Ibiza-U-Ausschuss

Kanzler Kurz verschwieg vor U-Ausschuss geheimes Mail-Postfach und zweites Handy

Die Büroleiterin von Sebastian Kurz erwähnte am Donnerstag bei ihrer Befragung im Ibiza-U-Ausschuss, dass ihr Chef neben seinen zwei offiziellen Email-Adressen noch ein „halb-privates“ Postfach habe. Außerdem telefoniere Kurz nie über sein Diensthandy vom Bundeskanzleramt, sondern mit einem privaten Gerät. Beides war dem Ausschuss bisher nicht bekannt, obwohl der Kanzler verpflichtet ist, seine E-Mail und Handy-Korrespondenzen zur Verfügung zu stellen. 

Lisa Wieser ist die persönliche Assistentin von Kanzler Sebastian Kurz, seit er 2011 Integrations-Staatssekretär wurde. Sie hat ihn vom Innen- in das Außenministerium und 2017 ins Kanzleramt begleitet, wo sie seither als Büroleiterin waltet. Ihre Aussagen sorgten im Ibiza-Untersuchungsausschuss für Aufsehen. Denn anders als von ihrem Chef Sebastian Kurz unter Wahrheitspflicht ausgesagt, hat der Kanzler nicht zwei E-Mail-Postfächer, sondern drei. Außerdem verwendet er laut seiner engen Vertrauten nicht das Handy, das ihm vom Bundeskanzleramt zur Verfügung gestellt wurde, sondern ein privates Mobiltelefon, das über die ÖVP angemeldet ist.

Von beiden Kommunikationskanälen erfuhr der parlamentarische Untersuchungsausschuss gestern zum ersten Mal. Dabei ist der Kanzler verpflichtet, dem Ausschuss seine E-Mails und SMS aus dem Untersuchungszeitraum, also die Dauer der türkis-blauen Bundesregierung, vorzulegen. Die Opposition vermutet Kalkül hinter den doppelten Geräten: So könne der Kanzler seine gesamte Kommunikation der parlamentarischen Kontrolle entziehen. Die Oppositionsparteien fordern jetzt, dass dem Ausschuss auch die Mails aus dem „dritten geheimen dienstlichen Postfach“ übermittelt werden, wie es der SPÖ-Fraktionsführer im Ausschuss, Jan Krainer, formuliert.

Dass Kurz den Abgeordneten bisher trotz Berichtspflicht kein einziges Dokument übermittelt hat, ist „ein Skandal für sich“, kritisiert Neos-Fraktionsführerin Stephanie Krisper auf Twitter. Vertrauenswürdig sei ein Kanzler nicht, der so arbeitet.

Wollte Kurz Behörden umgehen?

„Dass der Kanzler ein privates Handy über die ÖVP für seine Kommunikation verwendet, ist ein Bruch sämtlicher internationaler Sicherheitsstandards“, kritisiert SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner. Wie Wieser im U-Ausschuss berichtet, telefonierte er mit seinem privat organisierten Handy nicht nur mit seinen Parteifreunden, sondern auch mit internationalen Staatschefs, wie etwa Angela Merkel.

„Es gibt nicht ohne Grund sicherheitsgeprüfte Diensthandys für den Bundeskanzler und Kurz hat nicht ohne Grund stattdessen ein privates Mobiltelefon verwendet. Wir werden das genau prüfen. Eine parlamentarische Anfrage ist schon in Arbeit, weitere Schritte folgen“, kündigt Einwallner an.

Team Kurz vorm Ibiza-Ausschuss

Lisa Wieser war diese Woche die letzte Auskunftsperson im U-Ausschuss – in einer Woche, die sich ganz dem nahen Umfeld von Sebastian Kurz gewidmet hat. Der junge Kanzler scharte vor seiner Wahl 2017 eine Truppe von ehrgeizigen Konservativen um sich. Das als „Projekt Ballhausplatz“ bekannte Vorhaben umfasste eine minutiöse Planung: Die Gruppe Jung-ÖVPler sammelte Material über politische Kontrahenten (inklusive der „alten ÖVP“), umschmeichelten prominente UnterstützerInnen und warb reiche SpenderInnen an. Mit Erfolg: Kurz stellte so viel Geld auf, dass er die Wahlkampfkosten-Obergrenze von sieben Millionen Euro sprengte. Die ÖVP gab fast doppelt so viel aus wie gesetzlich erlaubt. Millionen kamen von GroßspenderInnen wie der Milliardärin Heidi Horten, den Industriekapitänen Pierer und Ortner, von Versicherungen und Banken.

Doch einen Zusammenhang zwischen Großspenden und politischem Programm streiten die Kurz-Leute im U-Ausschuss ab. Stefan Steiner, Kurz‘ politischer und strategischer Berater, geriet am Mittwoch vor den Abgeordneten im U-Ausschuss geradezu ins Schwärmen über „die Bewegung“. Eine „Begeisterung“ sei durch das Land gegangen, Menschen hätten sich engagiert – und auch gespendet. Beim Vorgehen der ÖVP handle es sich nicht um Gesetzeskauf, sondern um „Einhaltung von Wahlversprechen“, bei Postenbesetzung in staatsnahen Unternehmen nicht um Postenschacher, sondern um „Ausfluss des Wahlergebnisses“ (gemeint ist hier wohl die indirekte Auswirkung der Wahlergebnisse auf die Postenbesetzung in staatsnahen Unternehmen, Anm.). Er schließt aus, dass es Gegenleistungen für Postenbesetzungen oder Gesetze gab.

Bemerkenswert war auch die Aussage von ÖVP-Generalsekretär Axel Melchior. Er war im Kampagnenjahr 2017 in der ÖVP für die Finanzen zuständig. Im Ausschuss erzählte er den staunenden Abgeordneten, es wäre der ÖVP damals „nicht ums Geld gegangen“; die Spenden wären „ein Kampagnentool“, als Teil der großen „Mitmachbewegung“. Die einen hätten Hausbesuche gemacht, die anderen Flyer verteilt und Plakate gebastelt, und die dritten eben gespendet. Horten, Pierer und Ortner wollten offensichtlich nicht basteln. Dass ein ÖVP-Kanzler Vermögenssteuern garantiert verhindert, wird die Spendenlaune wohl auch nicht getrübt haben.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1579 Stimmen
    58% aller Stimmen 58%
    1579 Stimmen - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 416 Stimmen
    15% aller Stimmen 15%
    416 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 333 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    333 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 251 Stimme
    9% aller Stimmen 9%
    251 Stimme - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 126 Stimmen
    5% aller Stimmen 5%
    126 Stimmen - 5% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2705
12. März 2024
×
Von deiner IP-Adresse wurde bereits abgestimmt.
Share
Alina Bachmayr-Heyda

Neue Artikel

Die Familie Lopez aus Haslach: Bestens integriert, trotzdem abgeschoben!

2021 kam die Familie Lopez nach Haslach in Oberösterreich. Die Mutter fand schnell Arbeit als…

2. Mai 2024

Fast eine halbe Million Österreicher haben nicht genug zu essen

Armut in Österreich: Fast eine halbe Million Menschen können sich nicht genug zu essen leisten.…

2. Mai 2024

1. Mai – Seine Geschichte und Bedeutung für unsere Arbeitsbedingungen, Arbeitszeiten und faire Löhne

Am 1. Mai wird auf der ganzen Welt der Tag der Arbeit gefeiert. Der Feiertag…

30. April 2024

Niederösterreich: So halbiert eine rote Gemeinde den Strompreis für alle

In der Gemeinde Trumau wird bald Realität, was sich viele lange erträumt haben: Strom zum…

30. April 2024

Korruption in der FPÖ? Ermittlungen gegen Kickl, Strache & Hofer

Die Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft ermittelt gegen mehrere FPÖ-Politiker:innen. Der Verdacht: Bestechung und Untreue. Herbert Kickl,…

30. April 2024

Andreas Babler’s Herz und Hirn Rede: Hier sind seine 24 Ideen für Österreich

Am 27. April hielt SPÖ-Chef Andreas Babler in Wieselburg seine "Herz und Hirn"-Rede. Darin präsentierte…

27. April 2024