Korruption

Kurz‘ Telefonat-Aufnahme ist „kein besonderes Beweismittel“, sagt Strafrechtsexperte Novak

Von wegen „Bombe“: Der Telefon-Mitschnitt, den Sebastian Kurz jetzt an die Medien weitergegeben hat, um sich zu entlasten und als Opfer zu präsentieren, ist für Rechtsanwalt Meinhard Novak nichts Besonderes. Es ist schlicht ein Beweismittel von vielen. Dass Kurz dadurch entlastet ist, glaubt er nicht – dazu müssten ihm schon mehrere Beschuldigte gemeinsam die Mauer machen, was Novak anzweifelt. Interessant ist die Frage, mit welcher Intention Kurz den Mitschnitt überhaupt angefertigt hat. Und: Die Andeutung, Schmid jetzt zu klagen, hält Novak für unklug, sogar „brandgefährlich“. Warum, erklärt er im Gespräch mit Kontrast.at.

Nachdem Ex-Kurz-Intimus Thomas Schmid mit einem 450-seitigem Geständnis vor der Staatsanwaltschaft Sebastian Kurz schwer belastet und in Bedrängnis gebracht hat, ritt dieser prompt aus: Er hat auch was in der Hand, sagt er. Einen Telefon-Mitschnitt vom 18. Oktober 2021. Zwei Wochen nach der Hausdurchsuchung. Im Mitschnitt sagte Schmid, er könnte sich auch nicht erklären, warum Kurz derart im Zentrum der Verdächtigungen stünde.

Kurz sieht sich als Opfer. Und als entlastet. Schmid sei als Lügner enttarnt. Doch so einfach ist es nicht, sagt Rechtsanwalt und Strafrechtsexperte Meinhard Novak. In den Ermittlungen – und Prozessen danach – wird es darum gehen, das „große Drumherum“ um Beweismittel, Geständnis und Mitschnitt nachzuzeichnen. Mit einem Drei-Minuten-Audio in der Hand wird sich Kurz nicht einfach zurücklehnen können, ist Novak überzeugt. Wir haben ihn zum „Wert“ der Aussagen von Kurz und Schmid gefragt.

Kontrast.at: Die ÖVP-Korruptionsaffäre wirkt wie ein einziger Dorfkrimi. Jetzt gerade schaut man nur auf die Gegenspieler Kurz und Schmid. Jeder will für sich das meiste herausholen und dem anderen schaden. Aktuell stehen 450 Seiten Schmid-Geständnis ein paar Minuten Telefon-Mitschnitt von Kurz gegenüber. Welches Beweismittel ist das stärkere?

Meinhard Novak: Man muss das ganze natürlich im Gesamtzusammenhang sehen. Es geht ja in der ganzen ÖVP-Affäre nicht nur um das Beinschab-Tool. Es gibt darum eine Vielzahl von Akteur*innen und Beschuldigten – und es wird noch mehr Beweismittel geben. Aber ich denke, dass man von einer starken Beweiskraft des Schmid-Geständnisses ausgehen muss.

Sebastian Kurz fährt jene Strategie, dass er insinuieren will: Schmid hat gelogen. Und wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Und damit will er das ganze Geständnis in seiner Beweiskraft abwerten. Aber dass das so funktionieren wird, darf bezweifelt werden. Schlussendlich muss die Staatsanwaltschaft ermitteln und den Wahrheitsgehalt aller Aussagen abklopfen.

Evidence Setting: Telefonat-Aufnahme als Mittel zum Zweck

Telefon-Aufnahmen sind ja mitunter eine heikle Angelegenheit – wenn da das Gegenüber nicht Bescheid weiß im Vorfeld. Hätte Kurz das Gespräch zwischen ihm und Thomas Schmid überhaupt mitschneiden dürfen?

Meinhard Novak: Ja, grundsätzlich schon. Weil es um seine Verteidigungsinteressen geht. Da kann man mitschneiden. Für Kurz war es wichtig, das festzuhalten. Telefonate darf man mitschneiden, aber es muss schutzwürdigen Interessen dienen – und bei Kurz war es so ein Fall. Er befand, es war ihm wichtig, dass der andere – Thomas Schmid – ihm gegenüber festhält, dass Kurz ja gar nichts wusste.

Aber man muss auch beachten, wann und wie der Mitschnitt entstanden ist. Und warum. Denn das Telefonat fand nach den Hausdurchsuchungen und nach dem Rücktritt von Kurz als Kanzler statt. Zu dem Zeitpunkt war er Klubchef der ÖVP im Parlament. Das Warum ist wohl die spannendste Frage. Warum zeichnet man auf? Das ist schon sehr untypisch. Eventuell ging es da um evidence setting – also den Versuch, Tatsachen zu schaffen. Mit dem Interesse, diesen evidence, einen Beweis, später zu verwenden.

Es wurde die Vermutung geäußert – zum Beispiel von Florian Klenk vom „Falter“ – dass Kurz und Schmid davon ausgegangen sind, dass sie abgehört werden.

Meinhard Novak: Das würde gut in den Kontext passen. Vielleicht war es auch explizit abgesprochen, man weiß es nicht. Laut Thomas Schmid wollte Sebastian Kurz ja etwas Schriftliches haben. Eine Stellungnahme, die festhält, dass Kurz von nichts wusste. Eine solche hat Schmid ihm aber nie gegeben. So ein Telefonat wäre ein Mittelweg. Wenn beide davon ausgingen, dass sie abgehört werden, reden dann beide … vorsichtiger. Und Kurz dachte sich wohl, dass da keiner was zugeben wird im Telefonat – und wenn er das als Mitschnitt hat, wandert es direkt in den Ermittlungsakt.

Und das darf er auch vor Gericht in der Form verwenden?

Meinhard Novak: Ja, als Beweismittel ist das zulässig.

Für Sebastian Kurz wäre es „brandgefährlich“, jetzt Thomas Schmid zu klagen

Reicht jetzt dieser Mitschnitt aus, um Kurz völlig zu entlasten? Das Transkript ist ja bereits veröffentlicht.

Meinhard Novak: Strafrechtlich wohl nicht, nein. Aber man muss abwarten, was es sonst noch für Beweismittel gibt. Und man muss abwarten, was die anderen sagen. Wenn ihm die anderen Beschuldigten in der Causa die Mauer machen, würde Kurz das natürlich helfen. Aber das werden sie wohl nicht. Die wollen selber für sich möglichst schadlos rauskommen. Und da gibt es keine „Schützt Kurz!“-Strategie. Ich rechne mit Beweisergebnissen, die sich unterscheiden werden. Aber zum Mitschnitt: Rein für sich genommen ist es kein besonderes Beweismittel.

Von welchen juristischen Strategien gehen Sie persönlich aus? Welche Strategien werden die Anwält*innen von Kurz und Schmid jeweils verfolgen?

Meinhard Novak: Wenn sich Kurz so sicher ist, dass Schmid die Unwahrheit sagt, könnte er zivilrechtlich klagen – auf Unterlassung. Also: Damit Schmid es unterlässt, Aussagen über Kurz in dieser Form zu treffen. Es deutet auch einiges darauf hin, dass Kurz das tun wird, wenn man seine Ankündigungen liest (siehe unten). Das wäre allerdings brandgefährlich für ihn.

Warum das?

Meinhard Novak: Weil Kurz damit die Sache sehr schnell auf eine richterliche Ebene heben würde. Auf einer zivilrechtlichen Ebene entscheidet ein Richter binnen drei Monaten. Ich als Anwalt würde nicht zu so einem Weg raten, weil dann eine Präjudiz (Entscheidung eines Gerichts mit Leitbildfunktion für ähnliche künftige Rechtsfälle, Anm.) gesetzt wird. Und dann riskierst du, dass du mit deinem Ziel nicht durchkommst. Dann riskierst du die Schlagzeile „Kurz blitzt grandios vor Gericht ab“ – also beim Zivilgericht – und das schadet dir im Strafverfahren, das darauf folgt, erst recht.

Kurz hat angekündigt sich „rechtlich gegen Thomas Schmid zur Wehr zu setzen“. (Foto: Screenshot; Posting von Sebastian Kurz‘ Facebook-Seite vom 20. Oktober 2021, Hervorhebung der Redaktion)

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 59%, 1549 Stimmen
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  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 404 Stimmen
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  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 327 Stimmen
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  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 242 Stimmen
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  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 120 Stimmen
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12. März 2024
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