In Oberösterreich kam es in mehreren fleischverarbeitenden Betrieben zu Corona-Ausbrüchen. Doch die Landesregierung lässt die Betriebe geöffnet. Dabei haben wir aus Deutschland gelernt: Corona kann sich gerade in der Fleischindustrie schnell ausbreiten. Schließlich wird eng an eng gearbeitet – und teilweise auch gewohnt.
In Österreich steigen die Corona-Fall-Zahlen wieder deutlich. Erstmals seit 19. Mai gibt es wieder mehr als 1.000 aktive Fälle. Von 4. auf 5. Juli infizierten sich 123 Personen. Die meisten davon – nämlich 67 – in Oberösterreich. In keinem anderen Bundesland verbreitet sich das Virus derzeit so schnell. Oberösterreich ist zum Corona-Sorgenkind geworden. Zuerst entstand ein Cluster in einer Freikirche, jetzt sind in mehreren fleischverarbeitenden Betrieben Fälle aufgetaucht. Insgesamt stehen 25 Corona-Infektionen im Zusammenhang mit Betrieben aus den Bezirken Ried, Wels-Land, Braunau und Linz.
Quelle: Erich Neuwirth, Twitter
Nach der Entdeckung des Freikirchen-Clusters hat die Landesregierung reagiert und zumindest nach einer Woche alle Schulen in den betroffenen fünf Bezirken, inklusive Linz, geschlossen. Eine Maßnahme, die auch kritisiert wurde. Schließlich wurden in den meisten Bezirken mehr Schulen geschlossen, als es überhaupt registrierte Fälle gibt. Wohl ein Grund, warum sich die schwarz-blaue Landesregierung trotzdem für dieses Vorgehen entschied: Für sie ist es die einfachste Maßnahme. Die Zusatzbelastung tragen die Eltern, für das Land entstehen keine Kosten. Jetzt wo es um die Fälle in der Fleischindustrie geht, wird deutlich zaghafter vorgegangen. Die Betriebe bleiben geöffnet.
Und das obwohl wir aus Deutschland wissen, dass sich das Virus in den Fleisch verarbeitenden Betrieben besonders schnell ausbreiten kann. Das liegt daran, dass in dieser Branche bei maximal 12 Grad gearbeitet werden muss. Aufgrund der Kälte sind die Atemwege bereits gereizt und anfällig für das Virus. Außerdem wird dort eng nebeneinander gearbeitet. Aber auch prekäre Arbeitsverhältnisse spielen eine Rolle. Branchenvertreter sind bemüht, zu betonen, dass die Arbeitsbedingungen in österreichischen Betrieben nicht vergleichbar sind mit jenen in Deutschland. Doch die Gewerkschaft berichtet von zunehmender Leiharbeit und beengten Unterkünften für ausländische Arbeitskräfte.
„In der letzten Zeit hat die Arbeit durch Leiharbeiter vermehrt zugenommen. Bei uns in der Branche gibt es Unternehmen, wo bis zu 90 Prozent Leiharbeiter unterwegs sind,“ so Erwin Kinslechner von der Gewerkschaft PRO-GE im Ö1 Mittagsjournal.
Außerdem müssen ausländische Arbeitskräfte, die in der Fleischindustrie arbeiten, in sehr beengten Unterkünften schlafen. Kinslechner berichtet von einem Fall in der Steiermark – dort teilten sich 6 Personen eine 15 Quadratmeter Wohnung. In der Wohnung befanden sich nur Matratzen und pro Matratze wurden auch noch 100 Euro verlangt. In derartigen Wohnverhältnissen kann sich das Virus besonders gut ausbreiten.
Obwohl die Arbeits- und Wohnbedingungen die Fleischindustrie zu einem gefährlichen Ausbreitungsherd machen, verordnen Landeshauptmann Thomas Stelzer und seine schwarz-blaue Regierung keine Schließung der Betriebe. Generell machte die Landesregierung während der Krise keine gute Figur. So ist Stelzer mit einem großen Skandal bei der Beschaffung von medizinischer Schutzausrüstung, bei dem ein ÖVP-Berater einen 4,5 Millionen Euro Auftrag erhalten hat und sehr teuer an das Land verkaufte, konfrontiert. Außerdem hinkt Oberösterreich bei den Corona-Tests hinten nach.
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