ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss

ÖVP-Umfrage-Korruption: Neuer Karmasin-Chat legt nahe, dass Kurz bestens informiert war

Die Meinungsforscherin Sabine Beinschab, die im Zentrum der Inseraten-Affäre rund um Sebastian Kurz steht, belastet in ihrer Aussage vor allem den Pressesprecher von Sebastian Kurz und die ehemalige ÖVP-Familienministerin Karmasin. Letztere wurde am 2. März 2022 festgenommen. Nun sind weitere Chats aufgetaucht. Karmasin und Beinschab koordinieren im Wahlkampfsommer 2017 Umfragen. Eine Aussage von Karmasin legt nahe, dass Kurz bestens informiert war. Es gilt für alle die Unschuldsvermutung.

Worum es geht: Mit Hilfe von Intrigen, Fake-Umfragen und gekaufter Berichterstattung hat Sebastian Kurz zuerst die Macht in der ÖVP und dann im Staat Österreich erlangt. Erst skandalöse Chats und Hausdurchsuchungen im BKA, im Finanzamt und in der ÖVP-Zentrale stoppten das System Kurz.

Einer der Ermittlungsstränge der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft beschäftigt sich mit den gefälschten Umfragen. Mit frisierten Umfragen in Zeitungen wollte man die Situation der ÖVP schlechter darstellen, als sie ist und Mitterlehner als Schuldigen darstellen. Und Sebastian Kurz als besseren ÖVP-Obmann inszenieren. Die damalige Familienministerin Sophie Karmasin betrieb mit ihrem Gallup-Institut jahrelang die Politikforschung für die Zeitung „Österreich“. Bis 2015 arbeitet Sabine Beinschab bei ihr im Meinungsforschungsinstitut, bis sich Beinschab mit dem Unternehmen „Research Affairs“ selbstständig macht. Den Kontakt zu ihrer ehemaligen Mitarbeiterin dürfte Karmasin noch gehabt haben und die Abwicklung der gewünschten Umfragen über sie sowie Beinschabs Unternehmen gelaufen sein. Mit Steuergeld aus dem Finanzministerium sollen die meist gefälschten Umfragen bei der Zeitung „Österreich“ dann bestellt und bezahlt worden sein. Die Vorgehensweise kennen wir heute als „Beinschab-Österreich-Tool“.

Das Beinschab-Geständnis

Die in der Inseraten-Korruptionsaffäre rund um die ÖVP und Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz vorübergehend festgenommene Meinungsforscherin Sabine Beinschab hat in ihren Einvernahmen viel gestanden. So gibt sie zu, dass sie das Finanzministerium unter ÖVP-Ministern für Aufträge bezahlt habe, die eigentlich Sebastian Kurz und der ÖVP nützten. Über offizielle Studienaufträge aus dem Finanzministerium, etwa mit dem Titel „Wirtschafts- und Budgetpolitik“, wurden auch „parteipolitische Umfragen bei mir in Auftrag gegeben“, wie Beinschab sagt.

Beauftragt wurde sie vor allem von Ex-Kurz-Sprecher Johannes Frischmann sowie von Thomas Schmid, damals hoher Beamter im Finanzministerium – fast immer telefonisch oder per Chat. Beide zählen zum engsten Kreis um Sebastian Kurz. Die Ergebnisse der bestellten Umfragen habe sie „in der Regel an Frischmann“ übermittelt. Nach den Anweisungen des Sprechers von Sebastian Kurz seien die Umfragen dann an „Österreich“-Herausgeber Fellner weitergeleitet worden. Bei den Umfragen seien nicht selten Zusatzfragen, vor allem von Frischmann, in letzter Sekunde nachgereicht worden, und bei der Schwankungsbreite des Ergebnisses sei getrickst worden. Wichtig sei auch gewesen, dass die politische Konkurrenz schlecht abschneide, die Studien waren zum Teil frisiert.

„mit Sebastian besprochen“

Ex-Kanzler Sebastian Kurz taucht in Chats zwischen der ehemaligen Familienministerin Karmasin (ÖVP) und der Meinungsforscherin auf. Es geht um Umfragen aus dem Wahlkampfsommer 2017. „(…) mit Sebastian besprochen“, schreibt Karmasin. Wie der Dossier-Journalist Ashwien Sankholkar schreibt, beziehen sich die neuen Chats auf eine Onlinebefragung von Mai bis Juni 2017 zur „SPÖ und Koalitionen der SPÖ“. „Die Umfrage kostete 7.200 Euro und soll als Teil der Studie „Wirtschaft- und Budgetpolitik“ (Gesamtsumme: 155.940 Euro) abgerechnet worden sein„, so Sankholkar.

20% Vermittlungsprovision für Karmasin

Ex-Ministerin Sophie Karmasin (ÖVP) habe bei den an sie vermittelten Aufträgen für das BMF „mitgeschnitten“, die damalige Familienministerin nahm eine „Vermittlungsprovision“ von 20 Prozent des Umsatzes. Laut Beinschab soll Karmasin sogar in ihrer Zeit als Ministerin an den Aufträgen verdient haben, das Geld sei an die Firma von Karmasins Mann geflossen. Als sie später wieder selbst als Marktforscherin tätig war, habe sie die 20 Prozent „großteils“ durch ihre Mitarbeit an Studien abgearbeitet.

Ob es im Chat zwischen Kurz und Schmid um die Beteiligung Karmasins an der Umfrage-Korruption geht oder um ihren möglichen Rücktritt, ist unklar.

Sophie Karmasin festgenommen und in Untersuchungshaft

Die einstige ÖVP-Familienministerin Karmasin wurde 2. März 2022 festgenommen – wegen „Tatbegehungs- und Verdunkelungsgefahr“. Ihre Rolle in der Inseraten-Affäre dürfte größer sein als zuvor angenommen. „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk veröffentlichte am Donnerstagnachmittag die Festnahme-Anordnung der Staatsanwaltschaft. In dieser wird  Karmasin als „Urheberin und maßgebliche Ideengeberin sowohl hinsichtlich der ‚Entwicklung‘ des Beinschab-Österreich-Tools“ wie auch zu „neu hervorgekommenen Preisabsprachen“ bezeichnet.

Umfrage-Korruption ging offenbar bis in den August 2021

Das System habe es nicht nur bis zum Aufstieg von Sebastian Kurz zum Bundeskanzler gegeben, sondern bis in den August 2021. Beinschab erklärt, wie jahrelang Steuergeld aus dem Finanzministerium geflossen sein soll, um über Umfragen Stimmung für Kurz zu machen. Insgesamt sind Honorare im Wert von 1,2 Millionen Euro aus dem Finanzministerium geflossen. Erst im Vorjahr habe ihr der Kurz-Sprecher Frischmann angeboten, dass sie von ihm in Auftrag gegebene Umfragen wieder als „offizielle Studienaufträge des Finanzministeriums abrechnen kann“, sagte Beinschab.

Kurz sieht sich entlastet, weil Beinschab in der Befragung angibt, mit Kurz persönlich nie in Kontakt gewesen zu sein. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sieht das anders: Das ganze System, so vermuten die Ermittler:innen, hatte einen Hauptprofiteur: Sebastian Kurz. Dass all das hinter seinem Rücken ausgemacht worden sei, halten sie für nicht plausibel. Chats vom Handy von Thomas Schmid weisen außerdem darauf hin, dass Kurz persönlich vom System der Beinschab-Umfragen wusste.

Laut Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft war Sebastian Kurz Hauptprofiteur vom System der Beinschab-Umfragen.

Sabine Beinschab hofft auf den Kronzeugin-Status. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

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12. März 2024
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Hannah Lutz und Christina Müller

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