Im Juli 2019 hat das Parlament auf Antrag der SPÖ ein Glyphoast-Verbot für Österreich beschlossen. Österreich wäre damit das erste Land in der EU, das Glyphosat verbietet. Kanzlerin Bierlein wollte das Gesetz wegen Formalfehlern nicht in Kraft setzen – obwohl die EU auf ihr Einspruchsrecht verzichtete. Nun – sechs Monate später – bricht die Blockade der ÖVP und das Gesetz wird auf EU-Ebene eingebracht.
Das Pestizid Glyphosat ist weit verbreitet – und gefährlich für Tiere und Menschen. Wie wirkt der Schädlingsbekämpfer? Wie schädlich ist es für Menschen, für Bienen? Und wieso ist auch die Bio-Landwirtschaft gefährdet? Antworten auf diese Fragen und mehr könnt ihr hier nachlesen!
Das Glyphosat-Verbot hat in Österreich eine nicht enden wollende Geschichte. Am 12. Juni 2019 hat das Parlament einen sogenannten Fristsetzungsantrag der SPÖ zum Verbot mehrheitlich angenommen. Es sah so aus, als würde in der Parlamentssitzung im Juli 2019 ein Verbot beschlossen werden.
Doch wenige Tage vor der Sitzung arbeiten ÖVP und FPÖ einen Deal aus: Sie beantragen ein verwässertes Verbot von Glyphosat – mit zahlreichen Ausnahmen. Die Interessen des Monsanto-Konzerns und der kommerziellen Landwirtschaft stellten ÖVP und FPÖ über die Interessen von Umwelt und Gesundheit. Das Pestizid konnte also weiterhin in Österreich verkauft und eingesetzt wird.
Am 2. Juli wurde das Verbot im freien Spiel der Kräfte mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und JETZT beschlossen. Die Europäische Kommission hat von ihrem Veto-Recht keinen Gebrauch gemacht. Damit wäre das Gesetz am 2. Dezember in Kraft getreten. Allerdings hat sie die fehlende Notifizierung beanstandet. Denn das Gesetz hätte bereits als Entwurf an die Kommission geschickt werden müssen – das ist aber nicht passiert.
Diesen Formfehler nahm damals Kanzlerin Bierlein zum Anlass, das Gesetz nicht kundzutun – womit es nicht in Kraft treten konnte. Obwohl Bierlein betont, es handle sich um einen formaljuristischen Akt und nicht um eine inhaltliche Bewertung des Gesetzes, folgt prompt scharfer Gegenwind aus dem Parlament: „Die von der Bundeskanzlerin angekündigte Vorgangsweise entspricht in keiner Weise der Staatspraxis und ist als völlig überschießend zu bezeichnen“, sagte der stellvertretende SPÖ-Klubvorsitzende Jörg Leichtfried. Bierlein habe mit ihrer Vorgangsweise ihre verfassungsmäßigen Kompetenzen überschritten. Die SPÖ brachte erneut einen Antrag ein, damit das Verbot nun doch kommen kann. Dagegen stimmte nur die ÖVP.
Seither passierte nichts. Auch die Grünen brachten in der Regierung das Glyphosat-Verbot nicht auf den Weg. Die SPÖ und die Zivilgesellschaft versuchten über ein halbes Jahr hinweg, Druck aufzubauen. Nun kündigten der stv. SPÖ-Klubvorsitzende Jörg Leichtfried gemeinsam mit Cornelia Ecker (Landwirtschaftssprecherin) und Julia Herr (Umweltsprecherin) eine Presskonferenz an. Man wolle Druck machen, damit das Gesetz endlich von der EU genehmigt werden kann.
„Seit sieben Jahren kämpfe ich für das Glyphosatverbot und ganz überraschend wurde heute früh unser Antrag zur Notifizierung nach Brüssel geschickt“, freut sich Ecker. Damit kann im Juni ein endgültiges nationales Glyphosatverbot im Parlament beschlossen werden.
Glyphosat ist das weltweit am stärksten eingesetzte Pestizid, also ein Schädlingsbekämpfungs-Mittel. Es wirkt allerdings auch als Herbizid: Es tötet jede Pflanze, die nicht gentechnisch so verändert wurden, dass sie den Glyphosat-Einsatz überlebt.
Wirkung: Glyphosat gelangt über Blätter, Samen und Wurzeln in die Pflanzen. Es lässt sich weder abwaschen noch durch Hitze oder Kälte abbauen. Futtermittel, die mit Glyphosat bespritzt wurden, enthalten den Giftstoff noch ein Jahr lang – und gelangen so auch in den Körper von Tier und Mensch.
Hersteller und Verbreitung: Die Firma Monsanto hat im Jahr 1969 die Eigenschaften von Glyphosat patentiert. Das Mittel kam unter dem Namen „Roundup“ auf den Markt und wird also solches häufig verkauft. Glyphosat-Produkte werden mittlerweile von mehr als 40 Herstellern vertrieben.
Einsatz: Glyphosat wird unter anderem in der Landwirtschaft, im Gartenbau, der Industrie und in Privathaushalten eingesetzt. Auch in Österreich: Laut Schätzungen werden bis zu 90% des Wirkstoffes in Österreich in der konventionellen Landwirtschaft und in der Forstwirtschaft eingesetzt.
Glyphosat wird an Pflanzen angewendet, bleibt jedoch nicht dort. Es gelangt über Umwege in unseren Körper – beispielsweise über den Verzehr von Pflanzen und Tieren. Das Umwelt-Netzwerk Friends of he Earth hat Tests durchgeführt und Urinproben von über 180 Menschen aus 18 Ländern in einem unabhängigen Labor untersuchen lassen. Das Ergebnis: In 45 Prozent aller Proben wurde Glyphosat nachgewiesen, in Malta in 90 Prozent der Proben, in Mazedonien in 10 Prozent.
In Österreich wurde eine Belastung mit Glyphosat in 30 Prozent der Harnproben nachgewiesen.
Es gibt viele Untersuchungen über die Verbreitung und die Folgen von Glyphosat für den Menschen. Hier ein paar Beispiele kurz zusammengefasst:
Eine Studie von TIEM Integrierte Umweltüberwachung hat untersucht, wie sich Glyphosat durch die Luft verbreitet. Das Ergebnis: Glyphosat wird auch über den Luftweg – und auch abseits von Feldern – transportiert. Das ist auch der Grund, warum sogar Produkte aus Bio-Anbau glyphosat-belastet sein können. Für Bio-Landwirte kann das existenzbedrohend werden.
In Österreich wird Bio-Landwirtschaft gefördert – weil es wünschenswert ist, dass Produkte ohne Spritzmittel behandelt und Tiere nicht mit künstlich angereicherten Stoffen gefüttert werden. Das Ziel ist, dass der Anteil von Biolandwirtschaft an der gesamten Landwirtschaft steigt.
2018 gab es in Österreich fast 23.500 Bio-Betriebe. Etwa 20% des in Österreich angebauten Gemüses ist bio. Rund 22 % der Rinder, 33 % der Schafe und mehr als die Hälfte der Ziegen in Österreich werden auf Biobetrieben gehalten. Damit ist Österreich auch weltweit Vorreiter im biologischen Anbau.
Um nun Förderungen für Bio-Landwirtschaft zu bekommen, muss man strenge Auflagen erfüllen. Produkte von Biobauern dürfen keine Rückstände von Pestiziden aufweisen. Das wird streng kontrolliert. Gelangen jedoch Spuren von Glyphosat über die Luft auch auf Bio-Äcker und Bio-Höfe, gefährdet das die Reinheit der Bio-Erzeugnisse.
„Wird bei einer solchen Kontrolle ein Pestizid nachgewiesen, kann das für den Biobetrieb existenzbedrohend werden und zum Verlust der Bio-Zertifizierung führen – was die Rückzahlung von Förderungen und den Verlust der AbnehmerInnen zur Folge hat und im wirtschaftlichen Ruin enden kann“, erklärt Global 2000 in einem Bericht.
Das Insektensterben der letzten Jahre wird für Natur und Landwirtschaft zum Problem. Seit den 1980er Jahren sind 75% der Insektenmasse verschwunden. Es fehlt an Bienen und Hummeln – die wiederum für das Bestäuben und Wachsen von Pflanzen wichtig sind.
Glyphosat wird auch als eine der Ursachen speziell für das Bienensterben angesehen. Nehmen Bienen Glyphosat auf, zerstört ein Enzym-Blocker im Pestizid die Darmflora der Bienen. Sie wachsen nicht mehr so gut und ihr Immunsystem ist geschwächt.
„Wir fanden, dass (…) der Kontakt mit Glyphosat im frühen Stadium der Darmbesiedlung die Sterblichkeit von Bienen erhöhte“, fassen Studienautoren zusammen.
Insgesamt ist das deutsche Umweltbundesamt zur Schlussfolgerung gekommen, dass Glyphosat insgesamt schädigend für die Artenvielfalt ist. Schmetterlinge, Bienen, andere Insekten oder auch Feldvögel sind durch einen massiven Verlust von Nahrungshabitaten stark betroffen.
Nach langen Diskussionen unter den Mitgliedstaaten der EU wurde Glyphosat im Dezember 2017 mit einer sehr knappen Mehrheit für weitere 5 Jahre in der Europäischen Union zugelassen.
Aus Österreich stimmten SPÖ und Grünen für das Aus. FPÖ und NEOS stimmten dagegen, die ÖVP hat sich enthalten.
Glyphosat ist in der EU auf Grundlage einer Risikobewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zugelassen. Doch der Behörde wurde vorgeworfen, die Studien, auf die sie sich dafür berufen, zu verheimlichen. Das Europäische Gericht (EuGH) hat nun entschieden, dass die EFSA ihre Quellen, auf die sie sich berufen hat, offenlegen muss. Der Schutz der Unternehmensinteressen, der als Begründung für die Geheimhaltung durch die EFSA angeführt worden war, wurde als nebensächlich erklärt.
Die ÖVP schlug sich im EU-Parlament bei der Glyphosat-Frage auf die Seite von Monsanto – und das gleich 4 Mal:
Noch immer setzen 2 von 3 Gemeinden in Österreich Glyphosat ein. Das sind 1.394 von 2.095 Gemeinden. Doch immer mehr Gemeinden verzichten auf Glyphosat. Kärnten hat 2019 ein Verbot von Glyphosat-Verwendung für private Nutzer beschlossen und will das Pestizid so einschränken. Landwirte und Gärnter dürfen es nach wie vor verwenden.
In drei verschiedenen Fällen haben US-Gerichte geurteilt, dass das Glyphosat-Mittel Roundup der Bayer-Tochter Monsanto ein „erheblichen Faktor“ bei der Entstehung der Krebserkrankung sei. Laut jüngstem Urteil muss Monsanto 1,78 Mrd. Euro Schadensersatz an ein über 70-Jähriges Ehepaar zahlen, das an Lymphdrüsenkrebs erkrankt ist. Beide hatten jahrelang Glyphosat in ihrem Garten verwendet. Aktuell sind etwa 13.400 Klagen anhängig,
Aus einem Verfahren – Pilliod vs. Monsanto – sind bemerkenswerte Aussagen öffentlich geworden. Der Anwalt hat in seinem abschließenden Plädoyer die Jury aufgefordert, zusätzlich zum Strafschadenersatz eine Botschaft an Monsanto und Bayer zu senden, damit diese ihre Praktiken ändern. Die Botschaft lautete wie folgt:
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