Veronika Bohrn Mena - Prekäre Arbeit

Das Ende des Anstands: Die Verrohung der Bürgerlichen

Die aktuellen politischen Maßnahmen, der „neue Stil“ der Regierung in Wort und Tat, sind von einer menschfeindlichen Gesinnung getrieben. Es wird Zeit, dass wir das offen ansprechen. Wir müssen es tun, ohne uns selbst zu beschwichtigen: Die Politik dieser Regierung ist zutiefst primitiv. Denn es gibt keine rückständigere Art Politik zu betreiben, als Neid zu schüren, zu hetzen, zu spalten und nach unten zu treten. Genau das betreibt die Regierung unentwegt, während sie davon fabuliert, dass sich „Leistung lohnen“ und „wer mehr einzahlt auch mehr herausbekommen“ müsse.

Die alten Feinbilder der FPÖ sind uns allen bekannt. Sebastian Kurz hat sich ihnen ohne mit der Wimper zu zucken nahtlos angeschlossen: Ausgrenzung und Angstmache gegen Flüchtende und muslimische Österreicherinnen. Wer von der Volkspartei erwartet hat, sich von den rassistischen Ausfällen und Grenzüberschreitungen ihrer Regierungspartner öffentlich abzugrenzen – zumindest um den Schein zu wahren – hat sich offenkundig geirrt.

Aber auch die, die sich von den Freiheitlichen eine „Politik des kleinen Mannes“ erhofft haben, wurden enttäuscht: Die FPÖ hat die Wahlversprechen über Bord geworfen und beschließt ein arbeitnehmerfeindliches Gesetz nach dem anderen. Der 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche, die Kürzung des Arbeitslosengeldes, die Streichung der Notstandshilfe und die radikalen Einsparungen in der Unfall- und Krankenversicherung, die nur zu Lasten der Versicherten gehen können, trägt die FPÖ erhobenen Hauptes mit.

Von 150 Euro pro Monat lässt es sich schließlich locker leben, erklärt die Sozialministerin. Und der FPÖ-Klubchef im Parlament, der jahrelang als nicht-amtsführender Stadtrat fürs Nichtstun bezahlt wurde, diffamiert pauschal alle Arbeitslosen als nicht leistungswillig.

Die Ideologie der Ungleichwertigkeit

Ob es sich um Rassismus, die Missachtung von Frauen, die Verachtung von finanziell schlecht gestellten Menschen, Antisemitismus, Hass auf Homosexuelle, Fremdenfeindlichkeit, um Abwertung von Menschen mit Behinderungen, Langzeitarbeitslosen oder Asylwerbenden handelt – all diese menschenfeindlichen Einstellungen haben eine gemeinsame Wurzel: die Ideologie der Ungleichwertigkeit, laut der nicht alle Menschen den gleichen Wert und den gleichen „Nutzen“ für die Gesellschaft haben.

Den sachlichen Beweis dafür liefert die Studie „Deutsche Zustände“ von Wilhelm Heitmeyer. Sie war die größte und am längsten laufende Befragung zur Erforschung wandelnder Einstellungen über schlechtgestellte und benachteiligte Bevölkerungsgruppen der Welt. Zwischen 2002 und 2011 wurden über 23.000 Personen über ihre Meinung zu Langzeitarbeitslosen, Homosexuellen, Obdachlosen, MuslimInnen, Flüchtlingen, Menschen mit Behinderungen und weiteren Gruppen, die mit Vorurteilen zu kämpfen haben, interviewt.

Das Ergebnis war erschreckend. Schon damals schienen sich „zivilisierte, tolerante, differenzierte Einstellungen in höheren Einkommensgruppen in unzivilisierte, intolerante – verrohte – Einstellungen zu wandeln“. Zudem zeigte sich eine sprunghafte Zunahme rechtspopulistischer Einstellungen, vor allem in Milieus mit höheren Einkommen ab 2.598 Euro pro Monat.

„Insbesondere höhere Einkommensgruppen verweigern schwachen Gruppen ihre Unterstützung.“, lautete das Urteil der Forschungsgruppe.

Den Wohlhabenden gehe es nur mehr um die Sicherung und Steigerung der eigenen Privilegien und das wird auch „durch die Abwertung volkswirtschaftlich etikettierter Nutzloser“ erreicht. Konkret zeigte sich das in folgenden Ergebnissen:

  • 2011 waren in Deutschland 37 Prozent der Bevölkerung der Meinung, dass bestimmte soziale Gruppen „nützlicher“ sind als andere und fast 30 Prozent fanden, dass die Gesellschaft sich „weniger nützliche Menschen nicht leisten kann“.
  • 2010 unterstellten 47 Prozent der Befragten, dass die meisten Arbeitslosen nicht wirklich daran interessiert seien, einen Job zu finden. 59 Prozent fänden es empörend, wenn Langzeitarbeitslose sich auf Kosten der Gesellschaft ein bequemes Leben machten.

Erfolg statt Leistung

Wie würden die Ergebnisse dieser Studie wohl erst im Jahr 2018 ausfallen, nach weiteren sieben Jahren der Stimmungsmache und Abwertung durch AfD und FPÖ, aber CSU und Teilen der ÖVP?

Eine traurige Vorahnung liefert eine aktuelle Spiegel Umfrage, wonach ganze 68 Prozent der Deutschen eine deutliche Verrohung in der politischen Debatte sehen. Auf die Frage „Gibt es aktuell einen Rechtsruck in der deutschen Politik?“ antworteten 67 Prozent: „Ja, den gibt es.“ Nur 27 Prozent widersprachen dieser Einschätzung. In Österreich, wo die Grenzen des Sagbaren ebenso wie des Machbaren ohne politische Folgen noch viel weiter sind, kann das Ergebnis nicht weniger fatal ausfallen.

Dabei geht es unserer Regierung keineswegs um eine Entlastung von Leistungsträgern. Nicht die Tüchtigen werden belohnt, sondern einzig und alleine die Privilegierten.

Während Arbeitende, Berufseinsteiger, Studierende, Alleinerziehende und schlechter Bezahlten durch die Finger schauen, werden Wohlhabende, Erbende und Großindustrielle übermäßig bevorzugt.

Spätestens jetzt muss folglich die Zeit erreicht sein, in der sich tatsächlich Christlich-Soziale und Konservative mit Anstand und sozialem Gewissen, wie etwa Christian Konrad und andere gegen den menschenfeindlichen Kurs ihrer Parteiführung erheben müssen. Wer diese skrupellos unsoziale Politik der Regierung in der ÖVP noch weiter mitträgt, macht sich mitschuldig und muss sich ernsthaft mit dem eigenen Gewissen auseinandersetzen. Denn all die Mitlaufenden tragen genauso Verantwortung, auch wenn sie nur aus reiner Autoritätshörigkeit handeln – wie es ihnen Jahrzehntelang gelernt wurde.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1810 Stimmen
    58% aller Stimmen 58%
    1810 Stimmen - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 480 Stimmen
    15% aller Stimmen 15%
    480 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 370 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    370 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 287 Stimmen
    9% aller Stimmen 9%
    287 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 156 Stimmen
    5% aller Stimmen 5%
    156 Stimmen - 5% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 3103
12. März 2024
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