Verteilungsgerechtigkeit

Die 5 Prozent: Wer von der Globalisierung wirklich profitiert

Das Smartphone, dessen wichtige Rohstoffe wie Coltan in konfliktgebeutelten Regionen Afrikas abgebaut werden, wird in chinesischen Fabriken zusammengebaut; die Baumwolle für unser neuestes T-Shirt und das Leder für unsere Schuhe kommen aus Indien und Pakistan und werden in Bangladesch verarbeitet. Unmenschliche Arbeitsbedingungen bis hin zu Zwangs- und Kinderarbeit und katastrophale Auswirkungen auf die Umwelt sind dabei keine bedauernswerten Einzelfälle, sondern Teil des Geschäftsmodells. Aber wer profitiert davon?

Wer profitiert

In erster Linie die multinationalen Unternehmen und deren Aktionäre, die auf der Suche nach immer billigeren Produktionsbedingungen und höheren Gewinnen den Standortwettbewerb zwischen den Ländern weiter anheizen. Wie Branko Milanovic, ehemaliger Chef-Ökonom der Weltbank, zeigt, konnten sich die reichsten 5% der Weltbevölkerung in den 20 Jahren vor der Wirtschaftskrise 2008 mehr als die Hälfte der gesamten Einkommenszuwächse sichern. Man stelle sich Geburtstagsfest mit 20 Kindern vor, bei dem ein einziges Kind den halben Kuchen verspeist.

Und wer zahlt drauf?

Nicht profitiert haben (untere) westliche Mittelschichten und die Ärmsten 10%, die vor allem in Afrika leben. Deren Realeinkommen sind kaum gewachsen. Zusammengefasst kommt Milanovic in seinen Untersuchungen zum Schluss, dass neben neu entstehenden Mittelschichten in asiatischen Schwellenländern (China, Indien, Thailand) vor allem jene Nutznießer der Globalisierung sind, die vorher ohnehin schon reich waren – allen voran das oberste 1%. Aber warum ist das so?

 

Warum die Globalisierung Ungleichheit befördert

Ein Zauberwort heißt Hyperglobalisierung (Lesetipp: Dani Rodrik -The Globalization Paradox: Democracy and the Future of the World Economy). Heute ist die Weltwirtschaft globalisierter als je zuvor in der Geschichte der Menschheit. In den letzten Jahrzehnten hat sich diese Entwicklung rasant beschleunigt. Nach dem Fall des Bretton-Woods-Systems – einem Regelwerk, das die Weltwirtschaft nach den Schrecken des 2. Weltkriegs in geordnete Bahnen lenken sollte – fanden tiefgreifende Liberalisierungen und Deregulierungen statt.

Eine neue Qualität nahm die Globalisierung rund um das Jahr 1990 an: immer stärker haben der internationale Handel und das Finanzwesen bestimmt, wie „richtige“ Wirtschaftspolitik in den Ländern dieser Welt auszusehen hat. Die so genannte „Wettbewerbsfähigkeit“ ist zum heiligen Gral geworden, erreicht wurde sie idealerweise  durch niedrige Unternehmensbesteuerung, Ausgabenkürzungen (Austerität) und die Schwächung der Gewerkschaften.

Konzerne haben lästige nationale Regeln beseitigt

Multinationale Unternehmen haben sich mit wirtschaftlicher und politischer Macht dafür eingesetzt, dass lästige nationale Regeln wie Kapitalverkehrskontrollen abgeschafft wurden – und genehmere Regelungen in internationalen Handelsabkommen festgeschrieben wurden. Mit Erfolg. Nationale Regierungen hatten und haben immer weniger Gestaltungsspielraum, die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften geht weltweit zurück, der Sozial- und Wohlfahrtstaat kommt immer mehr unter Druck.

Der Effekt: die Löhne stagnieren (Rückgang der Lohnquote, also der Anteil der Löhne am Volkseinkommen) während Unternehmensgewinne wachsen. Dem nicht genug, nutzen viele Unternehmen die neu gewonnene Kapitalfreiheit und verschieben ihre Gewinne so lange zwischen Niedrigsteuerländern und Steuerfluchtzentren, bis sie kaum mehr Steuern zahlen. Der Wohlstand, der von vielen hart erarbeitet wurde, kommt so nur wenigen zugute.

Es geht auch gerecht

Kommen wir zur Geburtstagsfeier zurück: was müssen wir tun, damit die restlichen 19 Kinder auch ihr gerechtes Stück vom Kuchen bekommen? Wir müssen die Spielregeln ändern.

Hier drei konkrete Vorschläge:

  • Unternehmen müssen Verantwortung übernehmen:  Der unfaire Wettbewerb zulasten der ArbeitnehmerInnen und der Umwelt muss ein Ende haben. Unternehmen müssen die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen. Ähnlich wie in Frankreich (und wie in Deutschland und der Schweiz geplant) sollen Unternehmen verpflichtet werden, die Einhaltung von Mindeststandards (faire Löhne, Umweltschutz) und der Menschenrechte (z.B. Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit) bei ihren Zulieferfirmen sicher zu stellen und nachweisen zu können.
  • Beenden wir die Steuervermeidung: Steuerflucht und –vermeidung sind Diebstahl an ehrlichen SteuerzahlerInnen. Alle müssen ihren fairen Beitrag leisten. Die Vereinten Nationen schätzen, dass Entwicklungsländern jährlich 85 Mrd. Euro durch unsaubere Steuermoral von transnationalen Unternehmen entgehen. Der EU und ihren Mitgliedsstaaten entgehen sogar 1000 Mrd. Euro! Unfaire Steuerpolitiken wie in Irland sind kein „Erfolgsmodell“, sondern zielen darauf ab, Unternehmen beim Steuervermeiden zu unterstützen und anderen Ländern zu schaden.

  • Lohn- und Sozialdumping, nein danke: Globalisierung passiert nicht nur im fernen Asien, sondern auch vor unserer Haustür und in unserer Nachbarschaft. Manche Unternehmen nutzen das System der Freizügigkeit in der EU aus, um gerechte Löhne und Sozialabgaben zu umgehen und so ihre Gewinne zu maximieren. Bei der so genannten Entsenderichtlinie muss der Grundsatz gelten „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“

Natürlich ließe sich diese Liste noch lange fortführen. Doch diese drei Vorschläge zeigen: Lösungen sind konkret möglich und wir können es selbst in die Hand nehmen, wie wir Globalisierung in Zukunft gestalten und für alle zum Positiven verändern können.

Wir müssen die Interessen der 95 % konsequent in den Mittelpunkt stellen und für sie eintreten, Regeln für globale Märkte definieren und den Welthandel zivilisieren sowie demokratische Handlungsspielräume zurückgewinnen. Damit jede und jeder das Stück vom Kuchen bekommt, dass ihr und ihm zusteht.

 

Sebastian Schublach arbeitet am Karl-Renner-Institut zu Globalisierung, Internationaler Politik und Entwicklungszusammenarbeit. 

www.renner-institut.at

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 59%, 1469 Stimmen
    59% aller Stimmen 59%
    1469 Stimmen - 59% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 378 Stimmen
    15% aller Stimmen 15%
    378 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 307 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    307 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 215 Stimmen
    9% aller Stimmen 9%
    215 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 4%, 109 Stimmen
    4% aller Stimmen 4%
    109 Stimmen - 4% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2478
12. März 2024
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Sebastian Schublach

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