Europa

Register der Firmen-Eigentümer geschlossen: „Ein Geschenk an Steuersünder und Oligarchen“

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass das Wirtschaftliche Eigentümer Register (Wiereg) nicht mehr öffentlich zugänglich sein darf. Damit werden öffentliche Recherchen zu Geldwäsche, Steuerbetrug und auch zur Umgehung von Sanktionen gegen russische Oligarchen massiv erschwert. Österreich hat das nationale Register sofort offline genommen – und stand auch bei der Entstehung bereits auf der Bremse. 

“Das Geschenk des EuGH an Oligarchen unter Sanktionen”, titelt die Financial Times vergangene Woche. Denn wer Interesse daran hat, seine Besitzverhältnisse zu verschleiern, hat es künftig ein Stück weit leichter innerhalb der EU. Grund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg. Der hat entschieden, dass das Wirtschaftliche Eigentümer Register (Wiereg) nicht mehr öffentlich zugänglich sein darf. Das heißt: Wer die wahren Eigentümer hinter verschachtelten Firmenkonstrukten sind, das darf in Zukunft nicht mehr jeder und jede erfahren. Nach dem Urteil nahmen Luxemburg, die Niederlande, Belgien und auch Österreich sofort ihre öffentliche Registereinsicht offline, die es der Öffentlichkeit noch Stunden zuvor ermöglicht hatten, die Eigentümer von in diesen Ländern registrierten Unternehmen zu identifizieren.

Das Register war relativ neu: Bis 2018 gab es in der EU keine Verpflichtung offenzulegen, welche Personen hinter einem Unternehmen stehen. Erst nach der Veröffentlichung der Panama Papers, in denen mehr als 200.000 Offshore-Firmen und ihre Eigentümer aufgedeckt wurden, hat sich die Europäische Kommission für öffentliche Eigentümerregister eingesetzt. Damals stand Österreichs Finanzminister Schelling (ÖVP) auf der Bremse – gemeinsam mit Luxemburg, Großbritannien und Malta. Das Finanzministerium erklärte damals, dass man die erweiterten Offenlegungspflichten sehr kritisch sehe.

Die Offenlegungspflicht kam dennoch. Mit der 5. Geldwäscherichtlinie der EU wurde beschlossen, dass ein Unternehmen zwar immer noch im Besitz einer Kette anonymer Offshore-Firmen auf Steuer-Inseln sein kann, dass aber jeder/r in der EU das Recht hat herauszufinden, welche tatsächliche Person hinter Firmenkonstrukten steht. Die EU-Kommission erklärte damals:

„Der öffentliche Zugang zu Informationen über wirtschaftliches Eigentum ermöglicht eine genauere Prüfung der Informationen durch die Zivilgesellschaft, einschließlich der Presse oder zivilgesellschaftlicher Organisationen“.

Und eben dieser öffentliche Zugang wurde am 22. November vom EuGH gekippt. Das heißt: Die Information, wer wirklich Eigentümer eines europäischen Unternehmens ist, steht nicht mehr jedem offen. Um Zugriff zu bekommen, muss ein „berechtigtes Interesse“ bestehen, ist also etwa ermittelnden Behörden vorbehalten.

„Der größte Schlag gegen die Bekämpfung von Verbrechen und Korruption“

Eine „schockierend dumme und schädliche Entscheidung“ nennt das die russische Journalistin und Leiterin der Ermittlungseinheit der Anti-Korruptions-Stiftung  Maria Pevchikh auf Twitter

„Dies ist der größte Schlag gegen die Bekämpfung von Verbrechen und Korruption. Er steht im Widerspruch zu allem, was wir aus den Panama Papers, den Pandora Papers usw. gelernt haben. Damit werden mindestens 10 Jahre Arbeit von Korruptionsbekämpfern zunichte gemacht.”

Schließlich wurden zahlreiche Fälle von Geldwäsche und Steuerbetrug zunächst von Journalist:innen und Aktivitist:innen aufgedeckt – und nicht von Behörden. Ähnlich sieht das Graham Barrow, Transparenz-Aktivist und Gründer des Podcasts „Dark Money Files“. Denn Behörden alleine sind nicht dazu in der Lage, diese Register zu durchforsten. „Die Grundlage für eine Untersuchung kam oft von Journalist:innen und aus der Zivilgesellschaft, Behörden sammeln oft nur Beweise für eine bereits laufende Untersuchung.“

Die meisten Ermittlungsbehörden gegen Wirtschafts- und Finanzkriminalität sind tatsächlich so mager ausgestattet, dass offizielle Untersuchungen meist erst nach den Enthüllungen von Journalist:innen oder Aktivist:innen durchgeführt werden, schreibt auch die Financial Times.

In Österreich bewertet das Magazin Dossier das Ende der öffentlichen Einsicht als „einen massiven Eingriff in jede Recherchearbeit, insbesondere aber in jene des (investigativen) Journalismus.“ Investigative Journalist:innen verwenden öffentliche Datenbanken wie das Eigentümerregister „nicht aus Jux und Tollerei, sondern für Recherchen im öffentlichen Interesse. Die Skandale der jüngeren Vergangenheit, beispielsweise die Panama Papers, haben gezeigt, dass gerade bei Eigentumsverhältnissen mehr Transparenz geboten ist.“

Kläger bekannt aus den Pandora Papers

Der Kläger Patrick Hansen bewirkte den Ende der öffentlichen Eigentümerregister. Seine Briefkastenfirmen tauchen in den Pandora Papers auf. (c) YouTube

Das Urteil des EuGH geht auf eine Klage aus Luxemburg zurück. Unter den Hauptklägern ist eine Person, die nur die Initialen W.M. von sich Preis gab. Die Person wurde später von luxemburgischen Medien als Patrick Hansen identifiziert, Geschäftsführer des Privatjet-Unternehmens Luxaviation. Hansen argumentierte, dass die öffentlich zugänglichen Daten ihn der Gefahr von „Betrug, Entführung, Erpressung, Gewalt oder Einschüchterung“ aussetzen würde und  Rechte zum Schutz der personenbezogenen Daten (Art. 7 und 8 Charta der Grundrechte der EU) verletze.

Hansen hält Firmen in Steuerparadiesen, wie das Internationale Konsortium investigativer Journalisten schreibt: Seine Offshore-Firmen tauchen in den Pandora Papers auf, dort findet man eine Holdinggesellschaft auf den Britischen Jungferninseln mit Aktivitäten in Luxemburg, Zypern und Russland. Hansen war außerdem Miteigentümer eines Unternehmens, das in der zentralamerikanischen Steueroase Belize registriert ist. Die Journalistin Pevchikh schrieb über ihn:

„Diese Person besitzt 35 Handelsunternehmen und eine Immobilieninvestmentgesellschaft und behauptet, dass er und seine Familie entführt, belästigt und mit Gewalt bedroht würden, wenn jemand dies herausfände. (Alter, was für eine Art von Geschäft betreiben Sie?!?)“

Nachdem Österreich als eines der ersten Länder in der EU das Register sofort geschlossen hat, heißt es aus dem Finanzministerium auf Anfrage, dass aktuell geprüft werde, „ob auf Basis der derzeitigen rechtlichen Grundlage in Zusammenschau mit dem Urteil des EuGH eine Einsicht bei Vorliegen eines berechtigten Interesses gewährt werden kann.“ Man warte die Stellungnahme der Europäischen Kommission ab, auch was die organisatorische Gestaltung betrifft.

SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer erklärt am Rande des U-Ausschusses, dass die EU das Register dringend reparieren muss. „Wer der eigentliche Eigentümer ist, ist bei Steuerfragen, aber auch Geldwäsche sehr wichtig.“ In Österreich sei es etwa von öffentlichem Interesse, was zum Beispiel Rene Benko gehört.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1933 Stimmen
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    1933 Stimmen - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 16%, 518 Stimmen
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    518 Stimmen - 16% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 392 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    392 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 310 Stimmen
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    310 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 167 Stimmen
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    167 Stimmen - 5% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 3320
12. März 2024
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