Sebastian Kurz lässt keine Gelegenheit ungenutzt, um sich als entschlossener Führer darzustellen. Dabei hat sich am Beispiel Ischgl gezeigt, dass die Regierung im Blindflug in die Corona-Krise gestartet ist. Ratschläge der Opposition werden als „populistisch“ abgelehnt und im Nationalrat niedergestimmt. Zum Glück aber dann zwei bis drei Tage später doch umgesetzt. Zusammenarbeit oder gar Team geht anders.
Die Regierung ist bemüht zu betonen, dass nun nicht die Zeit für Parteipolitik ist. Sie hat völlig Recht. Das Problem: So richtig scheint sie sich selbst nicht an ihre eigenen mahnenden Worte zu halten. Denn während man stets der Opposition dafür dankt, dass diese die Maßnahmen im Parlament mitträgt, obwohl sie Kritik und Verbesserungsvorschläge einbringt um in diesen schwierigen Zeit nicht zu blockieren, macht es die Regierung umgekehrt. Antrag um Antrag der Opposition wird abgelehnt – und dann wenige Tage später dann als Regierungsmaßnahme umgesetzt.
Während Gesundheitsminister Anschober die Forderung von SPÖ-Vorsitzender Rendi-Wagner nach mehr Tests am Montag noch als Populismus abtut, kündigt Kanzler Kurz bereits am Dienstag an, das Testvolumen auf 15.000 pro Tag zu heben. Etwas mehr als 12 Stunden liegen dazwischen: Von der SPÖ-Forderung ist dabei keine Rede.
Gleiches gilt für die Forderung nach Abgabenbefreiung der Bonus-Zahlungen für all jene, die das Land jetzt am Laufen halten. Die SPÖ stellte im Nationalrat einen Antrag, dass alle Sonderzahlungen und Überstunden steuerfrei ausgezahlt werden. Die Regierung lehnt ab und stimmt den Antrag nieder. Drei Tage später verspricht Bundeskanzler Kurz: die Regierung befreie die Bonuszahlungen von allen Steuern und Abgaben. Nur damit die Zeitungen am Mittwoch auch seinen Namen titeln können.
Auch bei dem Abschalteverbot für Strom, Gas und Fernwärme machte die Regierung einen Alleingang. Erst vergangene Woche wurde der Antrag der SPÖ auf ein gesetzliches Abschalteverbot abgelehnt. Wie am Donnerstag bekannt wird, hat Energieministerin Leonore Gewessler mit den Energieversorgern eine freiwillige Vereinbarung getroffen. Anders als von der SPÖ gefordert und wie zum Beispiel in Deutschland umgesetzt, gibt es aber keine Rechtssicherheit.
Die Branchenlösung hält fest, dass die Strom- und Gasversorgung von Haushalten, sowie Ein-Personen-Unternehmen und Kleinunternehmen auch bei ausstehenden Zahlungen aufgrund der aktuellen Corona-Maßnahmen aufrecht bleibt. Allerdings steckt der Teufel im Detail: Die Vereinbarung umfasst nicht alle Anbieter; für kleine Energieanbieter oder Tochterunternehmen deutscher Konzerne gibt es etwas keine Regelung. Außerdem gibt es keine Rechtsfolgen, sollte es trotz der Vereinbarung zu Abschaltungen kommen.
Zudem müssen die Haushalte demnach selbst nachweisen, dass sie „Härtefälle“ sind. Nach dem Vorschlag der SPÖ sollten zumindest GIS-befreite Haushalte vor einer Abschaltungen geschützt sein. Man kündigte an, den Antrag bei der Sitzung kommenden Freitag erneut einzubringen.
Dabei müsste Kurz der Opposition grade nichts neidig sein: In Krisenzeiten schauen alle nur auf die Regierung, die Pressekonferenzen haben auch nach zehn Tagen noch hohe Einschaltquoten. Die Opposition kommt mit ihren Forderungen, Vorschlägen und Anträgen nicht an die Oberfläche der öffentlichen Aufmerksamkeit. Das macht sich Message-Control-Kanzler Kurz zu nutzen. Anstatt demokratische Politik zu betreiben, lässt er – mit tatkräftiger Unterstützung des Koalitionspartners Grüne – alles niederstimmen, um es anschließend als eigene Idee zu verkaufen.
Das ist nicht nur kindisch, sondern auch völlig undemokratisch – und verschleppt wichtige Beschlüsse. obwohl wir sie dringend und schnell brauchen.
Erst im Oktober 2019 beschlossen ÖVP, FPÖ und Neos im Nationalrat eine gesetzliche Schuldenbremse. In der Verfassung sollte verankert werden, dass der Staat keine neuen Schulden machen darf. Den gemeinsamen Antrag von ÖVP, FPÖ und Neos verhinderte die SPÖ im Bundesrat. In der zweiten Kammer des Parlaments, dem Bundesrat, fehlten die Stimmen der SPÖ für die notwendige Zweidrittelmehrheit.
Die Schuldenbremse würde die notwendigen Maßnahmen, die in den letzten Tage und Wochen beschlossen wurden, defakto verhindern. Nur so konnten jetzt die nötigen Gelder so schnell zur Verfügung gestellt werden. Denn ein einfaches „Koste es, was es wolle“ des Kanzlers wäre nicht gegen eine Schuldenbremse in der Verfassung angekommen.
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