert von Grundstücken steigt, weil in der Nähe eine U-Bahn-Station eröffnet wird, dann hat der Grundbesitzer dafür ja nichts geleistet. Das sind nur öffentliche Investitionen gewesen, finanziert vom Steuerzahler“, sagt Ryan-Collins.

Ähnliches gilt aber auch bei bestehenden Häusern und Wohnungen: Der Wert von Altbau-Eigentum ist um 98% gestiegen, Neubau-Eigentum nur um 60 Prozent.

„Wenn ich ein Haus besitze, ist der Profit also weit größer als für den Neubau eines Hauses. Die produktive Tätigkeit wird weniger entlohnt als der reine Besitz“, kritisiert auch Lukas Tockner von der AK-Abteilung Kommunalpolitik.

Ryan-Collins fordert 100-Prozent-Steuer auf Gewinn aus Boden-Spekulation

Der Ökonom Ryan-Collins fordert daher radikale Reformen: Der Gewinn aus Landbesitz sollte zu 100 Prozent besteuert werden, weil die Eigentümer nichts für die Wertsteigerung getan haben. Mit den Steuern können Städte dann in den Wohnbau oder den öffentlichen Verkehr investieren.

„Wir müssen Steuern weg von der realen Ökonomie bringen, wo Werte geschaffen werden. Und Renten stärker besteuern, weil da gibt es keine Leistung von Menschen“, sagt Ryan-Collins.

Wie es anders ginge zeigt Singapur: Dort werden 90 Prozent des Landes vom Staat besessen. Der Bodenmarkt ist dort komplett verstaatlicht, die Wohnungen darauf sind meist im Eigentum ihrer Bewohner. Obdachlosigkeit und Slums gibt es in Singapur nicht. Ähnlich ist das in Südkorea, wo der Staat über 50 Prozent des Bodens verfügt.

Auch Wien hat geschickt auf die Boden-Spekulation reagiert, lobt Ryan-Collins. Österreichs Hauptsadt hat in ihrer neuen Bauordnung zwei Drittel der Bodenfläche für geförderte Wohnungen reserviert.

„Die Frage ist, welchen Immobilien-Markt man will. Einen Immobilien-Markt, der für leistbare Wohnungen für alle sorgt, oder einen, der für Banken und ausländischen Investoren guten Profit beschert“, sagt Ryan-Collins.

Das Buch „Warum du dir keine Wohnung leisten kannst“ von Ryan-Collins ist in englischer Sprache bei Politiy Books erschienen.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1615 Stimmen
    58% aller Stimmen 58%
    1615 Stimmen - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 428 Stimmen
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    428 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 339 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    339 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 252 Stimmen
    9% aller Stimmen 9%
    252 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 130 Stimmen
    5% aller Stimmen 5%
    130 Stimmen - 5% aller Stimmen
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12. März 2024
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Patricia Huber

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