Die hohe Zahl an Frauenmorden in der Familie ist besorgniserregend, warnt die Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie. 41 Frauenmorde hat es 2018 gegeben. Bei Hochrisiko-Fällen schützt die regelmäßige Beratung von Polizei, Justiz und Frauenhäusern vor tödlichen Folgen. Doch das Innenministerium stoppt dieses Projekt – die Polizei nimmt nicht mehr am Austausch teil.
9.000 Männern ist es im letzten Jahr verboten worden, sich ihrer Ex-Partnerin zu nähern – sie waren gewalttätig und haben ihre Frauen in Gefahr gebracht. Die meisten von ihnen akzeptieren die polizeiliche Wegweisung, einige lassen sich nur sehr schwer davon abhalten. Es sind Hoch-Risikofälle von Männern, die ihre Ex-Frauen nach der Trennung verfolgen und mit schwerer Gewalt oder Mord drohen. Bei ihnen reicht die normale Wegweisung nicht aus.
Über solche Risiko-Fälle haben Polizei, Justiz und Interventionsstellen gegen familiäre Gewalt bisher einmal im Monat beraten. Alle Institutionen sollten alarmiert sein; alle sollten überlegen, wie wiederholte Gewalt oder ein Mord an der Frau verhindert werden können.
2018 sind 41 Frauen ermordet worden. Die Hälfte der Morde seien angekündigt und passieren oft im Zusammenhang mit Trennungen, sagt Rosa Logar von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie.
„Wir müssen uns unangenehme Fragen stellen: Was wurde getan, um die Gefahr zu bannen. Und wenn Fehler passiert sind, müssen wir aus diesen Fehlern lernen. Wir brauchen einen schnelleren Austausch mit der Polizei, der Justiz, dem Jugendamt, der Bewährungshilfe und anderen Einrichtungen. Wenn dieser Austausch zur schwerfällig ist, was derzeit der Fall ist, können wir nicht ausreichend Schutz bieten.“ (Rosa Logar, „Wiener Interventionsstelle gegen familiäre Gewalt“)
Genau da haben die gemeinsamen Sitzungen aus Polizei, Gewalt-Schutz-Einrichtungen, Jugendamt und JuristInnen angesetzt. Sie haben Hoch-Risiko-Fälle dokumentiert und besprochen. Das Ziel: Eskalation und weitere Gewalt unterbinden.
Einmal pro Monat fanden Sitzungen statt, um Hoch-Risikofälle zu besprechen. Denn das Wissen um Gefahren sollte „nicht bei den einzelnen Einrichtungen bleiben“, sondern ausgetauscht werden. Zu selten, finden die Schutzeinrichtungen.
Die Sitzungsteilnehmer haben besprochen, wie sie Leib und Leben der Frauen schützen können und wo es Gefährdungs-Momente gibt. Auch konkrete Maßnahmen wie verstärkte Polizeistreifen, Anti-Gewalttrainings für Männer und Informationen an die Justiz waren die Folge.
Angelehnt waren die Treffen an die MARAC-Methode (Multi-Agency Risk Assessment Conference), die 2003 in Großbritannien entwickelt wurde – in Zusammenarbeit von Polizei und der Women’s Safety Unit in Cardiff, Wales.
2010 hat die „Wiener Interventionsstelle gegen familiäre Gewalt“ begonnen, mit der Polizei und anderen Einrichtungen Gespräche zu führen. Ziel war ein Bündnis gegen Gewalt an Frauen. Ein Pilotprojekt lief von Mai bis November 2011. Danach wurde die Zusammenarbeit als ständige Einrichtung fortgesetzt. Initiiert wurden diese Treffen damals vom Frauen- und vom Innenministerium.
Die Fallkonferenzen haben 7 Jahre lang monatlich stattgefunden, auch der ehemalige Wiener Polizeivizepräsident Karl Mahrer (aktuell ÖVP-Abgeordneter im Nationalrat) hat sie stets hochgehalten. Ab Herbst 2017 lagen sie sechs Monate „zur Evaluierung“ auf Eis, dann wurden sie eingestellt. Das Innenministerium hat entschieden: Die Polizei nimmt an diesen Treffen nicht mehr teil. Auch von Seiten der Frauenministerin gibt es keine Signale, diese Einrichtung zu erhalten. Das bringt Frauen in Gefahr, von ihren Tätern erneut angegriffen zu werden.
„Warum die Polizei daran nicht mehr teilnehmen will, wissen wir leider nicht genau. Es hieß aber, es wäre nicht das richtige Instrument – allerdings gibt es auch keine Alternative“, weiß Rosa Logar.
„Wenn ein Opfer zur Polizei geht, muss es auch geschützt werden. Es geht ja sehr oft um wiederholte Gewalt, und es ist einem Opfer nicht zuzumuten, dass es immer wieder Anzeige erstatten muss, so eine Anzeige ist ja eine ziemliche Prozedur. Einfach nur gesagt zu bekommen ,Zeigen Sie halt wieder an, wenn es nochmal passiert‘, ist zu wenig.“ (Rosa Logar, „Wiener Interventionsstelle gegen familiäre Gewalt“)
ÖVP und FPÖ haben bereits bei der Familienberatung eine Million Euro gestrichen. Die knapp 400 Beratungsstellen in Österreich müssen jetzt mit 8 Prozent weniger Budget auskommen. Ihre Aufgabe: die körperliche, soziale und psychische Gesundheit von Familien, Paaren und Kindern in Österreich absichern. So steht es im Gesetz.
Die Beratungsstellen unterstützen Familien in Krisensituationen. Es gibt Hilfe bei Erziehungsproblemen, bei Streit in der Familie, bei Trennung, aber auch bei Misshandlung und Gewalt. Wie Interventionsstellen leisten auch FamilienberaterInnen wichtige Präventionsarbeit.
„Eine Kürzung des Budgets um eine Million Euro ist notleidenden Familien und Menschen gegenüber unverantwortlich“, sagt Wahala vom Dachverband Familienberatung.
Auch diese Kürzung ist ein Alarmsignal, wenn es um Gewalt gegen Mädchen und Frauen geht. 18.000 Familien sind von den Kürzungen betroffen – 26.000 Beratungsstunden müssen eingespart werden. Und das obwohl Studien sagen, dass der Bedarf an Familienberatung kontinuierlich steigt.
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