Coronavirus

Kurz hinterlässt Corona-Chaos und die ÖVP scheut unbequeme Entscheidungen in der Krise

Sebastian Kurz hat die Pandemie mehrmals für beendet erklärt und damit das aktuelle Desaster mit verursacht. Die ÖVP hält auch jetzt noch an dem Kurz-Satz fest, dass die Pandemie für Geimpfte beendet sei. Ihrem Parteichef zu widersprechen ist für die ÖVP-Regierungsmitglieder ein No-Go. Das lähmt ihre Handlungsmöglichkeiten. Das Resultat: Steigende Infektionszahlen und Vorbereitungen auf Triage in Spitälern.

Die Voraussetzungen wären gut: Wir haben in Österreich genügend Impfstoff für jeden und jede, in Wien sogar für Kinder ab 5 Jahren. Wir haben erfahrene Virolog:innen und andere Mediziner:innen, die kompetent über das Virus und die Impfung informieren. Wir haben Statistik-Expert:innen, die der Bundesregierungen und den Ländern vorrechnen, was in 7 Tagen oder 7 Wochen passieren kann – abhängig von den politischen Entscheidungen.

Es gibt also genug Wissen und es gibt genügend Impfstoff. Und trotzdem stecken wir nach 20 Monaten noch immer mitten in einer Pandemie fest.

Die Impfrate in Österreich ist die niedrigste in ganz Westeuropa und steigt erst in der letzten Woche wieder deutlich an. Wie kann das sein? Eine ernüchternde Antwort: Weil in Österreich die ÖVP in der Bundesregierung sitzt, die es verabsäumt hat, Impfungen an den Mann und die Frau zu bringen. Und weil dieselbe Partei mehr darüber nachdenkt, wie sie sich und ihre Umfragewerte durch die Pandemie schifft, anstatt sie endlich für uns alle zu beenden.

Dem Virus ist egal, wie oft Kurz die Pandemie für beendet erklärt

Es kommt „eine coole Zeit“ auf uns zu, versprach Kurz im April 2021. „Die Pandemie gemeistert, die Krise bekämpft„, plakatierte die ÖVP im Juli 2021. Kurz wollte sich und die ÖVP feiern lassen für den angeblichen Sieg über Corona. Er gefiel sich in der Rolle des Heilsverkünders. Erst bei den Impfungen, dann vor der Sommerpause als Österreich in Urlaubsstimmung kam. Dass das Impftempo nicht mit den Erwartungen mitgehalten hat, merkten wir schon im März. Dass Expert:innen im Sommer vor der 4. Welle im Herbst warnten, hat die ÖVP ignoriert.

Ab Sommer keine Impfkampagne mehr

Wer sich nicht impfen lässt, wird sich infizieren, und das vielleicht schon in diesem Winter.“ Der renommierte deutsche Virologe Christian Drosten warnte – wie viele andere – schon im Sommer vor der 4. Welle und den Auswirkungen auf die Bevölkerung. Es war kein Geheimwissen: Wenn sich nicht 8 von 10 Österreicher:innen impfen lassen, haben wir ab Herbst ein massives Problem. Was hätte man also tun sollen? Impfungen bewerben – und zwar bei allen Altersgruppen. Bis zum Sommer war das Rote Kreuz für die Impfkampagne in Österreich zuständig. Dann hat man die Kampagne zur „Chefsache“ gemacht und dem Bundeskanzleramt überantwortet. Mit dem Ergebnis, dass der Bund über den Sommer genau nichts gemacht hat.

Die Ausgaben für „Österreich impft“-Inserate waren im Sommer auffällig niedrig. Das belegt nun eine parlamentarische Anfrage der SPÖ-Abgeordneten Julia Herr. Wurden im Mai und Juni 2021 noch 2,4 Millionen bzw. 2 Millionen Euro für Impfkampagnen-Schaltungen ausgegeben, waren es im Juni nur noch knapp über einer halben Million Euro, im August nicht mal mehr 200.000 Euro.

Die Jungen informieren? Fehlanzeige. Als potenzielle „Virus-Überträger“ hat man sie monatelang angesprochen – sie aufgefordert, sich zu beschränken, aus Rücksicht für Oma und Opa. Aber als es darum ging, die Jungen von der Impfung zu überzeugen, weil auch sie Schutz brauchen, blieb die Bundesregierung, allen voran der Kanzler, untätig.

Für Sebastian Kurz und Alexander Schallenberg gilt „ÖVP first“ als Motto in der Pandemie.

Wo wir stehen: 11.000 Neufinktionen pro Tag und Triage-Vorbereitungen in Salzburg

Wir erinnern uns, noch vor wenigen Tagen mockierte sich der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer über Virolog:innen, die angeblich wollen, dass jeder „in seinem Zimmer eingesperrt ist“ und meinte, es gäbe mehr als die „virologische Wahrheit“. Zu diesem Zeitpunkt, es war der 10. November 2021, waren die Intensivbetten in Salzburger Spitälern schon knapp. Jetzt, nicht einmal eine Woche später, mussten die Salzburger Landeskliniken ein 6-köpfiges Triage-Team zusammenstellen. Dieses Team wird künftig entscheiden, für welche Patient:innen es noch eine Intensivversorgung gibt – und für wen nicht.

Da denkt man sich als Bürger:in schon: Ja, die Politik muss schwierige Entscheidungen treffen in einer Pandemie – das ist nicht einfach. Aber noch schwieriger ist es, dass man Gesundheitspersonal in die Situation gebracht hat, direkt über Leben und Tod entscheiden zu müssen, weil es schlicht keine Kapazitäten mehr gibt. Dass man es soweit hat kommen lassen, ist unverantwortlich.


In Österreich infizieren sich gerade etwa 11.000 Menschen jeden Tag neu mit Corona. Binnen einer Woche sind 160 Menschen durch den Virus verstorben.

Empfehlungen von Expert:innen nur dann interessant, wenn sie für die ÖVP bequem sind

Jetzt sind wir mittendrin in der 4. Welle. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein hat einen allgemeinen Lockdown ins Spiel gebracht, um die Infektionszahlen nach unten zu drücken. Das würde Krankenhäuser samt Personal entlasten und generell die Ansteckungsketten in der Bevölkerung unterbrechen. Lockdown-Erfahrung haben wir in Österreich schon. Auch Mitglieder der Corona-Expert:innen-Kommission sind dafür, vor Weihnachten nochmal auf den „Wellenbrecher“ zu setzen. Fünf Bundesländer sind ebenfalls für einen Lockdown vor der Weihnachtszeit.

Doch die ÖVP torpediert das Vorhaben. ÖVP-Schattenkanzler Schallenberg will, wie er es formuliert, „Geimpfte nicht einsperren“. Im Hintergrund mischt Kanzler Sebastian Kurz mit, wie Heute-Chefredakteur Christian Nasser schreibt:

„Denn nun meldete sich erneut der Kanzler zu Wort. „Ein Lockdown für Ungeimpfte reicht“, sagte er und fuhr damit seinem Gesundheitsminister in die Parade, der sich eher an den Rat seiner Experten halten wollte – strengere Maßnahmen bis hin zu einem Lockdown für alle. Schallenberg hörte lieber auf Sebastian Kurz, der einen Lockdown für alle nicht zulassen kann. Der Kanzler im Warteraum, der den Geimpften die endgültige Befreiung vom Joch der Pandemie versprochen hatte, würde damit endgültig sein Gesicht verlieren. An die Expertise der Experten glaubte Kurz schon nicht mehr, als er noch Kanzler war.“

Das heißt also: Man wurschtelt weiter. Weil die ÖVP nichts tun will, was den einstigen Heilsversprechen von Sebastian Kurz widerspricht. „Für Geimpfte ist die Pandemie vorbei“, behauptete Kurz im Juli 2021. Also hat die Pandemie vorbei zu sein – egal ob es stimmt oder nicht. Und wie wir an den Infektionsverläufen sehen, wütet die Pandemie ungebremst weiter. Die ÖVP orientiert sich mehr an der Frage, was dem Image des gefallenen Kanzlers nützt als daran, was uns allen – langfristig – nützt. Wahr muss sein, was Kurz sagt. Sonst verliert dieser sein Gesicht. Und das wieder macht es schwierig, ihn wieder in den Kanzlersessel zu bekommen – abseits von Justizermittlungen und etwaiger Strafverfahren…

Die Corona-Wellen in Österreich im Überblick

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1622 Stimmen
    58% aller Stimmen 58%
    1622 Stimmen - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 429 Stimmen
    15% aller Stimmen 15%
    429 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 342 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    342 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 253 Stimmen
    9% aller Stimmen 9%
    253 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 131 Stimme
    5% aller Stimmen 5%
    131 Stimme - 5% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2777
12. März 2024
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Kathrin Glösel

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