Coronavirus

Falsche Tests und seltsame Ausschreibung: Die Regierung versagt bei Schultests

Die PCR-Schultests außerhalb von Wien funktionieren nicht. Die von der Regierung beauftrage Laborgemeinschaft ist überfordert. Den Schulen werden falsche Ergebnisse geliefert. Die Wartezeiten sind teilweise viel zu lange und Schüler:innen sitzen mit falsch-negativen Tests in der Klasse. Gleichzeitig kann Wien täglich mehr PCR-Tests durchführen und auswerten als ganz Deutschland. Auch der Rest des Landes hätte von diesem System profitieren können – doch der Bund entschied anders. Sucht man nach den Gründen, stößt man auf seltsame Ausschreibungen und ÖVP-Parteigänger. Eine Spurensuche.

Dienstag 11. Jänner. 250 Schüler:innen der Neuen Mittelschule in Obergrafendorf führen einen Schul-PCR-Test durch. Am nächsten Tag werden die Ergebnisse übermittelt: Die zuständige ARGE molekulare Diagnostik wertete lediglich 19 Proben aus. Anstelle der 231 fehlenden Corona-Tests bekam die Schule die Ergebnisse der HAK Bad Ischl zugesendet. Das ist kein Einzelfall. Tests kommen häufig zu spät oder gar nicht. Die Datenlage deutet außerdem darauf hin, dass viele Tests falsch negativ sind. Fest steht, die Ankündigung des Bildungsministers Martin Polaschek (ÖVP), nach den Weihnachtsferien mit zwei PCR-Tests in der Woche für einen sicheren Schulstart zu sorgen, ist gescheitert. Das Test-System in 8 von 9 Bundesländern funktioniert nicht. Nur in Wien, wo bewusst nicht auf das bundesweite System gesetzt wird, bekommen die Schüler:innen verlässliche ihre Ergebnisse. Schulen können dort freiwillig drei PCR Tests in einer Woche durchführen.

Wien kann mehr testen als ganz Deutschland

Dass das in der Bundeshauptstadt so gut funktioniert, wundert nicht. Wien hat wohl ohne Übertreibung eines der besten PCR-Testsysteme der Welt. Die Test-Kapazitäten sind höher als in der gesamten Bundesrepublik Deutschland. Bis zu 800.000 Tests können jeden Tag in den Laboren von Lifebrain analysiert werden. Die Kapazitäten wurden während der Pandemie sukzessive ausgebaut. Die Frage drängt sich auf, warum das System nicht in allen Bundesländern umgesetzt wird.

Tatsächlich nahm das Wiener Labor Lifebrain auch an der bundesweiten Ausschreibung für die Schultests teil. Den Zuschlag bekamen aber die beiden Unternehmen Novogenia und Covid Fighters. Zumindest bei den Covid Fighters gibt es enge Kontakte zur ÖVP:

So war ÖVP-Landtagsabgeordneter Anton Erber bis April Miteigentümer der COVID Fighters. Geschäftsführer Boris Fahrnberger kommt wie Karl Nehammer oder Johanna Mikl Leitner aus dem niederösterreichischen ÖAAB.

Langjährige Erfahrung in der Labordiagnostik kann das Unternehmen hingegen nicht bieten: Wie der Name schon sagt, wurden die Covid Fighters erst zu Beginn der Pandemie gegründet.

Zugeschnittene Ausschreibung: Jetzt muss Republik 500.000 Euro Strafe zahlen

Lifebrain legte Beschwerde gegen die Entscheidung ein. Der Ausschreibungstext sei auf die Covid Fighters und vor allem Novogenia zugeschnitten worden, so der Verdacht. Liest man die Ausschreibung, fallen tatsächlich die besonders spezifischen Kriterien des Bundes auf. So werden etwa ausgerechnet jene Schriftgröße und Schriftart als Muss-Kriterien definiert, die auch die Novogenia GmbH verwendet. Außerdem wird festgelegt, dass die Tests aus maximal zwei Komponenten bestehen dürfen – die Tests von Life-Brain enthalten anders als die Tests von Novogenia und Covid Fighters zusätzlich einen Strohhalm und damit drei Komponenten. Schon am 24. August 2021 ließ sich Bundesminister Heinz Faßmann in der Zeit im Bild 2 mit den Testskits für die Schulen von Novogenia ablichten – obwohl die Ausschreibung noch bis 6. September lief.

Letztlich zog Lifebrain die Beschwerde zurück, weil die Bundesbeschaffungs GmbH selbst einlenkte und die Ausschreibung widerrief. Diesmal bekam die Bietergemeinschaft „Arge molekulare Diagnostik“ den Zuschlag. Teil davon sind die Privatklinik „Tauernklinikum“ in Zell am See, die Thalgauer Firma Procomcure sowie ein Wiener und Grazer Labor.

Parallel zu dieser Beschwerde leitete Lifebrain jedoch auch ein Feststellungsverfahren beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein. Dieses sollte generell prüfen, ob die Ausschreibung zugeschnitten und damit rechtswidrig war. Das Wissenschaftsministerium wurde aufgrund der gesetzwidrigen Vergabe zu einer Strafe von 500.000 Euro verurteilt. Denn, so das BVwG, es wurde nicht nach dem Billigst- bzw. Bestbieterprinzip vorgegangen.

Bund wollte, dass auch Wien den Anbieter wechselt

Die Bietergemeinschaft war fortan für die Durchführung der „alles spült“ Aktion an den Schulen zuständig. Die Bundesregierung hätte auch gern sämtliche Wiener Schulen im bundesweiten System gehabt. Doch Wien tat das Gegenteil. Noch vor Ende der Weihnachtsferien überführte die Stadt die Volksschulen, die zuvor noch im bundesweiten Modell integriert waren, in das „alles gurgelt“ System von Lifebrain und der Stadt Wien. Eine gute Entscheidung wie sich heute herausstellt. Denn schon nach kurzer Zeit zeigt sich: Die ARGE hatte sich überhoben. Die Tests an den Schulen funktionieren nicht. Nicht nur, dass Ergebnisse nicht rechtzeitig oder gar nicht kommen und Direktoren fälschlicherweise die Ergebnisse fremder Schulen zugeschickt bekommen (die Arge molekulare Diagnostik begründet das mit EDV-Problemen) – die Ergebnisse sind auch einfach falsch. Die Daten zeigen: Zu selten fallen Tests positiv aus.

Lifebrain kann in Wien bis zu 800.000 Tests täglich durchführen. (c) Lifebrain

Mangelnde Testqualität: Salzburger Kinder 100-mal seltener corona-positiv als Wiener

Von 39.543 Tests, die am 18. Jänner an Salzburgs Schulen durchgeführt wurden, waren lediglich 3 Tests positiv. Die Positivitätsrate ist mit 0,008 Prozent 30-mal kleiner als jene der Salzburger Restbevölkerung. Im Schnitt wären Salzburger Schulkinder damit auch über 100-mal seltener Corona-Positiv als Wiens Schüler:innen.

„Nachdem Schulkinder am Land genetisch nicht anders zusammengesetzt sind als Schulkinder in der Stadt, lässt sich diese Diskrepanz zwischen allgemeiner Positivitätsrate und jener in den Schulen in den anderen acht Bundesländern nur über die unterschiedlichen Testsysteme erklären“, so ein Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker.

Das bedeutet die Tests der ARGE molekulare Diagnostik erkennen nicht zuverlässig Infektionen und eigentlich corona-positive Kinder sitzen in der Klasse. Ein Grund dafür könnten Einsparungen im PCR-Testprozess sein. Eine niedrige Virenlast, wie sie zu Beginn einer Infektion vorkommt, kann erst nach mehreren Vermehrungszyklen festgestellt werden.

Regierungsanfrage „hoch unprofessionell“

Mittlerweile zog der Bund die Notbremse und sieht sich nach Alternativen um. Unter anderem wurde auch bei Lifebrain Labor angefragt, ob sie Schultests übernehmen können. Ein Sprecher bezeichnet die kurzfristige Anfrage gegenüber dem Standard als „hoch unprofessionell“. Um die Logistik für die zusätzlichen hunderttausenden Schultests pro Woche abseits von Wien aufzustellen, bräuchte die Firma zehn Wochen. Abseits von der Ausschreibung für die bundesweiten Schultests, bei der Lifebrain eine Absage bekam, hatte das Labor schon im April des Vorjahres dem Bund und einigen Bundesländern angeboten, in das Test-System einzusteigen. Das Unternehmen mietete für diesen Zweck sogar zwei Grundstücke in Linz und Graz an „Damals hat es aber keine politische Bereitschaft dazu gegeben“, sagt ein Lifebrain-Sprecher.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 59%, 1469 Stimmen
    59% aller Stimmen 59%
    1469 Stimmen - 59% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 378 Stimmen
    15% aller Stimmen 15%
    378 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 307 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    307 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 215 Stimmen
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    215 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 4%, 109 Stimmen
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    109 Stimmen - 4% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2478
12. März 2024
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Patricia Huber und Marco Pühringer

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