Politik

Nehammer in ZIB 2: Wie sich die ÖVP in der Schredder-Affäre in Widersprüche verstrickt

ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer ist in der ZIB 2 angesichts der Schredder-Affäre in Erklärungsnot. Er will uns weismachen, dass es „ganz normal“ sei, Daten, die im Staatseigentum sind, heimlich durch den Reisswolf zu jagen. Und überhaupt: Die ÖVP auf die Affäre anzusprechen, ist wieder nur billiges Anpatzen, die ÖVP ist hier das Opfer. Natascha Strobl hat sich das Interview mit Nehammer genau angehört – und seine Ablenkungsmanöver zusammengefasst.

Am 23. Juli 2019 ist Karl Nehammer bei Armin Wolf in die ZIB 2 geladen. Er soll dort der Öffentlichkeit erklären, wie es sein kann, dass ein Kurz-Vertrauter heimlich 5 Festplatten mit Daten aus dem Bundeskanzleramt geschreddert hat. Und zwar nur zwei Tage nachdem Kurz die Koalition mit der FPÖ aufgekündigt hat. Die „Erklärung“ von Nehammer ist bemerkenswert.

Erklärung 1: BKA-Daten vernichten? Alles ganz normal

Das Erste was ich sehr bemerkenswert fand, war inhaltlicher Natur. Die Verteidigungs-Erzählung von Nehammer: Alles easy, alles normal. Das machen alle so beim Amtswechsel.

Erinnern wir uns doch nochmal an die Chronologie. Geschreddert wurde am 22. Mai. Das heißt: Für die ÖVP war schon am 22. Mai felsenfest klar, dass Sebastian Kurz nicht Bundeskanzler bleibt. Dieser zeitliche Ablauf ist doch bemerkenswert.

Die FPÖ verlässt am 20. Mai die Regierung. Und schon am 22. Mai räumt die ÖVP das Kanzleramt aus. Die Behauptungen von Kurz, er hätte sich doch so intensiv um eine Zusammenarbeit mit der SPÖ und den anderen Parteien im Parlament bemüht, wirkt jetzt noch weniger glaubwürdig.

Der Versuch, anerkannte Personen auf deine Seite zu ziehen

Als nächstes kopiert Nehammer gegenüber Armin Wolf den Kniff, den schon sein Chef Sebastian Kurz angewendet hat: Wenn es bei dir kriselt, dann nimm dir Persönlichkeiten zu Hilfe, die angesehen sind – und ziehe sie rhetorisch auf deine Seite. Nehammer macht es hier mit Bundeskanzlerin Bierlein.

Denn die lässt gerade intern prüfen, was passiert ist, hat aber allgemein davon gesprochen, dass Datenvernichtung zum Regierungswechsel dazugehört. Klar, das stellt auch niemand in Abrede. Aber die zentrale Frage ist ja: Welche Daten – und welche nicht. Und auf welchem Weg. Werden sie korrekt im Haus von zuständigen Beamten gelöscht. Oder unter Fake-Identität, die Hardware zerstört.

Aber Nehammer stellt es so dar, als hätte Bierlein mit ihrer Aussage höchstpersönlich das Vorgehen der ÖVP gut geheißen.

Kurz hat das schon beim Misstrauensantrag mit Bundespräsident van der Bellen gemacht. Der Misstrauensantrag gegen Kurz brüskiere ja den Präsidenten – denn der will Stabilität! Und van der Bellen konnte sich öffentlich dagegen wehren, so instrumentalisiert zu werden.

Erklärung 2: Die einzigen Fehler laut ÖVP waren Fake-Name und offene Rechnung

Gefragt nach Fehlern, sieht Nehammer nur Kleinigkeiten als problematisch an. Das einzig Unkorrekte an der Schredder-Affäre wäre die nicht bezahlte Rechnung und der Fake-Name. Alles andere sei ok gewesen.

Dabei sind das ja nur Symptome, nicht Ursachen des inkorrekten Vorgangs. Das Problem ist ja, dass 5 Festplatten nicht im Bundeskanzleramt, sondern extern vernichtet wurden.

Durch das Zugeben vergleichsweise kleiner Fehler verdrängt Nehammer das Große in den Hintergrund. Das ist ein klassisches Ablenkungsmanöver. Wir sollen nur über Name und Rechnung reden – und nicht über die 5 Festplatten und darüber, was da eigentlich drauf gewesen ist. Darüber, was genau Kurz und Co. vor uns verbergen wollten.

Festplatten Schreddern ist kein „Fehler“, kein „Patzer“ – es ist eine kalkulierte Datenvernichtung

Und da sind wir schon beim nächsten Frame – „Fehler“. Ein Fehler ist, wenn man sich verrechnet oder in den falschen Zug einsteigt. Aber 5 Festplatten aus dem Kanzleramt zu schmuggeln und zu schreddern ist ein bewusster Vorgang, der geplant ist und vorbereitet wird. Das ist ja keine Kleinigkeit.

Karl Nehammer (ÖVP) ist in Erklärungsnot

Nehammer will, dass uns die ÖVP leidtut

Nehammer betonte gegenüber Armin Wolf immer wieder Dringlichkeit und wie schnell alles gehen musste. Mit diesem Argument will er Empathie erzeugen. Denn wenn man unter Zeitdruck ist, dann passieren halt Fehler. Wir können uns das ja gar nicht vorstellen. Er tut so als ginge es um Stunden. Aber das stimmt nicht.

Kurz war noch Kanzler, als die Kanzleramts-Daten geschreddert wurden

Was ich absolut bemerkenswert finde ist, dass für die ÖVP das Verlassen des BKA schon am 22. Mai felsenfest klar war. Ab diesem Tag hat sie alles penibel für den Wechsel vorbereitet. Aber zu dem Zeitpunkt war der Wechsel demokratisch ja noch gar nicht durch.

Das heißt: die ÖVP hat schon fröhlich Daten vernichtet als wären sie abgewählt, weil dann Datenvernichtung legitim ist. Aber sie waren noch nicht abgewählt – die Misstrauensanträge hätten ja nicht durchgehen können. Sie haben also präventiv Daten vernichtet. Nicht sehr souverän.

Kurz hätte 6 Tage Zeit gehabt, den Platz korrekt zu räumen

Kurz wurde erst am 27. Mai abgewählt und Bierlein am 3. Juni angelobt. In diesen 6 Tagen wäre genügend Zeit gewesen, alle „üblichen Vorgänge“ durchzuführen. Die ganze Erklärung von wegen „üblich“ und „muss schnell gehen“ ist also ziemlich wacklig.

Erklärung 3: Alles nur ganz harmlose Daten?

Die nächste Verteidigungslinie von Nehammer ist, dass es nur harmlose Daten waren, die Arno M. geschreddert hat.

Umso unverständlicher ist dann, warum es dann alles so schnell und heimlich vernichtet werden musste. Das ist komplett verworrene Logik. Warum mache ich mich absichtlich verdächtig?

Erklärung 4: Opfer ist die ÖVP – Schreddern war nur Notwehr

Nehammer klagt über das Anpatzen der ÖVP. Kurz und Co. sid doch gebrannte Kinder. Vor allem Silberstein, die SPÖ … alle sind sie gegen ihn. Merke: Sogar in einem ZIB 2-Interview über geschredderte Daten durch die ÖVP schafft es die ÖVP, „Silberstein“ ins Treffen zu führen.

Daten schreddern, das war laut Nehammer also nur Notwehr. Der politische Gegner ließ ihm ja keine andere Wahl. Der hätte das sicher gegen die ÖVP verwendet. Was Nehammer suggeriert: Alternativlosigkeit und Opferrolle.

Als „Beweis“ nennt Nehammer die geleakten Papiere der „Operation Ballhausplatz“. Das waren Strategie-Papiere, in denen der Putsch durch Kurz in der ÖVP vorbereitet wurde. Geschrieben von Mitarbeitern. Das muss man sich mal vorstellen: Da wurden im Außenministerium auf Steuerzahlerkosten Papiere für interne ÖVP-Intrigen verfasst- und Nehammer tut jetzt so als wäre der Leak der Skandal!

In diese Erzählung passt auch, dass das Kabinett Kurz quasi von Feinden umzingelt im BKA gesessen hätte. Ein wirklich krasser Ausfall von politischer Seite gegen Angestellte. Der Chef sagt quasi, dass er glaubt die Mitarbeiter spionieren ihn aus.

Die wichtigsten Antworten fehlen

Antworten auf die wichtigsten Fragen gab es jedoch keine. Wir wissen noch immer nicht, welche Daten da heimlich vernichtet wurden – und warum. Wir wissen nicht, wer genau den Auftrag erteilt hat – und ob und was die ÖVP mit dem „Ibiza-Video“ zu tun hatte.

Was wir wissen ist lediglich: Die ÖVP hat sich binnen kürzester Zeit einen Skandal geleistet, der sich in die Liste von Fehltritten einreiht – und der uns noch länger beschäftigen wird.

Die Analyse von Natascha Strobl als Twitter-Thread gibt es hier zum Nachlesen!

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1630 Stimmen
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    1630 Stimmen - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 433 Stimmen
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    433 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 346 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    346 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 254 Stimmen
    9% aller Stimmen 9%
    254 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 132 Stimmen
    5% aller Stimmen 5%
    132 Stimmen - 5% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2795
12. März 2024
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