Europa

Profit vor Natur: ÖVP will EU-Verordnung zum Schutz von Wäldern verhindern

Die EU will weltweit Wälder retten. Es soll verboten werden, in der EU Produkte zu verkaufen, für die Wälder gerodet wurden. Diese neue Verordnung wird nicht nur einzigartige Lebensräume retten, sondern auch den Klimawandel bekämpfen. Doch die ÖVP mobilisiert dagegen. Gemeinsam mit Agrar- und Forstkonzernen will sie verhindern, dass die Verordnung nächstes Jahr kommt. Diese sehen nämlich ihre Profite in Gefahr – und das will die ÖVP nicht zulassen.

Weltweit gingen seit 1990 mehr als 420 Millionen Hektar Wald verloren – eine Fläche größer als die EU. Die EU selbst gilt mit einem weltweiten Anteil von 10 Prozent als zweitgrößte Importeurin von Produkten, die mit Entwaldung in Verbindung stehen. Insofern ist es begrüßenswert, dass die EU mehr Verantwortung für ihr Konsumverhalten übernehmen will: Ab 2025 soll schrittweise die Entwaldungsverordnung gelten. Demnach soll Unternehmen verboten werden, Produkte und Rohstoffe in der EU zu verkaufen, die von entwaldeten Flächen stammen. Dazu zählen etwa Holz, Kakao, Kaffee, Ölpalme, Kautschuk, Rind und Soja, aber auch Erzeugnisse daraus wie Leder, Schokolade, Zellstoff und Papier.

Gut für kleinere Unternehmen – Strafen für Konzerne

Dementsprechend schafft die Verordnung strenge Pflichten für Unternehmen und neue Qualitätsstandards. Diese kommen insbesondere jenen kleinen und mittleren Unternehmen zugute, die jetzt schon ökologisch und sozial verantwortlich agieren. Mit dieser EU-Verordnung gegen Entwaldung (EUDR) wird es also einen gesetzlichen Standard für mehr Nachhaltigkeit und eine ökologische Wertschöpfungskette in der Forstwirtschaft geben. Die Regelung sieht sogar hohe Strafen bei Verstößen vor. Es ist also ein wichtiger Schritt, um das Ausmaß der Entwaldung weltweit einzudämmen. Gleichzeitig werden damit Konzerne zur Verantwortung gezogen: weg von bloßen Bemühungspflichten (wie im EU-Lieferkettengesetz verankert) hin zu Erfolgspflichten (wie in der Verordnung gegen Zwangsarbeit). Doch auf Druck der Agrarkonzerne und konservativen Kräften – allen voran der ÖVP -, könnten dieses Vorhaben doch noch scheitern.

Wichtiger Schritt im Umweltschutz – auch wenn es noch weiter gehen sollte

Was in der Verordnung zu kurz kommt, ist das Bewusstsein, dass das Soziale und Ökologische ineinandergreifen. So sorgt dauerhafte Entwaldung nicht nur für 11 Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen, sondern auch für andere, negative Folgen. Dazu zählt insbesondere die Vertreibung von indigenen Völkern, die nachgewiesenermaßen als die besten Bewahrer:innen von Biodiversität gelten. Eine Verordnung als bloßes Produktverbot hilft da leider wenig. Darüber hinaus ist etwa im Kakaosektor Zwangs- und Kinderarbeit nach wie vor weit verbreitet, was Genussprodukten wie der Schokolade einen bitteren Beigeschmack verleiht. Auch das verhindert die Verordnung nicht. Doch dass die Liste der Rohstoffe um beispielsweise Mais oder Zuckerrohr erweitert werden kann und die Anwendung auf andere natürliche Ökosysteme (wie Savannen oder Feuchtgebiete) angedacht wird, gibt dennoch Grund zu vorsichtigem Optimismus. Auch, wenn all diese Dinge das Europäische Parlament bereits erfolglos für die geltende Verordnung gefordert hat.

Die Verordnung allein wird das Problem der zunehmenden globalen Entwaldung zwar nicht beseitigen können. Dennoch ist die Initiative ein wichtiges Zeichen des Bewusstseins für die Problematik und der Verantwortung am derzeitigen Waldsterben. Ebenso sind auch politische Akteure z.B. in den USA auf die Verordnung aufmerksam geworden. Damit ist ein sog. Brüssel-Effekt nicht auszuschließen – dass also aus einem EU-Standard schließlich ein globaler Standard wird.

Die EU will Wälder stärker schützen – die ÖVP und ihre Verbündeten sind dagegen.

Landwirtschaftsminister Totschnig (ÖVP) auf Seite der Großkonzerne

Doch auf Druck der protestierenden Großbauern, Landwirtschaftskammer, Wirtschaftskammer und Wirtschaftslobbyisten werden die strengeren Regeln gegen Abholzung wohl doch nicht so bald Wirkung entfalten.

Denn Österreich – vertreten durch den Landwirtschaftsminister Totschnig (ÖVP) – hat sich an die Spitze einer neuen Allianz aus Finnland, Italien, Polen, der Slowakei, Slowenien und Schweden gestellt. Die Allianz möchte ein Inkrafttreten der Verordnung verhindern beziehungsweise das Vorhaben aufzuweichen und wesentlich längere Übergangsfristen aushandeln.

Es werden Nachteile für kleinbäuerliche land- und forstwirtschaftliche Unternehmen innerhalb der EU, sowie „unverhältnismäßige administrative Belastung“ befürchtet. Dabei werden jedoch auch viele Falschmeldungen und Mythen verbreitet. Denn in Österreich wird der bei weitem überwiegende Teil unserer Wälder gar nicht von der Verordnung erfasst sein, da diese bereits jetzt landwirtschaftlich genutzt werden.

Umweltministerin Gewessler hat hingegen in einem Brief an EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius erklärt, dass die Mitteilung „keine offizielle österreichische Position“ darstelle, da das Umweltministerium nicht an der Vorbereitung beteiligt gewesen sei. Sie betont dabei die Bedeutung für den Klimaschutz. Denn gehen Wälder verloren, dann gehen Kohlenstoffspeicher verloren und die Landwirtschaft würde von der Klimakrise besonders betroffen sein.

Dieser Vorgang hat nicht nur beim Koalitionspartner, sondern auch bei anderen Mitgliedstaaten und Umweltschutzorganisationen für Irritation gesorgt. Denn gerade Kleinbauern, Kleinbäuerinnen und Privaten kam man bereits entgegen. So sind die Übergangszeiten länger und Dokumentationsverfahren vermindert. Es dürfte also vielmehr um Profitinteresse der großen Agrar- und Forstunternehmen gehen.

Der ÖVP-Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig setzt sich für die Verzögerung der Entwaldungsverordnung ein. (Foto: BKA/Florian Schrötter)

Die Landwirtschafts- und Wirtschaftskammern inszenieren sich gerne auf Seiten der kleinen und mittelständischen landwirtschaftlichen Betriebe. Doch wie sooft ist das nur Schein. Denn genau diesen schadet eine solche fehlgeleitete Agrarpolitik am meisten.

So würde die wirksame und lückenlose Kontrolle der Einhaltung der Entwaldungsverordnung die heimische Landwirtschaft und insbesondere kleinere Betriebe tendenziell stärken.

Das in Österreich zuständige Bundesamt für Wald gab jedoch zuletzt auf Anfrage an, dass man bislang noch nicht einmal ermittelt habe, wie viele Stellen für die Vollziehung notwendig wären.

Konservative betreiben Wahlkampf auf Kosten von uns allen

Wie schon beim EU-Lieferkettengesetz ist diese Neupositionierung auch im Zusammenhang bevorstehenden EU-Wahlen zu verstehen: Konservative, rechte und wirtschaftsliberale Parteien haben die „Bürokratie“ auf EU-Ebene zu ihrem Kampfthema ernannt. Genauer gesagt wollen sie diese auf ein Minimum reduzieren. Das jedoch geht zulasten einer wirksamen Steuerung wie auch Kontrolle in Bezug auf Schutzstandards und Qualität.

Nachdem konservative Kräfte im EU-Parlament im Sommer letzten Jahres daran gescheitert sind, das Renaturierungsgesetz zu verhindern, kündigte EU-Parlamentarier Manfred Weber (EVP) damals bereits an, den Kampf den „Green Deal“ nicht aufzugeben. Dass das Renaturierungsgesetz nun unter den Mitgliedstaaten im Rat plötzlich doch keine Mehrheit mehr fand, lässt insofern auf intensivstes Lobbying global agierender Unternehmen schließen, die in den Umweltzielen der EU eine Bedrohung ihrer veralteten Form des Wirtschaftens sehen.

Dass Gegner:innen des „Green Deals“ selbst vor der Vereitelung bereits beschlossener EU-Gesetze nicht zurückschrecken, zeigen insbesondere die aktuellen Versuche, die Entwaldungsverordnung erheblich abzuschwächen. Anstatt den Forderungen dieser großen Unternehmen nachzugeben, sollten jedoch vielmehr die Ziele des „Green Deals“, vor allem auch dessen soziale Dimension, verteidigt werden. Den erreichten Beschluss zur Entwaldungsverordnung nun wieder aufzumachen, stellt den demokratischen Prozess der Kompromissfindung infrage. Dieser Vorgang lässt auch an der Glaubwürdigkeit der Umsetzung der europäischen Umweltziele zweifeln.

Fest steht, durch die Abholzung profitieren einige wenige große Agrarkonzerne – zum Nachteil von uns allen, denn so gehen uns gesunde Ökosystems nachhaltig verloren.

Wie sollen wir in Österreich die Teuerung bzw. ihre Folgen bekämpfen?

Maximal 4 Antwortmöglichkeiten

  • Steuern auf Arbeit senken, dafür Steuern auf Millionenvermögen erhöhen 23%, 2654 Stimmen
    23% aller Stimmen 23%
    2654 Stimmen - 23% aller Stimmen
  • Übergewinnsteuer für Energieunternehmen und Banken 20%, 2320 Stimmen
    20% aller Stimmen 20%
    2320 Stimmen - 20% aller Stimmen
  • Energiepreise stärker regulieren 16%, 1822 Stimmen
    16% aller Stimmen 16%
    1822 Stimmen - 16% aller Stimmen
  • Mieterhöhungen für die nächsten zwei Jahre stoppen 13%, 1516 Stimmen
    13% aller Stimmen 13%
    1516 Stimmen - 13% aller Stimmen
  • Mehrwertsteuer auf Lebensmittel streichen 12%, 1346 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    1346 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Ganztagesschulen kostenlose machen 8%, 885 Stimmen
    8% aller Stimmen 8%
    885 Stimmen - 8% aller Stimmen
  • Höchstzinsen für Häuselbauerkredite einführen 4%, 498 Stimmen
    4% aller Stimmen 4%
    498 Stimmen - 4% aller Stimmen
  • Mindestzinsen für bestimmte Sparprodukte einführen 4%, 497 Stimmen
    4% aller Stimmen 4%
    497 Stimmen - 4% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 11538
Voters: 3416
13. Mai 2024
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