In den kommenden Wochen entscheidet sich, ob Europa in Zukunft das Pflanzengift Glyphosat komplett verbietet. Bemerkenswert: Die ÖVP hat zuletzt so getan, als wäre sie ohnehin für ein Verbot – im Europäischen Parlament stimmt sie trotzdem nicht für den Ausstieg.
Das Europäische Parlament (EP) will das endgültige Aus für das Pflanzengift Glyphosat. Am Dienstag haben die Europaabgeordneten mit Mehrheit eine Resolution beschlossen, wonach das Herbizid, das im Verdacht steht, Krebs erregend zu sein, komplett vom Markt verschwinden muss. Der Ausstieg soll demnach sofort beginnen und binnen fünf Jahren abgeschlossen sein.
Wer hat für das Aus gestimmt? Von den österreichischen EU-ParlamentarierInnen die SPÖ und die Grünen. Die ÖVP hat die Resolution nicht unterstützt und sich enthalten. ÖVP-Generalsekretärin und EU-Abgeordnete Elisabeth Köstinger meinte gar, dass in der Glyphosat-Frage „nicht Politiker sondern Experten entscheiden“ sollten. Dagegen gestimmt hat auch die FPÖ im EP. Nun ist die Abstimmung im EP zwar ein wichtiges politisches Signal, aber rechtlich nicht bindend.
Wie es mit dem Pflanzengift tatsächlich weitergeht, entscheidet sich im sogenannten Komitologieverfahren, also in einem Fachausschuss, in dem alle Mitgliedstaaten vertreten sind. Ein verbreiteter Irrtum dabei: Hier träfen Fachleute ganz unabhängig die Entscheidung. So wollte sich der zuständige ÖVP-Landwirtschaftsminister aus der Verantwortung stehlen. Er hat gesagt: „Es ist eine rein fachliche Beurteilung, die jetzt von den zuständigen Fachexperten wahrgenommen wird. Da hat die politische Ebene keine Vorgaben zu geben.“
Die Wahrheit ist, die VertreterInnen der Mitgliedstaaten stimmen dort so ab, wie sie von ihren Ländern, genauer gesagt, den zuständigen Ressorts angewiesen sind abzustimmen. Es ist undenkbar, dass ein österreichischer Beamter sich in so einer kritischen Frage ohne Weisung auf den Weg nach Brüssel macht. Rupprechter wollte die Verantwortung für die von ihm gewünschte Verlängerung der Zulassung einfach nicht übernehmen. Deswegen war es auch so wichtig, dass der Nationalrat den Minister in dieser Frage an ein bestimmtes Abstimmungsverhalten gebunden hat – nämlich dass Österreich für ein Totalverbot eintreten muss.
Am Mittwoch sollte diese Abstimmung im Fachausschuss über die Bühne gehen. In der Sache geht es darum, dass Glyphosat derzeit in der EU befristet zugelassen ist. Die Frist läuft mit 15. Dezember ab. Wenn es bis dahin keinen Beschluss über eine weitere befristete Zulassung gibt, ist das Herbizid nach einer eineinhalbjährigen Übergangsphase verboten. Das will freilich die Kommission (und eine mächtige Lobby aus Agrarindustrie und Agrarchemiekonzernen) nicht. Ihr Vorschlag, die Zulassung um zehn Jahre zu verlängern, fand allerdings keine qualifizierte Mehrheit im Ausschuss.
Gegen eine Neuzulassung um zehn Jahre sprachen sich Österreich, Frankreich, Italien, Belgien, Schweden, Griechenland, Kroatien, Slowenien, Malta und Luxemburg aus. Deutschland und Portugal enthielten sich. Dann wird’s ein bisschen kompliziert. Weil aus der Tatsache, dass der Vorschlag keine Zustimmung mit qualifizierter Mehrheit bekommen hat, folgt nicht, dass er damit abgelehnt ist. Das wurde extra abgestimmt – und auch für eine Ablehnung gab es keine qualifizierte Mehrheit.
Daraufhin verschob die Europäische Kommission die endgültige Abstimmung um ein weiteres Mal. Voraussichtlich am 6. November plant die Kommission einen neuen Anlauf, mit einem bis dahin vermutlich abgeänderten Vorschlag (z.B. Verlängerung der Zulassung um fünf statt zehn Jahre). Österreich wird dank des Beschlusses im Parlament natürlich weiterhin für ein Totalverbot stimmen.
Umweltorganisationen zeigten sich nach der Abstimmungsniederlage der Glyphosat-Befürworter zuversichtlich, dass die Zeit für dieses Pflanzengift in Europa abgelaufen ist, wie Global 2000 sagt. Und Greenpeace spricht von einem „weiteren Zwischenerfolg auf dem Weg zu einem Europa ohne Glyphosat“.
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