Veronika Bohrn Mena - Prekäre Arbeit

Arbeitslosengeld statt Lohn: Wie Unternehmen das AMS ausnutzen

Ein gutfunktionierender Arbeitsmarkt ist für eine Gesellschaft essentiell. Haben die Menschen gute Arbeit, hat das nicht nur Auswirkungen auf ihre eigene Lebensqualität– stabile und gerecht bezahlte Jobs sorgen auch dafür, dass der Staat die öffentlichen Infrastruktur ausbauen, den Sozialstaat erhalten, Armut bekämpfen und für Integration und Sicherheit sorgen kann. Denn wenn alle gut verdienen, nimmt auch der Staat mehr ein. Doch die Arbeitsmarktpolitik der letzten Jahre hat das Leben für die Beschäftigten und ihre Angehörigen schwerer gemacht. Und statt Arbeitsplätze zu schaffen, schikaniert man Arbeitslose lieber.

Es ist Jahre her, dass die Regierung auch nur eine einzige sinnvolle Maßnahme zur Verbesserung der Situation am österreichischen Arbeitsmarkt getroffen hat. Während die Politik es verabsäumt, ihre Arbeit zu machen, geht es für die Beschäftigten, ihre Angehörigen und den Arbeitsmarkt bergab.

Jetzt hat die Industriellen Vereinigung schärfere Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose verlangt. Die Wiener Köchin soll einen Job in Tirol annehmen müssen. Manager täten das schließlich auch, meint der Industriellen-Chef Kapsch. Dass die Köchin 1.500 Euro bekommt, und die Manager das 50-fache, verschweigt er. Und trotzdem: die Wirtschaftsministerin Schramböck und Kanzler Kurz folgen sofort. Sie beschimpfen Arbeitssuchende als leistungsunwillig, und drohen mit härteren Strafen. Dabei ist mehrfach bewiesener Fakt, dass erweiterte Sanktionen und erhöhter Druck nicht zu weniger Erwerbslosen und neuen Arbeitsplätzen führen. Stattdessen setzt die Regierung nicht nur Arbeitslose, sondern alle Löhne unter Druck.

Unternehmen nutzen das Arbeitslosengeld, um Gehälter zu sparen

Unternehmen schieben seit einiger Zeit schon ihre unternehmerische Verantwortung auf die Beschäftigten und Steuerzahlenden ab – so entledigen sie sich systematisch ihres wirtschaftlichen Risikos und maximieren ihre Profite. Wie das funktioniert? Ein Unternehmen kündigte seinen Angestellten, stellt ihn nach kurzer Zeit wieder ein – in der Zwischenzeit zahlen die Steuerzahler das Arbeitslosengeld für die (Ex-)Angestellten. Der Unternehmer zahlt dem Mitarbeiter im Gegenzug aber auch nicht mehr Lohn, obwohl er ihn nur befristet anstellt und bald wieder die Arbeitslosigkeit droht. Ein Teil der Lohnkosten wird also von öffentlichen Geldern übernommen – also von uns allen, die in die Arbeitslosenversicherung einzahlen.

Das sind aber nicht einzelne „schwarze Schafe“ unter den Unternehmen – und es sind auch nicht nur Saison-Betriebe, deren Personalbedarf tatsächlich stark schwankt. Dieses Schmarotzen bestimmter Arbeitgeber findet man in allen Branchen: Im  Dienstleistungsgewerbe, in den Bereichen „Verkehr und Lagerei“, „Kunst, Unterhaltung und Erholung“, „Grundstücks- und Wohnungswesen“, sowie „Wasser-, Abwasser- und Abfallentsorgung“. Im Jahr 2017 verursachten Unternehmen durch diese Personalpolitik 12,5 Prozent der Arbeitslosigkeit. Das kostet dem AMS jährlich rund 500 Millionen Euro.

Um das zu verhindern, haben andere Ländern Regeln eingeführt: Unternehmen, die ihre Mitarbeiter systematisch kündigen und wiedereinstellen und so Lohnkosten ans AMS auslagern, müssen höhere Beiträge in die Arbeitslosenversicherung einzahlen. Das hat schnell zu einem Rückgang bei der zahl der Erwerbslosen geführt.

Beschäftigte werden beim AMS oft nur zwischengeparkt. Das kostet das AMS jährlich 500 Mio. Euro.

Unsichere Arbeitsverhältnisse kosten uns alle 

Unsere Arbeitsverhältnisse werden immer unsicherer – und die Kosten dafür sind massiv. Das wird oft unterschätzt. Unser gesamtes Steuer- und Abgabesystem, sowie der Sozialstaat fußen auf dauerhaften, langjährigen und stabilen Arbeitsverhältnissen. Die Höhe der Gehälter bestimmt die Höhe der Sozialversicherungs- und Lohnsteuerbeiträge. Umso länger wir in einem Unternehmen arbeiten, desto höher wird unser Gehalt. Der Vergleich zeigt eindeutig:

  • Das mittlere Bruttojahreseinkommen von Beschäftigten, die bis zu drei Jahre durchgehend in einem Unternehmen arbeiten, beträgt in Österreich 38.756 Euro.
  • Das von Beschäftigen, die schon über 20 Jahre durchgehend beschäftigt sind, liegt bei 62.837 Euro.

Das ist mehr als 24.000 Euro Unterschied im Jahr. Doch kurzfristige und unsichere Jobs nehmen mehr und mehr zu: Befristete Dienstverhältnisse wie Leiharbeit sind seit 2012 stark angestiegen.

Rund ein Drittel aller Beschäftigten ist „atypisch“ beschäftigt, also ohne unbefristeten Vollzeit-Arbeitsvertrag. Dieses Drittel verdient um rund 25 Prozent schlechter als „normal“ Beschäftigte.

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, gibt es einfache Lösungen. So könnte man befristete Dienstverträge nur dann zulassen, wenn sie sachlich gerechtfertigt sind. Oder man könnte Leiharbeit eindämmen: Solche Arbeitsverhältnisse dürften maximal 10 Prozent der Gesamtbelegschaft ausmachen und fallweise Beschäftigung könnte überhaupt auf nur wenige Branchen beschränkt werden.

Kürzer Arbeiten: Wie wir Arbeit neu verteilen können

Alleine mit diesen Maßnahmenpaketen würde das AMS schon stark entlastet werden – und gleichzeitig zu besseren Arbeitsbedingungen für viele Beschäftigte führen. Würde man dazu nach über dreißig Jahren zum ersten Mal die gesetzliche Arbeitszeit reduzieren, könnte man die vorhandene Nachfrage nach Arbeitskräften sinnvoller und gerechter auf die Menschen verteilen. Auch im Jahr 2020 leisten Frauen den Großteil der unbezahlten Arbeit, während Männer sich von Überstunde zu Überstunde hanteln müssen. 250.000 Teilzeitbeschäftigte Frauen in Österreich würden gerne länger arbeiten, bekommen aber keine Möglichkeit dazu.  Und landen deswegen oft in der Altersarmut. Gleichzeitig gibt es in kaum einem EU Land so lange Arbeitszeiten mit so vielen Überstunden wie in Österreich.

Durch diese schlechte Verteilung der Erwerbsarbeit haben defakto alle Nachteile. Der Erwerbstätige, der gerne weniger als 40 Stunden arbeiten möchte; die Teilzeitkraft, die gezwungen ist weniger zu verdienen, weil sie keine volle Anstellung bekommt; der Arbeitslose, der keinen Job findet.

Und wir brauchen Einkommen, von denen es sich gut leben lässt – und nicht nur überleben lässt. Wer sich erwartet, dass ein Koch oder eine Hotelfachfrau die Familie und Freunde verlässt, um für die Arbeit in ein anderes Bundesland zu ziehen – der sollte zumindest dazu bereit sein, ihnen dafür ein gutes Gehalt zu zahlen. Etwa soviel wie es braucht, um sich das Essen im Restaurant, in dem er arbeitet oder ein Zimmer in dem Hotel auch selbst leisten zu können. Schließlich muss die Allgemeinheit ja auch konsumieren können, was sie erzeugt. Sonst arbeitet wir nur für Andere.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1647 Stimmen
    58% aller Stimmen 58%
    1647 Stimmen - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 436 Stimmen
    15% aller Stimmen 15%
    436 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 349 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    349 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 262 Stimmen
    9% aller Stimmen 9%
    262 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 134 Stimmen
    5% aller Stimmen 5%
    134 Stimmen - 5% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2828
12. März 2024
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