Politik

Kurz redet von Entlastung – und legt einen Plan für massive Steuererhöhungen vor

ÖVP-Obmann Sebastian Kurz hat noch nicht viel darüber gesagt, was er vorhat, aber immerhin die Summe von 14 Milliarden Euro in die mediale Diskussion geworfen. Um diesen Betrag, 4 Prozent des BIP, will er die Steuer- und Abgabenquote senken. Wie er das machen will? Durch massive Kürzungen bei den Förderungen. Was er nicht verstanden hat: Das erhöht die Steuern auf Mieten, Lebensmittel, Arbeitnehmereinkommen und Pensionen.

Sebastian Kurz, der designierte Obmann der ÖVP, hat für seine 14-Milliarden-Einsparungen nur zwei Ansätze. Der eine, die Mindestsicherung und Familienbeihilfen für Ausländer kürzen, kann – neben allen praktischen und rechtlichen und sozialpolitischen Problemen – auch in der Theorie höchstens einen kleinen Bruchteil dieser 14 Milliarden bringen.

Der andere Ansatz von Kurz ist, Förderungen zu streichen. Er erklärt das so: „Derzeit ist es so, dass den Menschen zuerst aus der einen Tasche sehr viel Geld gezogen wird, um dann scheinbar wieder großzügig einen Teil dieses Geldes durch Förderungen zurückzugeben.“

Nun ist es lohnend, sich das genauer anzuschauen. Tatsächlich fördert der Staat Personen, Haushalte, Unternehmen, Institutionen, Initiativen usw. mit 20 Milliarden Euro pro Jahr, wie der jüngste Förderbericht des Finanzministeriums zeigt.

Fünf Milliarden direkte, 15 Milliarden indirekte Förderungen

Fünf Milliarden davon sind direkte Förderungen, also Zahlungen des Staates für z.B. Forschungsförderung, den Breitbandausbau, den Arbeitsmarkt, die Umwelt und – die mit 1,3 Milliarden Euro bei weitem größte Position – die landwirtschaftlichen Betriebe.

15 Milliarden Euro sind indirekte Förderungen. Das sind keine Auszahlungen des Staates, sondern da verzichtet der Staat auf Einnahmen. Also genau genommen das Gegenteil von Kurz‘ Analyse, wonach der Staat den Leuten das Geld aus der Tasche zieht und dann verteilt. Der Staat lässt den Leuten und den Unternehmen das Geld in der Tasche.

Die größte einzelne Position bei der indirekten Förderung ist der ermäßigte Mehrwertsteuersatz, der sich auf fünf Milliarden Euro Einnahmenverzicht summiert.

Wohnen, Lebensmittel, Arzneien werden teurer

Worum geht’s konkret? Der normale Mehrwertsteuersatz liegt bei 20 Prozent; für viele Leistungen und Produkte werden allerdings nur 10 Prozent fällig. Dazu gehören Mieten, Lebensmittel, Bücher, Zeitungen, Arzneimittel u.v.m. (Seit der Steuerreform 2015 gibt es zwei ermäßigte Steuersätze.)

Kurz hat gesagt: „Was ich mir wünsche ist ein System, das dazu führt, dass nicht mehr jeder und alles gefördert werden muss.“ Wenn wir ihn hier beim Wort nehmen, heißt das: Der ermäßigte (geförderte) Mehrwertsteuersatz wird auf 20 Prozent angehoben. Eine unmittelbare Folge davon: Wohnen, Lebensmittel, Arzneien werden teurer.

Die zweite Folge: Das ist einfach eine Steuererhöhung. Das heißt, Kurz würde nicht nur eine Teuerungswelle auslösen – er würde auch die Steuer- und Abgabenquote erhöhen.

Steuererhöhungen für Arbeitnehmer und Pensionisten

Das gilt auch für alle anderen Positionen der indirekten Förderungen. Der Staat verzichtet bei der Forschungsprämie für Unternehmen auf Gewinnsteuern – eine Förderkürzung wäre einfach eine Steuererhöhung. Das Gleiche bei der steuerlichen Begünstigung von Überstunden, beim Kinderabsetzbetrag, beim Pensionistenabsetzbetrag, beim Pendlerabsetzbetrag, bei der Pendlerpauschale usw.

Wenn Kurz die indirekte „Förderung“ streichen oder verringern will, erhöht er damit die Steuern für die Arbeitnehmer, Pensionisten und Unternehmen. Das heißt: Er erhöht Steuer- und Abgabenquote.

Hat Kurz das vielleicht gar nicht so gemeint?

Man kann sich nur an das halten, was der Chef der seit wenigen Wochen nach ihm benannten Partei gesagt hat. 14 Milliarden Euro will er sparen. Der einzige von ihm genannte konkrete Punkt, wo ein solcher Betrag mobilisiert werden könnte, sind die Förderungen. Was er halt einfach nicht bedacht hat, ist, dass er mit Sparen bei den indirekten Förderungen die Steuerquote erhöht.

Könnte er nur die direkten Förderungen gemeint haben? Das ist natürlich denkbar; vor allem, weil er ja auch für die EU eine Rechnung angestellt hat, wie er den Ausfall des Nettozahlers Großbritannien kompensieren will. – Durch Einsparungen bei der Kommission. Da ficht es ihn auch nicht an, dass Großbritannien bisher netto 14 Milliarden pro Jahr beiträgt, und damit weit mehr, als die gesamten Verwaltungskosten der EU (Kommission, Parlament etc.) ausmachen. Also ja, es ist denkbar, dass Kurz meint, bei einer direkten Fördersumme von fünf Milliarden können man 14 Milliarden einsparen.

Will Kurz den Bauern Förderungen kürzen?

Aber ist es auch denkbar, dass Kurz den Bauern, die am stärksten von den direkten Förderungen profitieren, Zahlungen kürzen oder streichen will? Dazu hat sich Kurz‘ Stellvertreterin und Generalsekretärin, Elisabeth Köstlinger, im Zusammenhang mit dem EU-Budget schon festgelegt. Sie sagt nein: „Die Höhe der Förderung ist durch Umschichtung zu sichern – unabhängig von der tatsächlichen Höhe des künftigen EU-Budgets.“

Mehr zum Thema:

Bundesministerium für Finanzen: Förderungsbericht 2015

Umsatzsteuergesetz (siehe § 10 und Anlage 1 und 2; ermäßigte Steuersätze)

ÖVP-OTS, 22.Mai 2017: Köstinger: „Wir sichern das Einkommen der Bauern“

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1622 Stimmen
    58% aller Stimmen 58%
    1622 Stimmen - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 429 Stimmen
    15% aller Stimmen 15%
    429 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 342 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    342 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 253 Stimmen
    9% aller Stimmen 9%
    253 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 131 Stimme
    5% aller Stimmen 5%
    131 Stimme - 5% aller Stimmen
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12. März 2024
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