Wien hat seinen Klimafahrplan präsentiert. Die Stadt wird bis 2040 klimaneutral und setzt Maßnahmen, um die Erderwärmung erträglicher zu machen. Die Stadt bekommt etwa einen neuen Wald. Der Plan ist ambitioniert und funktioniert, attestieren Experten.
In Wien ist der Klimawandel besonders spürbar. Während in ganz Österreich seit den 1970er-Jahren die Temperaturen um etwa zwei Grad gestiegen sind, sind es in Wien drei. In 80 Jahren werden in Wien Temperaturen herrschen wie in der südfranzösischen Metropole Marseille. Das ist das Best-Case-Szenario, wenn es gelingt, den Klimawandel zu bremsen. Schafft die Stadt das nicht, lebt man in Wien in einem Klima wie in Senegals Hauptstadt Dakar. Schon jetzt ist die Erhitzung deutlich spürbar: Zwischen 2015 und 2020 gab es mit 30 Hitzetagen (Tage mit über 30 Grad) bereits drei Mal so viele wie im Zeitraum zwischen 1961 und 1990. Darum setzt die Wiener Klimastrategie nicht nur auf Klimaschutz-Maßnahmen, sondern auch auf Anpassungen.
Oberstes Ziel der Wiener Klimastrategie ist es, bis 2040 als erstes Bundesland klimaneutral zu sein. Um das zu erreichen, will Wien seinen Strombedarf zur Gänze mit erneuerbaren Energieträgern decken und den Anteil an Strom erhöhen, der in der Stadt produziert wird. Dazu werden auf jeden Neubau verpflichtend Photovoltaik-Anlagen installiert. Abfallmengen und Ressourcenverbrauch sollen gesenkt werden. Dazu wird etwa der während der Corona-Krise entwickelte Reparaturbonus ausgebaut.
Auch das Heizen soll in Wien bis 2040 ohne Treibhausgase funktionieren. Wohnungen werden thermisch und energetisch saniert, Heizkessel getauscht, Fernwärme forciert. Keine Wiener Wohnung soll mehr mit Öl oder Gas geheizt werden. Das wird für die Wiener und Wienerinnen in den nächsten Jahren spürbar werden. Nicht nur die Baustellen werden sichtbar sein, das ambitionierte Programm erfordert auch einen Eingriff in tausende Wohnungen. Kosten lässt sich die Stadt das Sanierungsprojekt eine Milliarde Euro im Jahr. Das soll auch wirtschaftliche Auswirkungen mit sich bringen: Die rot-pinke Regierung geht von 15.000 Arbeitsplätzen aus, die so gesichert werden.
Am meisten hat Wien beim Thema Verkehr zu tun, um die Klimaneutralität tatsächlich zu schaffen. 42 Prozent der Emissionen stammen aus diesem Sektor. Bis 2040 sollen sie auf Null fallen und auch der Energieverbrauch pro Kopf beim Verkehr um 70 Prozent sinken. Dazu werden für den Fuhrpark der Stadt ab 2025 keine Benzin- und Dieselfahrzeuge mehr angeschafft. Bis 2040 werden Fahrzeuge wie die Müllautos elektrisch betrieben. Der Einpendelverkehr soll durch Maßnahmen wie das Wien-weite Parkpickerl stark reduziert werden. Parkplätze werden reduziert und die Öffis massiv ausgebaut – etwa mit einem Schnellbussystem. Das Ziel ist ehrgeizig: 2030 sollen nur noch 25 Prozent der Wiener:innen ein eigenes Auto besitzen.
Unangetastet bleibt im Klimafahrplan das Konfliktthema Stadtstraße, obwohl gerade dieses Projekt zu Protesten von Klimaschützer:innen führte. Der Planungsdirektor der Stadt Wien, Thomas Madreiter, verteidigt im Kontrast-Gespräch die Straße:
„Die 3,2 kilometerlange Stadtstraße ist für die Aktivist:innen zu einem Symbol geworden. Doch Klimaschutz ist vielschichtiger als die Gegner:innen der Stadtstraße glauben machen wollen. Bau und Betrieb der Stadtstraße verursachen pro Jahr nur einen minimalen Anteil der gesamten jährlichen CO2-Emissionen der Stadt. So steigt die Länge des Wiener Straßennetzes nur um etwa 0,1 Prozent. Sie ermöglicht aber gleichzeitig klimafreundlichen, kompakten Wohnbau mit geringem Bodenverbrauch und ressourcenschonender Energieversorgung. Und dadurch werden ungleich mehr Emissionen eingespart.“
Trotzdem wird das Projekt von Klimaforschern, wie Daniel Huppmann kritisiert. Insgesamt lobt er jedoch den Klimafahrplan der Regierung:
„Wenn man sich die Zahlen, die heute präsentiert wurden, anschaut, macht das für mich als Wissenschaftler durchaus Sinn. Was auch wichtig ist, ist, dass es nicht nur um die Vermeidung von Co2 sondern auch die Anpassung geht, weil die Temperatur grad in den Städten immer stärker steigt“, erklärt der Mitautor des 1,5 Grad-Berichts des Weltklimarates dem ORF.
Tatsächlich nimmt die Anpassung der Stadt an das veränderte Klima viel Raum in dem 120 Seiten schweren Klimafahrplan der Stadt ein. Das ist auch gut so, denn wenn sich Wien nicht anpasst, müsste man 2050 schon mit knapp 3.000 Hitzetoten pro Jahr in Wien rechnen. Darum soll also nicht nur Wiens Klimabilanz verbessert, sondern auch die Stadt so umgestaltet werden, dass sie trotz Hitze lebenswert ist. Die Maßnahmen sind ehrgeizig und werden das Stadtbild bis ins Jahr 2040 verändern.
Wien wird deutlich grüner. Parkplätze fallen weg, neue Grätzloasen entstehen, städtisches Gärtnern soll gefördert werden. Erklärtes Ziel der Stadtregierung ist es, allen Wiener:innen Zugang zu „qualitätsvollem Grünraum“ innerhalb von 250 Metern zu ermöglichen, heißt es im Papier. Dazu sollen 25.000 neue Bäume gepflanzt werden und neue Parks entstehen. Kleinere Grünflächen und Beschattung durch Bäume in Straßen wirken sich günstig auf das Mikroklima im jeweiligen Grätzl aus. Grünflächen ab rund 2,5 Hektar haben einen Abkühlungseffekt auf das direkte städtische Umfeld.
Größere Flächen haben größere Kühleffekte – ab 50 Hektar wird das stadtweite Mesoklima positiv beeinflusst. Gleich 250 Hektar Grünfläche werden mit dem Projekt „Neue Lobau“ erhalten und zusätzlich bewaldet. Das Areal liegt in der Donaustadt zwischen Aspern und dem Nationalpark Donauauen. Das Gebiet wird derzeit noch überwiegend landwirtschaftlich genutzt. Nun soll dort eine naturnahe Wald- und Wiesenlandschaft mit Spielplätzen, Ruhezonen sowie Rad- und Fußwegen entstehen. Einige landwirtschaftliche Flächen bleiben und werden von der Stadt Wien nach biologischen Richtlinien genutzt.
Wien nützt dabei seinen Startvorteil als Stadt mit derzeit rund 50 Prozent Grünanteil und eigenem Nationalpark: Uferzonen werden durch Umwidmungen vor Bebauung geschützt, Teile von Wiens Wäldern sollen ohne menschlichen Eingriff ganz der Natur überlassen und Fließgewässer renaturiert werden. Natürliche Flüsse, unberührter Wald und zusätzliche Bäume im Stadtgebiet, die tief bis in die Schotterschichten wurzeln, tragen zur Schwammstadt Wien bei. Damit ist die Fähigkeit der Stadt, Wasser im Boden zu speichern und damit Hochwassern entgegenzuwirken, gemeint.
Hier der gesamte Wiener Klimafahrplan zum Download.
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