Wirtschaft und Finanzen

Kurz redet Österreichs Wirtschaftstandort klein, um soziale Einsparungen zu rechtfertigen

Sebastian Kurz hat seine ersten Interviews mit Österreichs Tageszeitungen mit einem Abgesang auf den Wirtschaftsstandort begonnen. „Der Standort Österreich ist zurückgefallen. Wir liegen beim Wirtschaftswachstum nur noch auf Platz 22 von den EU-27“, warnt der neue ÖVP-Obmann. Doch diese Darstellung von Österreichs wirtschaftlicher Lage hat einen Schönheitsfehler: Sie ist fachlich einfach falsch und widerspricht allen ökonomischen Daten. 

Die Prognose, dass Österreich mit seinem Wirtschaftswachstum auf Platz 22 von 27 liegt, macht ein mulmiges Gefühl. Und das weiß Kurz, denn er legt noch nach: Österreich liege sogar „hinter Griechenland und Portugal“. Doch sieht man sich an, welche Länder hinter Österreich liegen, sieht das ganze schon wieder anders aus. Bei der EU-Prognose für 2017, die Kurz zitiert, liegt Österreich mit erwarteten 1,7 Prozent Wachstum genau im Durchschnitt der Euroländer und vor starken Volkswirtschaften wie Dänemark, Deutschland und Finnland. Ganz so schlimm kann die Lage also nicht sein.

Wie sieht es also wirklich aus?

  1. Tatsächlich liegt Österreich auf Platz 15: Punktuelle Betrachtungen sind wenig aussagekräftig. Will man die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes seriös einschätzen, müssen länger Zeiträume betrachtet werden. Nimmt man einen sinnvollen Zeitraum von zehn Jahren, liegt Österreich auf Platz 15 von 28.
  2. Österreich liegt bei Produktivität im absoluten Spitzenfeld: Wirklich entscheidend für die wirtschaftliche Position eines Landes ist die Produktivität – und hier liegt Österreich im absoluten Spitzenfeld. Österreich weist seit 1999 die drittstärkste Entwicklung der Produktivität in der EU auf und die zweit stärkste Entwicklung innerhalb der Eurozone. Die Produktivität gibt Auskunft darüber, wie viel in einer Arbeitsstunde erwirtschaftet wird. Wenn in einer österreichischen Branche die Arbeitskosten z.B. um 50% höher sind als in einem anderen Land, die Branche pro Stunde aber um 75% mehr Output produziert (= eine um 75% höhere Produktivität aufweist), dann besteht keinerlei Gefahr einer Abwanderung von Unternehmen. Eine hohe Produktivität ermöglicht den hohen Lebensstandard in gut entwickelten Volkswirtschaften: Gut ausgebildete Arbeitskräfte mit guten Löhnen und sozialer Absicherung erwirtschaften eine hohe Wirtschaftsleistung pro Arbeitsstunde, das ist das Erfolgsmodell Österreich.
  3. Vergleich mit aufholenden Ländern macht keinen Sinn: Natürlich wachsen aufholende Volkswirtschaften wie die östlichen EU-Länder oder Krisenländer wie Portugal und Griechenland rascher als hochentwickelte, starke Volkswirtschaften wie Deutschland oder Österreich. Westeuropa hatte in den Nachkriegsjahren auch höhere Wachstumsraten als die USA, die schon wohlhabend waren – dennoch blieben die USA die stärkste Wirtschaftsmacht der Welt. Die wirtschaftlichen Aufholprozesse werden durch die EU-Strukturpolitik aktiv unterstützt und sind eine erfreuliche Entwicklung! Bedenkt man außerdem, dass die Wirtschaft in Griechenland und Portugal in der Krise um bis zu einem Viertel geschrumpft ist kann man auch nur sagen: Gut so, erholt euch wieder!
  4. Statistische Verzerrungen bereinigen: Durch statistische Verzerrungen verliert der Vergleich zwischen den Ländern an Aussagekraft: So wächst etwa Irland vor allem auf Grund seiner Existenz als sogenanntes Steuerparadies. Multinationale Konzerne wie Facebook oder Google gründen aus steuerlichen Gründen Unternehmen nach irischem Recht, ohne dass es nennenswerte positive Auswirkungen auf die Wertschöpfung und Beschäftigung in Irland gibt. So kam es 2015 zu einem statistischen Wirtschaftswachstum von 26 (!) Prozent, was natürlich nicht bedeutet dass die Produktion um 26% gestiegen ist; der Zuwachs beruht auf der Verschiebung von Firmenvermögen aus anderen Ländern nach Irland. Für Luxemburg gilt, dass die Hälfte aller dort Beschäftigten nicht in dem Kleinstaat lebt, weshalb viele Daten ebenfalls unvergleichbar sind.

All das, sagt ÖVP-Obmann Kurz nicht. Viel lieber erklärt er, Österreichs Wirtschaft sei abgesandelt, wie das im letzten Wahlkampf bereits sein Parteifreund Christoph Leitl getan hat. Der Sinn solcher Ansagen ist es nicht, die Öffentlichkeit seriös über die Lage der österreichischen Wirtschaft aufzuklären. Es geht darum, Angst zu verbreiten und eine Stimmung zu erzeugen, die sagt: Arbeitnehmerrechte, soziale Absicherung und der Wohlfahrtsstaat seien zu teuer und Schuld daran, dass Österreich im internationalen Wettbewerb abgehängt wird. Doch diese Argumentation fußt auf falschen Annahmen.

Wer mehr zum Thema „Wettbewerbsfähigkeit“ erfahren möchte kann dies in Niki Kowalls Kolumne „Die soziale Frage“ nachlesen.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1643 Stimmen
    58% aller Stimmen 58%
    1643 Stimmen - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 436 Stimmen
    15% aller Stimmen 15%
    436 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 348 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    348 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 261 Stimme
    9% aller Stimmen 9%
    261 Stimme - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 134 Stimmen
    5% aller Stimmen 5%
    134 Stimmen - 5% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2822
12. März 2024
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