Politik

Sachslehner-Rücktritt: In der ÖVP tobt ein Machtkampf – die Regierung ist gelähmt

Man streitet in der ÖVP nicht um Werte. Denn die ÖVP-Spitze ist konservativ und rechts wie eh und je. Man streitet um Macht. Schwarz gegen Türkis. Der Rücktritt von Laura Sachslehner zeigt: Die ÖVP ist mehr mit internen Machtspielchen beschäftigt als mit der Energie- und Wirtschaftskrise, an deren Lösung sie arbeiten sollte.

Lassen wir uns nicht ablenken. Beim Krawall-Auftritt von Laura Sachslehner samt Rücktritt ging es nicht um den „Klimabonus“. Es ging auch nicht darum, dass – wie Sachslehner behauptet – Karl Nehammer die Werte der ÖVP verraten würde. Es ist kein Richtungsstreit. Nehammer schob als Innenminister rechtswidrig Kinder ab, er machte den stramm rechten Gerhard Karner zum Minister-Nachfolger. Nehammers Staatssekretärin nennt Pensionserhöhungen „ungerecht“ und wirtschaftspolitisch stemmt sich die ÖVP gegen Steuern auf die Übergewinne der Energiekonzerne ebenso wie gegen Vermögenssteuern für Reiche. Die Richtung ist also wie eh und je. Was es in der ÖVP aber sehr wohl gibt, ist ein Machtstreit. Unter Nehammer gewannen die Partei-Bünde und das Land Niederösterreich mehr Einfluss. Die Kurz-Vertrauten aus der JVP und der ÖVP Wien haben weniger zu melden – in Wien ist Sachslehner verankert.

Obendrein sind die Umfragen – bundesweit, aber auch in einzelnen Ländern – miserabel. ÖVP-Landeskaiser fürchten sich schon vor bevorstehenden Wahlen. Die Performance von Nehammer als Kanzler – als auch die Skandale unter Kurz – schaden der ÖVP. Und damit gibt es auch einen Streit um Schuld. Man ist nervös in der ÖVP. Und nun gibt es ein paar, die sich einen Vorteil erhoffen, wenn sie an Nehammers Sessel sägen.

Unterm Sebastian war alles besser – zumindest für ein paar wenige

Sebastian Kurz gab ein Versprechen: der Volkspartei zu neuem Glanz zu verhelfen – und für die ÖVP und vor allem für sich selbst das Kanzleramt zu erobern. Dafür montierte er seinen Vorgänger ab, paktierte gegen Ministerkollegen aus der eigenen Partei. Eine kleine Clique rund um ihn organisierte offenbar manipulierte Umfragen, mutmaßlich aus Steuergeld finanziert. Die Partei ließ ihn und seine Verbündeten werken, solange er sein Versprechen einlöste und die ÖVP erfolgreich war.

Die Machtbalance aus Bünden und Landesorganisationen wurde zugunsten eines anderen Machtfaktors abgelöst: Die Kurz-Familie. Dem Kanzler waren er selbst und seine Verbündeten am wichtigsten. Wer Kurz die Treue erwiesen hatte, bekam Posten. Gernot Blümel, Elisabeth Köstinger, Thomas Schmid, diverse Kabinetts-Mitarbeiter:innen. Die JVP und die ÖVP Wien erlebten Höhenflüge.

Politisch brachte es einen misslungenen Krankenkassen-Umbau mit immensen Folgekosten, den 12-Stunden-Tag oder auch Häufungen rechtsextremer „Einzelfälle“ unter Schwarz-Blau– weil sich die FPÖ bestärkt fühlte.
Dazu noch der Casinos-Austria-Skandal und eine Korruptionsaffäre basierend auf peinlichen Chats unter ÖVP-Freunden. Neuwahlen, mehrmalige Kanzlerwechsel, Minister-Rochaden. Die ÖVP rasselt in Umfragen nach unten.

Unter Nehammer gewannen die alten Bünde an Macht

Als Nehammer übernahm, steigerte das den Einfluss der ÖVP-Niederösterreich – die Kurz-Getreuen verloren an Macht und Posten. Köstinger, Blümel, Schmid und Schramböck mussten sich aus der Regierung verabschieden. Laura Sachslehner war eine der letzten türkisen Personalien. Sie soll Nehammer aufgedrängt worden sein. Die Krone berichtet, dass Nehammer von der 28-Jährigen eigentlich nicht überzeugt war, doch ihre Bestellung wurde von ihren Verbündeten vorab schon an Medien kommuniziert. Nehammer erfuhr von seiner eigenen Entscheidung praktisch aus der Zeitung und musste diese dann bestätigen.

Gleichzeitig ist die Angst vor den kommenden Landtagswahlen und einer möglichen Nationalratswahl in der ÖVP groß. Schlechte Ergebnisse gefährden Posten und Einfluss.

In der ÖVP schaut gerade jeder Bund, jede Clique, wie man die eigene Macht erhalten kann. Die Kritik Sachslehners an Nehammer hat nichts mit politischen Inhalten zu tun – es ist der Versuch einer Kurz-Getreuen, den eigenen Parteichef zu demolieren, weil dieser einem feindlichen Machtblock angehört.

Gegen 26 ÖVPler wird ermittelt, Umfragewerte im Keller

Nehammer hat die Kontrolle über seine eigene Partei verloren. Das schadet dem Land: Die ÖVP ist mehr mit internen Machtspielen beschäftigt als mit der Energie- und Wirtschaftskrise, an deren Lösung sie arbeiten sollte. Mittlerweile wird gegen 26 ÖVPler – darunter auch Kurz, Blümel und Schmid – ermittelt. Besuche der Staatsanwaltschaft, Streit um Beweisakten, dazwischen immer wieder neue Chats. Das ist die Realität einer Partei, die in der größten Inflationskrise seit fast 50 Jahren das Land regiert.

Es geht nicht um „Werte“, es geht um Machtpositionen, die man verteidigt

Es ist eine Scheindebatte, das Jammern über die Koalition mit den Grünen. Sachslehners Abgang zeigt keinen Richtungsstreit um Werte, sie hat vielmehr den Flügelkampf zwischen Schwarz und Türkis auf die Bühne geholt.

Es brodelt in der ÖVP. Aber nicht, weil man um Sachfragen ringt. Sondern weil Cliquen, Bünde und Länder um Macht und Posten ringen. Genau das ist auch das Problem: Dass die ÖVP, während sie in Bundes- und Landesregierungen sitzt, mehr Energie mit internen Streitereien und Korruptionsskandalen verschwendet, als die Krisen, die fast 9 Millionen Menschen im Land betrifft, zu bewältigen.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1665 Stimmen
    58% aller Stimmen 58%
    1665 Stimmen - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 443 Stimmen
    15% aller Stimmen 15%
    443 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 351 Stimme
    12% aller Stimmen 12%
    351 Stimme - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 267 Stimmen
    9% aller Stimmen 9%
    267 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 134 Stimmen
    5% aller Stimmen 5%
    134 Stimmen - 5% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2860
12. März 2024
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Kontrast Redaktion

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