Die Wirtschaftskammer (WKÖ) hat ein peinliches Video in Umlauf gebracht, um für den 12-Stunden-Tag zu werben. Die Kollegen und Kolleginnen von VICE haben es ausführlich analysiert. Nach heftiger Kritik in den Sozialen Medien hat die Kammer die Spots gestoppt. Dort ist Österreich eine heile Scheibenwelt, Plastelien-Männchen freuen sich über längere Arbeitstage. Auf der Homepage präsentiert die WKÖ einen Fakten-Check. 7 Fakten gegen Vorurteile. Blöd nur, dass alle 7 Fakten fake sind.
Drei Monate bevor die Regierung den Entwurf zum 12-Stunden-Tag vorgelegt hat, hat die Wirtschaftskammer die Homepage wirschauenaufoesterreich.at registrieren lassen. Die WKÖ hat offenbar genau gewusst, was im Gesetzestext stehen wird und wie sie das den Beschäftigten verkaufen werden. Mit so heftigen Reaktionen von Seiten der Beschäftigten dürfte die Wirtschaftskammer unter Neo-Präsident Harald Mahrer aber nicht gerechnet haben.
Bei über 2350.000 Aufrufen wurde das Video nur rund 300 Mal positiv, aber 12.750 Mal negativ bewertet. Auch unter Wirtschaftskammer-Funktionären ist Kritik laut geworden. Mittlerweile haben sie beschlossen, das Video doch nicht im TV zu schalten. Ursprünglich hat der Vizepräsident der WKÖ Wien geschätzt, dass die Kampagne samt Video etwa 1 Million Euro kosten wird. Ohne TV-Spots bleiben laut WKÖ-Angaben 500.000 Euro übrig.
So viel Kammergelder für eine teure Werbekampagne für die Arbeitszeit-Reform der Kurz-Regierung auszugeben, ist nicht ganz sauber. Man könnte sich immerhin erwarten, dass zumindest die Behauptungen der WKÖ zum 12-Stunden-Tag stimmen. Doch weit gefehlt. 7 Fakten sind leider 7 Fakes.
Liebe WKÖ: We fixed that for you.
„Ein 12-Stunden-Tag ändert nichts an der 40-Stunden-Woche. Sie haben einfach mehr Freizeit an einem Wochentag oder bekommen die Überstunden ausbezahlt.“
Es ist jederzeit möglich, dass Beschäftigte 60 Stunden die Woche arbeiten müssen, wenn der Chef das will. Laut der zuständigen Ministerin Hartinger-Klein kann man nicht einfach „nein“ dazu sagen. Außerdem werden 1 Millionen Arbeitnehmer mit Gleitzeitverträgen um ihre Überstunden umfallen.
„Die 11. und 12. Arbeitsstunde sind immer Überstunden mit Zuschlag.“
Wer Gleitzeit arbeitet, bekommt durch die verlängerten Durchrechenzeiträume keine Überstundenzuschläge. Jene, bei denen schon vorher die 11. und 12. Stunde möglich war, bekommen diese künftig schlechter bezahlt. In vielen Betriebsratsvereinbarungen wurden diese Überstunden nämlich mit 100 % Zuschlag ausgeglichen – nicht mit den künftigen 50 %. Übrigens: Schon jetzt werden 45 Millionen Überstunden gar nicht bezahlt oder mit Zeitausgleich abgegolten.
„Ablehnen aus überwiegend persönlichen Interessen“ – wie es im Gesetz heißt – ist erst aber der 11. Arbeitsstunde möglich. Die 9. und 10. Überstunde muss ab 2019 nicht mehr zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart werden. Der Chef kann sie einfach festlegen.
„Sie können von ihrem Chef rechtzeitig gebeten werden, Überstunden zu machen, weil es die Auftragslage verlangt.“
Das Wort „gebeten werden“ ist sehr irreführend. Hier geht es um Zwang. Man kann nicht einfach Nein sagen. Das hat die Sozialministerin schon klargemacht. Ablehnen dürfen die Beschäftigten nur „aus überwiegend persönlichen Interessen“ – wie es im Gesetz heißt. Und das ist überhaupt erst aber der 11. Arbeitsstunde möglich. Die 9. und 10. Überstunde kann ab 2019 einfach vom Chef festgelegt werden.
„Genauso wie Sie Verständnis für die Auftragslage ihres Unternehmens haben, hat ihr Chef Verständnis für ihre privaten Termine.“
Dafür gibt es keine gesetzliche Garantie. Wer keinen „verständnisvollen“ Chef hat, hat Pech gehabt. Vereinbarungen mit dem Betriebsrat sind nicht mehr nötig.
„Fast 80 % der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind flexibel und bereit, phasenweise länger zu arbeiten.“
Arbeitnehmer sind schon jetzt flexibel, schließlich leisten sie schon heute viel Überstunden. 45 Millionen Überstunden sind sogar unbezahlt. Dass die Beschäftigten den 12-Stunden-Tag wollen, ist übrigens falsch. Eine Mehrheit der Österreicher ist gegen das geplante Arbeitszeitgesetz.
„Flexible Arbeitszeiten bringen mehr Verdienst (50 % Zuschlag für Überstunden) oder längere Freizeitblöcke.“
Die Regelung bringt für viele weniger Verdienst. Jene, die schon jetzt bis zu 12 Stunden gearbeitet haben, wurden früher meist mit 100 %-Zuschlägen bezahlt. Längere Freizeitblöcke nach mehreren 12-Stunden-Tagen sind nicht im Gesetz vorgesehen. Ob man sie bekommt oder nicht, hängt also vom Good-Will des Chefs ab.
„Die tatsächliche Wochenarbeitszeit Österreichs liegt mit 39,6 Stunden genau im EU-Schnitt.“
Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit in Österreich beträgt 42,8 Stunden. Damit belegen wir EU-weit den zweiten Platz. Nur im von der Krise gebeutelten Griechenland wird mehr gearbeitet.
2021 kam die Familie Lopez nach Haslach in Oberösterreich. Die Mutter fand schnell Arbeit als…
Armut in Österreich: Fast eine halbe Million Menschen können sich nicht genug zu essen leisten.…
Am 1. Mai wird auf der ganzen Welt der Tag der Arbeit gefeiert. Der Feiertag…
In der Gemeinde Trumau wird bald Realität, was sich viele lange erträumt haben: Strom zum…
Die Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft ermittelt gegen mehrere FPÖ-Politiker:innen. Der Verdacht: Bestechung und Untreue. Herbert Kickl,…
Am 27. April hielt SPÖ-Chef Andreas Babler in Wieselburg seine "Herz und Hirn"-Rede. Darin präsentierte…