Klimawandel

Klimakrise: Reiche verursachen sie, Arme leiden darunter

Die Erde hat Fieber und die Schübe werden immer heftiger. Der Eisschild der Arktis war im Herbst so klein wie noch nie. Im frostigen Lappland hat es das Thermometer im Juli auf einen Rekordwert von über 32 Grad getrieben. Die sonst saftig-grünen Wiesen und Felder Großbritanniens gleichen heuer gelben Strohfeldern. Mehrere italienische Ställe müssen klimatisiert werden, damit die Kühe auch im Sommer noch ausreichend Milch geben können. In Schweden tobten wochenlang verheerende Waldbrände, die aufgrund der Trockenheit fast nicht unter Kontrolle zu bringen waren. In Griechenland und Kalifornien starben dutzende Menschen in den Flammen. Allein in Griechenland waren es über 90 Todesopfer.

Ernteausfälle in der Landwirtschaft

Die Folgen der Klimakrise werden immer schwerwiegender: Dürren, Missernten, Waldbrände und Umweltkatastrophen häufen sich. Die vergangenen Jahre waren die heißesten Jahre seit Beginn der Messungen. In ganz Europa hoffen derzeit Bäuerinnen und Bauern auf den lang ersehnten Regen. In Ländern wie Polen oder Frankreich schüttet der Staat Millionen aus, um die Landwirtschaft zu entschädigen. In den Niederlanden muss das Wasser in der Landwirtschaft rationiert werden – in einem Land, das sonst gegen einen steigenden Meeresspiegel kämpft, weil ein Drittel seiner Fläche unterhalb des Meeresspiegels liegt. In Deutschland muss heuer Getreide importiert statt exportiert werden. Auch Österreich ist betroffen: Trockenheitsbedingt gibt es schon das zweite Jahr in Folge niedrigere Getreide-Erträge.

Die Ernte fällt im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre gleich um 12 Prozent niedriger aus. Das sind um 400.000 Tonnen Getreide weniger als üblich.

Was in der Klimadebatte aber oft untergeht, sind Fragen der sozialen Gerechtigkeit. Wer verursacht den Klimawandel eigentlich? Ist es „die Menschheit“, die den Planeten zerstört? Oder verschmutzen bestimmte Gruppen die Umwelt stärker als andere? Wer leidet am meisten unter den Auswirkungen? Und wer kann sich am wenigsten wehren?

Photo by Agustín Lautaro on Unsplash

Vergiftete Umwelt, vergiftete Körper

Fangen wir mit dem globalen Blick an: Es sind vor allem die Länder der Peripherie, die die Last der klimatischen Veränderungen tragen müssen. Dabei ist es der Westen, der gemeinsam mit aufstrebenden Volkswirtschaften wie China für den Großteil von Treibhausgasen und Müll verantwortlich ist. Es sind aber ärmere Länder, die unter Hungerkatastrophen leiden und in denen Menschen sterben, wenn es zu Dürren oder Ernteausfällen kommt. Es sind ärmere Länder, die darunter leiden, wenn sich Wüsten immer stärker ausbreiten und landwirtschaftliche Nutzung immer unmöglicher wird. Und es sind vor allem ärmere Länder, die von einem steigenden Meeresspiegel durch das Abschmelzen der Pole bedroht sind, weil sie dadurch für immer von der Landkarte verschwinden.

Ein Beispiel ist Agbogbloshie, ein Stadtteil der ghanaischen Hauptstadt Accra. Von Einheimischen wird dieser Ort „Sodom“ oder schlicht „die Hölle“ genannt. Der metallische Geschmack, der sich vor Ort in Mund- und Rachenraum breitmacht, wird als unerträglich beschrieben. Hier befindet sich eine riesige Mülldeponie – für illegal aus Europa eingeführten Elektroschrott. Vom gebrauchten Fernseher, über das kaputte Handy bis zum ausrangierten Computer landet hier alles. Von Umweltorganisationen wurde dieser Ort zu einem der verseuchtesten Orte der Welt gewählt. Toxische Stoffe wie Blei, Phosphor, Quecksilber oder Arsen gelangen in den Boden und das Wasser. Schon bei kleinen Kindern werden schwerste Vergiftungen gemessen. Bluthusten, Asthma, Gedächtnisschwund, verminderte Intelligenz sowie verminderte Organfunktionen sind die Folgen.

Photo by Nathan Anderson on Unsplash

Ärmere Menschen leiden besonders

Während Arme sich schlecht wehren können, wälzen Reichere die Last klimatischer Veränderungen auf andere ab. Und das gilt nicht nur für arme und reiche Staaten. Auch innerhalb von Staaten ist die Last der Klimakrise zwischen armen und reichen Menschen höchst ungleich verteilt.

Ärmere Bevölkerungsgruppen …

  • gehen statistisch gesehen häufiger Berufen nach, die körperlich anstrengend und der Hitze ausgesetzt sind (BauarbeiterInnen, Reinigungskräfte, etc.).
  • leben oft in Wohnungen mit schlechterer Bausubstanz (etwa ohne Wärmedämmung) und schlechterer Ausstattung (keine Außenjalousien, keine Klimaanlagen, etc.) sowie weniger Raum pro Kopf.
  • können – im Unterschied zu wohlhabenden Menschen – viel seltener in kühlere Bereiche (Zweitwohnsitz, Seen, etc.) ausweichen.
  • haben statistisch gesehen einen schlechteren Gesundheitszustand – das macht sie gegenüber der Hitze zusätzlich verwundbar. Sommerliche Hitzeperioden sind generell ein Gesundheitsrisiko: In der Hitzewelle 2003 sind rund 70.000 Menschen in Europa an der Hitze gestorben.
  • können sich gerade in der Pension zum Schutz vor der Hitze oft nur noch in die Wohnung zurückziehen. Das kann zu Vereinsamung und Isolation führen. Ältere Menschen sind besonders stark betroffen, da der gesamte Kreislauf viel sensibler auf Hitze reagiert.
  • wohnen viel häufiger an stark befahrenen Straßen. Ebenso in der Umgebung von Flughäfen, Mülldeponien oder Fabriken. Diese Personen sind in überproportionaler Weise Abgasen und Lärm ausgesetzt. Das kann zu Lungenschäden, Herz-Kreislauferkrankungen, psychischen Erkrankungen (durch ständige Lärmbelastung und weniger erholsamen Schlaf) und im schlimmsten Fall zu vorzeitigen Todesfällen führen.

Photo by Chester Ho on Unsplash

Fazit: Klimafrage eine soziale Frage

Verschmutzt wird die Umwelt dagegen viel stärker von den reichsten Prozent einer Gesellschaft. So müssen die meisten Menschen auf eine jährliche Flugreise sparen, während Superreiche selbstverständlich für einen Nachmittag nach Paris oder Mailand zum Shoppen fliegen können – oft mehrmals im Monat. Von der Umweltverschmutzung durch Großkonzerne ganz zu schweigen.

Dennoch sind es die untersten Prozent, die gesundheitlich und klimatisch am meisten unter den Auswirkungen leiden. Gleichzeitig sind es aber auch die untersten Prozent, die es am stärksten treffen würden, wenn man steuerpolitisch gegensteuern will – etwa durch höhere Steuern auf Benzin oder Diesel. Auch der Kauf von klimaschonenden Autos oder von Lebensmitteln im Bio-Supermarkt sind eher ein Oberschichtenprogramm. Ein Teufelskreis.

Die Reichen wollen nicht mehr teilen

Für den französischen Intellektuellen Bruno Latour sind Deregulierung, Sozialabbau und Klima-Skeptiker daher Teil desselben Phänomens: Wir werden in Zukunft mit einem Mangel an „teilbarem Platz und bewohnbarer Erde“ konfrontiert sein. Die Eliten sind so „dermaßen überzeugt, dass es keine gemeinsame Zukunft für alle geben könne, dass sie beschlossen, sich schleunigst von der gesamten Last der Solidarität zu befreien.“

Die Welt steuert seit den 80er Jahren nicht mehr auf „einen gemeinsamen Horizont“ zu, auf eine Situation in der möglichst viele Menschen in gleichem Maße zu Wohlstand kommen würden. „Die führenden Klassen“ führen die die Welt nicht mehr – sie sind dazu übergegangen, sich eigene Welten nur für sich zu schaffen – das „vergoldete Exil des einen Prozent“.  Eliten wollen nicht einmal mehr den Anschein erwecken, die Welt mit anderen teilen zu wollen. Soziale Sicherungssysteme werden aufgelöst und von unten nach oben verteilt. Beides sehen wir auch gerade in Österreich.

Durch die „Furie der Deregulierung, die Explosion der Ungleichheit, die Aufkündigung der Solidarität“, werde die Globalisierung nicht mit „Fortschritt, Emanzipation, Reichtum, Komfort, sogar Luxus und nicht zuletzt Rationalität“, sondern mit dem Profit einiger Weniger verknüpft. „Die beste aller Welten ist zur schlechtesten mutiert“, so Latour und bemüht die Metapher der sinkenden Titanic:

„Die führenden Klassen begreifen, dass das Schiff untergehen wird; sie schnappen sich die Rettungsboote; fordern das Orchester auf, immer weiter Schlummerlieder zu spielen, damit sie im Schutz der Nacht die Leinen lösen können, bevor die riesige Schlagseite die anderen alarmiert.“

Möglicher Ausweg: Das „Wutgeheul“ der Benachteiligten muss in Zukunft die Schlummerlieder der Orchester übertönen.

 

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 59%, 1445 Stimmen
    59% aller Stimmen 59%
    1445 Stimmen - 59% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 368 Stimmen
    15% aller Stimmen 15%
    368 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 302 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    302 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 210 Stimmen
    9% aller Stimmen 9%
    210 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 4%, 106 Stimmen
    4% aller Stimmen 4%
    106 Stimmen - 4% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2431
12. März 2024
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Matthias Punz

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