Nicht mehr als 100 Tage gaben internationale Beobachter der sozialistischen Minderheitsregierung unter António Costa in Portugal. Jetzt arbeitet die Linksregierung schon zwei Jahre erfolgreich und führt vor Augen wie scheinbar Unmögliches bewerkstelligt werden kann: Die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosigkeit sinkt und die Schulden werden abgebaut. Was ist in diesen zwei Jahren geschehen, in denen Portugal vom Sorgenkind zum Vorzeigeland wurde? Und was kann Europa aus dem Erfolg der portugiesischen Regierung lernen?
Bei der Wahl 2015 verlor das konservative Wahlbündinis PàF seine Mehrheit im Parlament. Die Wähler sendeten eine klare Botschaft: Die neoliberale Austeritätspolitik der Konservativen wurde abgewählt. Unmittelbarnach der Wahl begann die Sozialistische Partei (PS), eine neue Mehrheit im Parlament zu suchen. Die Wahlniederlage der Konservativen sollte zu einem Richtungswechsel der Politik führen. Das Problem dabei war: Die linken Parteien in Porutgal galten über viele Jahre und Jahrzehnte hinweg als heillos zerstritten. Wie konnte man also endlich die bestehenden Differenzen überwinden und Brücken bauen?
Um die politischen Konflikte zwischen den linken Parteien zu lösen, war es zunächst notwendig, die verhärteten Positionen aufzuweichen. Auf Seiten der Sozialistischen Partei kam es zu einer Öffnung gegenüber den linken Parteien, indem António Costa zum neuen Generalsekretär gewählt wurde. Und zwar erstmal in Form eines breiten Votums – von allen Mitgliedern und auch Nicht-Mitgliedern. António Costa war der Kandidat des linken Flügels und plädierte für eine progressive Politik.
Zweitens war es im Jahr 2012 zu einer großen Protestwelle gegen die EU-Troika gekommen, die im Demokratischen Kongress für Alternativen kulminierte. Dort und in den vorherigen Bewegungen waren Netzwerke und gemeinsame Projekte entstanden, in denen die linken Parteien und soziale Bewegungen gemeinsam arbeiten konnten.
Costa als Generalsekretär der Sozialistischen Partei und neue Foren, in denen sich progressive Kräfte über Parteigrenzen hinweg austauschen konnten, legten den Grundstein für das linke Bündnis nach der Wahl.
Um diese Zusammenarbeit zwischen den linken Parteien weiter zu stärken, stellte man die gemeinsamen Ziele in den Vordergrund: Ein Bekenntnis zur Europäischen Union, die weiterentwickelt werden soll, allerdings basierend auf der Abkehr von der Austeritätspolitik; den Ausbau des Wohlfahrtsstaates sowie den Kampf gegen Steuertricks und den Steuerwettbewerb nach Unten zwischen den EU-Mitgliedsländern.
Die Konservativen wissen nicht, wie sie mit dem Erfolg der Regierung umgehen sollen. Seit die neue Regierung im Amt ist, bekommt die Opposition keinen Fuß mehr auf den Boden.
Hatte die Sozialistische Partei bei den Wahlen noch 32%, steht sie in Umfragen jetzt konsequent über 40%.
Die beiden anderen linken Parteien erreichten bei der Wahl 18%, in den Umfragen bleiben sie nun stabil. So können die Sozialistische Partei und ihre Bündnispartener bei den nächsten Wahl mit einem gemeinsamen Ergebnis über 60% rechnen.
Das von der EU beschlossene Stablilitätsprogramm hat Portugal einen rigiden Sparkurs aufgezwungen. Die sozialistische Regierung hat sich allerdings nicht mit den neoliberalen Vorgaben abgefunden. Stattdessen setzt man – in keynesianischer Art – auf Investitionen, höhere Mindestlöhne und Investitionen in den Sozialstaat.
Und die Ergebnisse sind erstaunlich: Die Wirtschaft wächst – 2017 aller Voraussicht nach um 2,5% – und die Arbeitslosigkeit geht zurück: von 12% auf 9%, bei jungen Menschen von 30% auf 23%.
Zusätzlich investiert die Regierung verstärkt in den Sozialstaat: Mindestlöhne werden erhöht und in das öffentliche Bildung- und Gesundheitssystem wird investiert. Dank der Zusammenarbeit mit Gewerkschaften, lokalen und sozialen Initiativen, die ihre Ideen und Vorstellungen selbst einbringen können, hat die Regierung ein solides Fundament für ihre Arbeit geschaffen.
Entgegen dem Dogma, dass es zum Abbau des Sozialstaates keine Alternative gäbe, beweist die portugiesische Regierung, dass sozial ausgewogene Politik nicht nur möglich ist – sondern auch ökonomisch sinnvoll. Erstmals seit vielen Jahren kann jetzt auch das Budgetdefizit reduziert werden: Es ist auf den niedrigsten Stand seit 40 Jahren gesunken (auf 2,1%).
Die sozialistische Partei bildet nur eine Minderheitsregierung und muss sich Mehrheiten für ihre Projekt im Parlament suchen – das hat den Parlamentarismus stark aufgewertet. Das Parlament hat sich dadurch verändert: Es ist nicht mehr der Ort, an dem einfach Regierungsvorlagen beschlossen werden – vielmehr ist das Parlament zu einem Ort der echten politischen Diskussion und Verhandlung geworden.
Vor zwei Jahren warnte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble: „Portugal macht einen schweren Fehler“ und werde bald wieder Hilfe von der EU brauchen. Heute ist das Gegenteil der Fall – Portugal ist der lebende Beweis, dass man mit dem Austeritätskurs brechen kann, zugunsten von Investitionen und eines Ausbaus des Wohlfahrtsstaates.
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