Bei Wirtschaftsthemen geht es öfter um einen Glaubenskrieg verschiedener Weltanschauungen als um den ehrlichen Austausch von Fakten und Argumenten. Gerade auch bei der Erbschaftssteuer wird in Österreich mit Scheinargumenten um sich geworfen. Wir haben uns für euch die gängigsten Behauptungen gegen eine Erbschaftssteuer angesehen und überprüft, ob an ihnen überhaupt etwas dran ist.
„Das trifft in Wahrheit den Mittelstand, das trifft Wohnungs- und Hausbesitzer“, meinte Wirtschaftskammer-Präsident Leitl schon vor etlichen Jahren in Bezug auf die Erbschaftssteuer. Dieses Argument ist definitiv falsch.
Im Jahr 2021 besaßen in Österreich geschätzt rund 248.000 Erwachsene ein Vermögen zwischen 1 und 5 Millionen US-Dollar. Damit gehörten die meisten US-Dollar-Millionäre zu dieser Vermögensgruppe. Etwa 23.100 Personen besitzen noch mehr als fünf Millionen.
Wenn wir uns ansehen, was die „Häuslbauer“ in Österreich besitzen, sieht man, dass diese in der Regel weder von einer Millionärssteuer, noch deren Nachkommen von einer Erbschaftssteuer betroffen wären. Selbst in Tirol und Vorarlberg sind die Eigenheimimmobilien im Schnitt weit von der Millionengrenze entfernt.
Eine Handvoll Menschen bekommt in Österreich beinahe das gesamte vererbbare Vermögen, während alle anderen praktisch leer ausgehen. Als es in Österreich noch eine Erbschaftssteuer gab, sorgten die vier größten Erbschaften für rund 25 Prozent des Erbschaftssteueraufkommens. Hinzu kommt: Die erste Million ist steuerfrei. Wer also sogar das Glück hat, unter die Millionäre zu gehen, muss nicht alles versteuern, sondern nur jeden Euro ab 1000000 € + 1 €. Bei Betrachtung der Verteilung von Erbschaften und des daraus resultierenden Steueraufkommens wird unbestritten klar: Eine Erbschaftssteuer, die verschenkte Vermögen besteuert, wäre absolut treffsicher.
Falsch! Für die Person, die das Erbe erhält, ist es ein Einkommen ohne Leistung. Ihr wird nichts weggenommen, sondern sie bekommt so oder so zusätzliches etwas, das sie sonst nicht bekommen hätte.
„Wer ein Haus oder eine Immobilie erbt, kann sich sprichwörtlich ins gemachte Bett legen. Der Rest holt kaum mehr auf“, stellte hierzu Standard-Redakteur Andreas Sator fest.
Erben ist die Haupteinnahmequelle der Superreichen. Steuert man nicht gegen – zum Beispiel mit einer Erbschaftssteuer – konzentrieren sich Vermögen von Generation zu Generation in immer weniger Händen. Immer größere und konzentriertere Vermögen sind aber Gift für die Wirtschaft und die Gesellschaft insgesamt.
Es kommt darauf an, wer die Steuern zahlt und auch welche Leistungen dem gegenüberstehen. Eine niedrige Steuerquote kann für den Großteil der Bevölkerung beispielsweise keine Entlastung, sondern eine Katastrophe sein, wenn man stattdessen jede einzelne Leistung wie Schule, Kindergarten, Arzt oder Universität aus der eigenen Tasche bezahlen muss bzw. das gar nicht kann und auf der Strecke bleibt. Die gerechtesten Gesellschaften der Welt haben eine hohe Steuer- und Abgabenquote und dafür auch großzügigen Service für die BürgerInnen.
Außerdem geht es darum, wer die Steuern bezahlt. Die Abgabenquote, auf die sich Konservative und Libearle oft fixieren, sagt allein noch nichts aus. Es geht darum, wer welchen Beitrag zum Gemeinwohl leistet. Während in Österreich die Steuern auf Arbeit im internationalen Vergleich relativ hoch sind, sind die Steuern auf Vermögen bei uns extrem niedrig.
Bei der Erbschaftssteuer sind wir überhaupt fast der einzige industrialisierte Staat, der auf diese Steuer verzichtet. Frankreich, Deutschland, Italien, auch Großbritannien – dort gibt es eine Erbschaftssteuer. Mit mehr Einnahmen aus Vermögens- und Erbschaftssteuern wäre endlich Spielraum da, andere Steuern zu senken, die viel mehr Menschen betreffen. Oder die Pflege für einen Großteil der Bevölkerung zu finanzieren.
Eine Erbschaftssteuer kann also dazu führen, dass mehr Leute weniger Steuern bezahlen und ganz wenige Leute mehr.
Erbschaftssteuern sind sehr ergiebig, wie wir das aus vielen anderen Ländern wissen. So gibt es in Deutschland eine Erbschaftssteuer schon ab 500.000 Euro. Davon betroffen sind gerade einmal 1,5 Prozent aller Erben, trotzdem nimmt der Staat damit 6 Milliarden Euro ein.
Die SPÖ fordert, Erbschaften ab einer Million Euro besteuern. Der aktuelle Vorschlag sieht daher einen Freibetrag von 1 Million Euro vor. Wer über diesen Freibetrag erbt, zahlt für jeden Euro darüber 25 Prozent, ab 5 Millionen 30 Prozent, ab 10 Millionen 35 Prozent. Mit einer progressiven Erbschaftssteuer könnte man mindestens 1 Milliarde Euro pro Jahr zusätzlich einnehmen – Geld, das wir für das Gesundheitssystem oder das Bildungssystem dringend brauchen. Betroffen wäre davon nur das reichste Prozent der Bevölkerung.
Millionär:innen müssten einen Beitrag zahlen, der für sie fast unmerklich ist, während für viele Menschen Verbesserungen spürbar wären, beispielsweise indem man die Einnahmen für den Ausbau der Pflege verwenden würde.
In den kommenden 30 Jahren werden 700 Milliarden Euro vererbt. Der größte Teil dieser Erbschaften geht wieder an Superreiche.
Dieses Argument ist weit verbreitet, jedoch trügerisch: Worum es bei der Erbschaftssteuer geht, sind große Vermögenssummen. Vermögen wird in Österreich kaum besteuert, folglich geht diese Behauptung ins Leere. Einkommen aus Arbeit hingegen wird besteuert – und das tatsächlich mehrmals. Einfaches Beispiel: Man bekommt seinen Lohn, von dem bereits Steuern bezahlt wurden, und geht damit in den Supermarkt. Dort bezahlt man mit dem bereits versteuerten Lohn eine Mehrwertsteuer auf jedes einzelne Produkt, das davor im Herstellungsprozess wiederum schon öfter besteuert wurde.
Es sind vor allem die arbeitenden Menschen, die über ihre Löhne und ihren Konsum das Sozialsystem erhalten, während leistungsloses Einkommen wie Erbschaften steuerfrei bleiben. Und: Aus Sicht der Empfängerin oder des Empfängers des Erbes wird dieses zusätzliche Einkommen nicht „noch einmal“ besteuert, sondern sogar das erste Mal überhaupt.
Eine Handvoll Menschen bekommt in Österreich beinahe das gesamte vererbbare Verm———–ö–gen, während alle anderen praktisch leer ausgehen. Von der Erbschaftssteuer ist nur eine ganz kleine reiche Minderheit betroffen.
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