Arbeit & Freizeit

Mehr Druck auf Arbeitslose: Regierung startet den Angriff auf ArbeitnehmerInnen

ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher will mehr Druck auf Arbeitslose ausüben. In der „ZIB2“ am Sonntag kündigte Kocher an, dass Arbeitslose, die Jobs nicht annehmen, Kürzungen beim Arbeitslosengeld oder der Notstandshilfe fürchten müssen. Das ist ein Angriff auf den Sozialstaat und die Arbeitnehmer*innen.

An Arbeitgeber, die sich schwer tun, Fachkräfte zu finden, hat der US-Präsident Joe Biden eine einfache Botschaft gerichtet: Pay them more! (Zahlen Sie ihnen mehr). Österreichs Arbeitsminister hat eine andere Botschaft: Wir zwingen die Arbeitslosen mit Druck und Sanktionen schlechte Stellen anzunehmen. Als vor einigen Wochen BäckereibetreiberInnen und Gastronomen in Österreichs Medien zu klagen begonnen haben, dass sie kaum BewerberInnen finden, entstand schnell auch ein anderes Bild: ArbeiterInnen in Bäckerein, die für 60 Stunden 1.300 Euro netto bekommen und von einem Tag auf den anderen gekündigt werden können. Das sind Arbeitsbedingungen, die dürfte es nicht geben.

Auch UnternehmerInnen wie der Gastronom und ehemalige Neos-Politiker Sepp Schellhorn sagt im Interview mit dem Falter kürzlich:

„Ich halte nichts von weiteren Zumutbarkeitsverschärfungen. Es bringt ja nichts, wenn ich jemandem sage, wenn du in Linz wohnst, ist das dein Problem, du bist jetzt bei mir eingeteilt, fahr jeden Tag vier Stunden hin und her“.

Kocher greift Kampagne gegen Arbeitslose auf

Doch Österreichs Arbeitsminister Kocher greift die Kampagne gegen Arbeitslose auf. Im ZIB2 Interview am Sonntag ist kein Wort zu Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen von ihm zu hören: „Das Arbeitslosengeld oder die Notstandshilfe können bei der Verweigerung einer zumutbaren Arbeit sechs Wochen, im Wiederholungsfall 8 Wochen lang gestrichen werden“, heißt es aus dem Arbeitsministerium. Kocher stellt sich auf die Seite der Bäckereien und Wirte, die nichts an den Löhnen und Arbeitszeiten ändern wollen – dann muss sich der Zwang für Arbeitslose erhöhen.

Die BäckerInnen, KellnerInnen und KöchInnen, die zu Beginn der Krise von ihren ArbeitgeberInnen ohne Schulterzucken auf die Straße gesetzt wurden, sollen jetzt zurück gezwungen werden – 1.500 Euro brutto, 6-Tage-Woche und Schichtarbeit. Ansprüche dürfen sie keine stellen.

Hilfe für die, die sie wirklich brauchen

Besonders in Bereichen mit hohem Arbeitskräftemangel wie dem Tourismus, will Kocher durch „konsequentere Vermittlung“ Arbeitslose in Jobs drängen. Während der Corona-Phase sei man in Österreich nachsichtig gewesen, meinte der Arbeitsminister. Das soll sich jetzt ändern, „Missbrauch“ müsse man bekämpfen.

„Wir müssen sicherstellen, dass die Mittel im Budget für die verwendet werden, die das wirklich brauchen“, sagt Kocher in einer Pressekonferenz am Montag. 

Einige Wirtschaftshilfen werfen die Frage auf, ob sie der Empfänger wirklich benötigt: Warum etwa der Milliardär und KTM-Chef Stefan Pierer die Vorstandsgagen 2020 um 30 Prozent auf sechs Millionen erhöht, sich selbst sieben Millionen Euro Dividende auszahlt und dennoch 11 Mio. Euro Corona-Hilfe bekommt, muss er nicht erklären. Kein einziges Mal hat ein österreichischer Minister kritisiert, dass Konzerne über die Maßen von Staatshilfen profitiert haben, weil sie für jede Filiale oder jedes Hotel separat um Zuschüsse ansuchen konnten. So wurde in einigen Fällen der Förder-Deckel von 800.000 Euro weit überschritten. Oder dass US-Ketten wie Starbucks 280 Mal mehr vom Staat durch Corona-Hilfen bekamen als die Kaffee-Kette Steuern in Österreich zahlt.

Arbeitslose leben von rund 980 Euro im Monat

Anders als Pierer und Co. kommen schon jetzt viele Arbeitslose kaum über die Runden. Das Arbeitslosengeld liegt bei nur 55 Prozent des letzten Einkommens, durchschnittlich bekommt ein Arbeitsloser 980 Euro, die Schwelle zur Armutsgefährdung liegt bei 1.286 Euro pro Monat.

Andere europäische Staaten wie die Schweiz (79 %), Portugal (76 %), Dänemark (74 %) oder die Niederlande (74 %), haben deutlich höhere Nettoersatzraten. Selbst bei einer sehr langen Arbeitslosigkeit von 24 Monaten haben Frankreich (64%), Belgien (65%) und Dänemark (83%) höhere Sätze.

Kocher will Kürzungen bei längerer Arbeitslosigkeit

Seit Monaten fordern die SozialdemokratInnen, Gewerkschaft und Arbeiterkammer, das Arbeitslosengeld zu erhöhen. Auch die Grünen haben anfangs Zustimmung signalisiert. Doch der neue Arbeitsminister Martin Kocher, will Arbeitslose lieber durch finanzielle Not zwingen, in schlechten Jobs zu arbeiten. Das passt zu einem Restaurantbesitzer im 8. Wiener Bezirk, der unlängst im ORF-Wirtschaftsmagazin eco davon träumte, das Arbeitslosengeld auf 400 Euro zu senken. Dann würden die Leut schon arbeiten gehen.

Kocher stellt im Interview erneut ein degressives Arbeitslosengeld in Aussicht, mit der Dauer der Arbeitslosigkeit soll das Arbeitslosengeld gekürzt werden. Deutschland hat gezeigt, wie eine starke Degression beim Arbeitslosengeld den Billiglohnsektor stärkt. Geht es den Menschen sehr schlecht, nehmen sie auch schlecht bezahlte Jobs mit miserablen Arbeitsbedingungen an. Das schafft nicht nur einen riesigen Niedriglohnsektor, sondern schwächt insgesamt die Verhandlungsposition der ArbeitnehmerInnen. Denn wenn sie sich weigern, zu schlechten Bedingungen zu arbeiten, heuert die Firma andere, verzweifelte Arbeitssuchende an.

Viele müssen schon jetzt für Dumping-Löhne arbeiten

Skandale wie jener um die Hygiene Austria zeigen, dass es auch in Österreich genügend Arbeitssuchende gibt, die bereit sind, zu Dumping-Löhnen zu arbeiten. Zwischen sechs bis acht Euro hat der Stundenlohn laut ehemaligen ArbeiterInnen bei Hygiene Austria betragen – auch Sicherheitsvorkehrungen hätten bei den Maschinen gefehlt, doch viele haben das Geld gebraucht.

Die Gewerkschaft fordert, bei öffentlichen Ausschreibungen jene Firmen zu bevorzugen, die Langzeitarbeitslose beschäftigen und Frauen besonders fördern – das will Kocher wiederum nicht. „Das ist im Moment jetzt auch nicht mein Thema,“ sagt Kocher dazu.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 59%, 1554 Stimmen
    59% aller Stimmen 59%
    1554 Stimmen - 59% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 404 Stimmen
    15% aller Stimmen 15%
    404 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 328 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    328 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 243 Stimmen
    9% aller Stimmen 9%
    243 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 120 Stimmen
    5% aller Stimmen 5%
    120 Stimmen - 5% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2649
12. März 2024
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Patricia Huber

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