Der Fall MAN zeigt, wie wichtig aktive Industriepolitik für Österreich ist. Wenn das Werk des LKW-Herstellers in Steyr schließt, verlieren nicht nur die 2.300 MAN-Mitarbeiter ihren Job – das Werk ist für die Region so wichtig, dass insgesamt 8.400 Arbeitsplätze verloren gehen würden. Die SPÖ fordert deshalb eine staatliche Beteiligung zur Rettung des Standortes. Die ÖVP ist dagegen. Doch gerade mit einer staatlichen Beteiligung könnte man den Umbau vom Lastwagenwerk zu einem Industriebetrieb der Zukunft beschleunigen.
Österreich ist kein Land, das ausschließlich vom Tourismus und von Dienstleistungen lebt. Die Industrie ist das Herzstück der österreichischen Wirtschaft. Die Sachgüterproduktion inklusive Bergbau trug im Jahr 2019 direkt 18,9% zur Bruttowertschöpfung in Österreich bei. Werden alle vor- und nachgelagerten Tätigkeiten, zu denen auch produktionsbezogene Dienstleistungen zählen, mit einberechnet, steigt der Betrag auf ungefähr 45% der Wertschöpfung. Fast die Hälfte des österreichischen Bruttoinlandsproduktes hängt also mit der Industrie zusammen. Besonders drastisch erkennt man das auch im Fall des MAN-Werks in Steyr.
Der Linzer Universitätsprofessor Friedrich Schneider hat in seiner Funktion als wissenschaftlicher Leiter der Initiative Wirtschaftsstandort OÖ (IWS) auch die volkswirtschaftlichen Konsequenzen einer Werksschließung evaluiert. Sein Fazit: Wenn das Werk geschlossen wird, kommt es zu einem Rückgang des österreichischen Bruttoinlandsprodukts von 957 Mio. Euro und einem Verlust von insgesamt 8.400 Arbeitsplätzen. Die SPÖ hat nun vorgeschlagen, die Schließung des Werks mit einer staatlichen Beteiligung von bis zu 20 Prozent zu verhindern. Dazu soll ein 10 Milliarden Euro schwerer Fonds geschaffen werden. Als Vorbild dient die „Stolz auf Wien Beteiligung GmbH“, die die Wiener Stadtregierung im Zuge der Corona-Krise geschaffen hat, um Unternehmen aus der Krise zu helfen.
Derzeit sieht es allerdings nicht so aus, als würde es bald auf Bundesebene derartige Beteiligungen geben. Die ÖVP erteilte der SPÖ-Forderung eine Absage. Der Generalsekretär des ÖVP-Wirtschaftsbundes, Kurt Egger, lehnte eine mögliche Staatsbeteiligung ab: „Sozialistische Konzepte zur Rettung von Unternehmen haben noch nie funktioniert“, so Egger. Das ist keine neue Linie der ÖVP. Schon bei der Rettung der AUA verzichtete man trotz einer 450 Millionen Euro Staatshilfe auf eine Beteiligung des Landes am Unternehmen.
Die Folgen sind bekannt: Jeder fünfte Mitarbeiter verliert seinen Job. Das Management wollte sich einen Millionenbonus ausschütten – erst nach heftiger öffentlicher Kritik wurde dann doch davon abgesehenen. Dass andere Länder aber sehr wohl auf Staatsbeteiligungen zur Rettung von Arbeitsplätzen bauen und damit durchaus erfolgreich sind, verschweigt Egger aber. Deutschland und Portugal retteten ihre Fluglinien mit Staatsbeteiligungen. Aber auch der VW-Konzern, bei dem das Land Niedersachsen 20 Prozent des Stimmrechts in der Aktionärsversammlung hat, beweist, dass sich erfolgreiches Wirtschaften und staatliche Mitbestimmung nicht ausschließen.
Auch die Wissenschaftlerin Julia Eder, die zu Industriepolitik forscht, findet, dass man über Verstaatlichungen nachdenken muss:
„Verstaatlichung heißt ja nicht Enteignung. Man kauft ein Unternehmen, führt es weiter und gestaltet es so um, dass die Beschäftigten bleiben können und dass es im besten Fall sogar eine Produktumstellung auf ein sozial nützliches Produkt geben kann“, so Eder im Podcast „Standpunkt“.
Eine derartige Produktumstellung empfiehlt Eder gemeinsam mit dem Professor für Politikwissenschaft der Universität Wien, Ulrich Brand, auch für das MAN-Werk in Steyr. Kurzfristig soll der Bau von mittelgroßen Elektro-Lastwägen und Bussen forciert werden – in weiterer Folge wäre eine Umstellung auf den Zug- und Straßenbahnbau sinnvoll.
Insgesamt fordert Eder eine neue Industriestrategie, die auf vier Säulen aufbaut: Unterstützung der Betriebe bei einem sozial-ökologischen Umbau, Stärkung lokaler und regionaler Wirtschaftskreisläufe – auch durch öffentliche Beschaffung, gerechtes Verteilen von Gewinnen und Verbreiterung der Eigentumsverhältnisse – damit nicht ausschließlich gewinnorientierte Konzerne die Weichen für die Zukunft stellen.
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