Wer stößt am meisten CO2 aus auf dieser Welt? Kurzum: Die, die viel Geld haben. Superreiche lassen sich ins Weltall schießen, feiern auf riesigen Yachten und jetten um die Welt. Die reichsten 10 Prozent der Bevölkerung verursachen 48 Prozent der CO2-Emissionen. Es ist der Überreichtum, der in klimaschädlichem Luxuskonsum mündet.
Wie klimaschädlich der Lebensstil der Milliardäre und Millionäre dieser Welt ist erreichende der französische Ökonom Lucas Chancel in einer Studie. Er untersuchte, wie die ungleiche Verteilung von Reichtum und Emissionen pro Kopf miteinander verschränkt sind. Das Ergebnis: Die reichsten 10 Prozent der Bevölkerung verursachen 48 Prozent der CO2-Emissionen. Ausschlaggebend ist laut Chancel mehr das Investitionsverhalten der Superreichen als der Konsum. Superreiche blasen immer mehr CO2 in die Luft und schaden dem Klima damit stärker als es der Rest der Weltbevölkerung je könnte.
„Alle Menschen tragen zum Klimawandel bei – aber nicht alle in gleichem Ausmaß“, stellt Lucas Chancel seiner Studie voran. Der Ökonom, der an der Paris School of Economics forscht, hat anhand weltweit verfügbarer Einkommens- und Vermögensdaten untersucht, wie sich in den Jahren 1990 bis 2019 die CO2-Emissionen verändert haben – und vor allem: auf wessen Konto sie gehen.
Er kommt zum Ergebnis, dass gegenwärtig die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung nur 12 Prozent der CO2-Emissionen hervorbringt. Während auf der anderen Seite die reichsten 10 Prozent der Weltbevölkerung fast die Hälfte aller Emissionen zu verantworten hat (48 Prozent).
Seit 1990 war das reichste Prozent für fast ein Viertel (23 Prozent) aller Emissionen verantwortlich. Im Zeitverlauf der untersuchten dreißig Jahre haben diese Superreichen ihren Pro-Kopf- Fußabdruck sogar vergrößert während Emissionen der unteren und mittleren Einkommensgruppen innerhalb der reichen Länder zurückgegangen sind.
Der Großteil der Gesamtemissionen des reichsten 1 Prozent der Weltbevölkerung stammt aus ihren Investitionen und nicht aus dem Konsum – denn der hat seine Grenzen, selbst wenn er exzessiv betrieben wird. Doch bei Finanzgeschäften – und ihren weitreichenden Folgen – gibt es diese menschlichen Grenzen nicht.
Dass der CO2-Abdruck der Reichen einer Gesellschaft so ungleich größer ist als jener der mittleren bzw. ärmeren Teile einer Bevölkerung, ist eine Realität, die sich in allen Regionen der Welt so wiederfindet. Wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß.
Dass die Klimafrage auch eine Verteilungsfrage ist, haben Ökonomen der Wirtschaftsuniversität Wien auch für Österreich nachgewiesen. Hendrik Theine, Stefan Humer, Mathias Moser und Matthias Schnetzer haben anhand von Einkommensdaten berechnet, dass die Top 10 Prozent der Haushalte über ihr Verhalten viermal mehr CO₂ ausstoßen als die 10 Prozent ärmsten Haushalte.
„Menschen mit höheren Einkommen haben größere Häuser, wohnen nicht in der Innenstadt in einer kleinen Wohnung, sondern eher draußen in einer großen Wohnung, in den Speckgürteln. Sie haben oft mehr als ein Auto vor der Tür stehen, fliegen öfter in den Urlaub. Wer ein hohes Einkommen hat, hat mehr Möglichkeiten – und die werden in der Regel ausgenutzt“, fasst Hendrik Theine die Studienergebnisse im Gespräch mit Kontrast.at zusammen. Vor allem die Bereiche Mobilität und Energie sorgen dafür, dass sich der CO₂-Fußabdruck massiv vergrößert.
Die vier Ökonomen haben sich auf verfügbare Einkommens- und Konsumdaten aus Österreich gestützt. Und obwohl die Schieflage schon anhand dieser Datensätze gegeben ist, hält Theine sie für noch unterschätzt. „Es ist immer noch ein Problem, dass es an Vermögensdaten mangelt. Hätte man diese, wären die Ergebnisse noch krasser“, ist sich Theine sicher.
Im Sommer 2022 veröffentlichten Wissenschaftler:innen des Club of Rome die Studie „Eine Erde für alle.“ Die Hauptaussage war: Wir können im Kampf gegen die Klimakrise noch die Kurve kriegen. Wir können die Trendwende schaffen, aber nur, wenn wir soziale Ungleichheit verringern. Einer der Studienautoren, der norwegische Zukunftsforscher Jørgen Randers, brachte es so auf den Punkt: „Wir werden die Welt nicht retten, wenn nicht die reichsten zehn Prozent die Rechnung bezahlen“. Damit meinte er die obersten „zehn Prozent“ der Bevölkerung, die national und global die Hälfte aller Einkommen auf sich vereinen. Sie müssen wir zur Kassa bitten. Sie befeuern mit ihrem Konsum und ihrem Verhalten die Klimakrise – und zugleich horten sie Vermögen. Geld, das wir weltweit bräuchten, um in klimaneutrale Infrastruktur, Energie- und Lebensmittelproduktion zu finanzieren.
Möglich wäre diese Umverteilung durch Vermögens-, Konzern- und Erbschaftsteuern, das Schließen aller Steueroasen und dem Kampf gegen Steuerbetrug. Ohne außergewöhnliche Maßnahmen zur Umverteilung des Reichtums in den nächsten 50 Jahren, so die Expert:innen, würden Gesellschaften so dysfunktional, dass sie den Klimawandel nicht mehr abwenden könnten.
Dass es bei der Rettung des Klimas um Verteilungsgerechtigkeit geht, davon ist auch Hendrik Theine überzeugt.
„Es ist immer eine Verteilungsfrage. So zu tun, als wäre es keine, ist Augenauswischerei.“
Dieser Artikel wurde am 4. Oktober 2022 veröffentlicht und am 27. März 2023 aktualisiert.
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