Ende März hat die Regierung aus ÖVP und Grünen die erhöhte Notstandshilfe gestrichen. Die 200.000 Betroffenen verlieren dadurch mitten im Lockdown zwischen 80 und 120 Euro im Monat. Dazu werden im April Mietstundungen fällig und eine Delogierungswelle droht.
Mit dem 1. April hat die Regierung über 200.000 Langzeitarbeitslosen bis zu 120 Euro im Monat gestrichen. Sie ließ die erhöhte Notstandshilfe in der Corona-Zeit auslaufen – ohne Ersatz. Das heißt: Als Erstes kürzen ÖVP und Grüne die Corona-Unterstützungsmaßnahmen bei einer der ärmsten Gruppen in Österreich. Obwohl derzeit für 458.000 Arbeitslose nur 74.000 offene Stellen zur Verfügung stehen und sehr viele Menschen keine Chance auf einen Arbeitsplatz haben. „Die Anhebung der Notstandshilfe auf das Arbeitslosengeld ist im März ausgelaufen, bekanntlich aber nicht die Corona-Krise“, kritisiert Sozialexperte Martin Schenk die Bundesregierung.
„Warum ist ausgerechnet die Notstandshilfe jene Maßnahme, die man als erstes in der Corona-Zeit wieder beendet?“ fragte ZIB2-Moderator Martin Thür am Sonntag den Arbeitsminister Martin Kocher. Kocher kann das nicht wirklich begründen: Man solle „sich nicht auf eine Einzelmaßnahme konzentrieren, wenn man sich die Gesamtmaßnahmen am Arbeitsmarkt anschaut, da wird sehr viel getan“. Ob er es gerecht finde, dass bei den Unternehmen die Hilfszahlungen fortgesetzt, bei den Langzeitarbeitslosen aber gekürzt werden, beantwortet Kocher nicht.
Arbeitslose trifft die Corona-Krise besonders hart. Wer Notstandshilfe bezieht, bekommt im Schnitt 871 Euro netto im Monat – 12 Mal im Jahr. 70 Prozent der Langzeitarbeitslosen sind armutsgefährdet.
„Die Aufstockung der Notstandshilfe auf das Arbeitslosengeld kostet nicht viel. Sie würde aber dazu beitragen, die Armut unter Langzeitarbeitslosen während der Krise nicht noch weiter explodieren zu lassen“, sagt Oliver Picek, Chefökonom der sozialliberalen Denkfabrik Momentum Institut.
Anders als große Unternehmen, die monatelange Staatshilfen beziehen und dennoch oft Dividenden und Boni ausschütten, gab es für Arbeitslose nur zwei Einmalzahlungen in Höhe von wenigen Hundert Euro – auch die hat die Regierung nicht verlängert. Die Erhöhung des Arbeitslosengeldes von 55 auf 70 Prozent des Letztgehalts haben ÖVP und Grüne stets verhindert – trotz Druck von Gewerkschaft, Arbeiterkammer, SPÖ und FPÖ. Auch die kleine Erhöhung der Notstandshilfe musste der Regierung im April 2020 erst abgerungen werden. Die Notstandshilfe liegt fünf bis acht Prozent niedriger als das Arbeitslosengeld, sie wurde aber angesichts der Coronakrise auf den Betrag des Arbeitslosengeldes aufgestockt. Im März lief diese Erhöhung aus, ÖVP und Grüne verhinderten einen Entschließungsantrag der SPÖ auf eine Verlängerung bis Ende Juni.
Die Verlängerung der erhöhten Notstandshilfe bis Juni würde rund 110 Millionen Euro kosten, wie die Arbeiterkammer schätzt. Ein Zehntel dessen, was die Hoteliers und Gastro-Unternehmen in nur einem Monat bekommen haben. „Mit Anfang April haben wir in Österreich die höchste je gemessene Zahl an Langzeitarbeitslosen: knapp 190.000 Menschen. Die Wirtschaft wird mit Anfang April wieder zugesperrt. Gleichzeitig stockt gerade in einer solchen Situation die Regierung die Notstandshilfe nicht mehr auf. Das ist wirtschaftspolitisch falsch und sozialpolitisch verantwortungslos“, sagt Picek. Jeder Euro, der für Arbeitslose ausgegeben wird, hilf nicht nur gegen Armut, sondern stützt auch den Konsum.
Arbeiterkammer, Gewerkschaft, Hilfsorganisationen und die SPÖ fordern von der Regierung, die Notstandshilfe dringend wieder aufzustocken und das Arbeitslosengeld endlich zu erhöhen.
„Ich appelliere an Arbeitsminister Kocher und Finanzminister Blümel, bei den ArbeitnehmerInnen genau so großzügig zu sein, wie bei Hilfspaketen für Unternehmen und Landwirte“, sagt AK-Präsidentin Renate Anderl.
Die AK hat in ihrem Gerechtigkeits-Check der Corona-Maßnahmen eine grundsätzliche Schieflage festgestellt: Große Unternehmen und Großbauern werden großzügiger unterstützt als ArbeitnehmerInnen, einige große Eigentümer wurden sogar zu Krisenprofiteuren. Auch das sozialliberale Momentum-Institut ist in der Analyse der Corona-Hilfen auf diese Ungleichheit gestoßen: Über die Hälfte der Hilfsgelder fließt an Unternehmen, nur ein gutes Drittel an ArbeitnehmerInnen – obwohl die 8 von 10 Euro der Steuern bezahlen.
Zur Kürzung der Notstandshilfe mitten in der Corona-Krise kommt, dass mit März auch die Mietstundungen ausgelaufen sind. Die Zahl der Delogierungen könnte sich 2021 verdoppeln, 17.000 Haushalte könnten ihre Wohnung verlieren – warnt der Leiter der AK-Abteilung für Kommunalpolitik und Wohnen, Thomas Ritt. Im April müssen Mieter bis zu vier Monatsmieten zahlen. Zu den gestundeten Monatsmieten kommen vier Prozent Zinsen dazu, plus die laufende Miete. „Die Fälle zeigen, es wird bei vielen sehr, sehr eng mit der Miete“, sagt Ritt. Im Schnitt sind betroffene MieterInnen mit über drei Monatsmieten im Rückstand.
Um Räumungsklagen und Delogierungen zu verhindern, verlangt Ritt einen Hilfsfonds für MieterInnen. Wie beim Fixkostenzuschuss für Unternehmen, sollen im Notfall die Mietkosten von Privatpersonen übernommen werden.
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