Der Machtpolitiker Kurz spielt im U-Ausschuss das Opfer

Bundeskanzler Sebastian Kurz trat am Donnerstag zum zweiten Mal im Ibiza U-Ausschuss auf, bei dem die ÖVP in den Fokus gerückt ist. Seine rhetorischen Tricks und die Ablehnung des parlamentarischen Kontrollgremiums waren dreist. Sein Wille zur Aufklärung war klein. 

Der Skandal rund um die Bestellung von Thomas Schmid zum Chef der österreichischen Staatsbeteiligungen (ÖBAG) ist für Sebastian Kurz unangenehm. Schmids Chats belasten auch den Kanzler, denn dort kann man nachlesen, dass auch Kurz in der Posten-Vergabe an Schmid involviert war. Bei seiner letzten Befragung im Untersuchungsausschuss hatte sich Kurz bemüht, das Gegenteil zu zeigen – die Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt wegen des Verdachts auf Falschaussage, weil das den Chats widerspricht.

Bei seiner zweiten Befragung im U-Ausschuss sagt Kurz zum Vorwurf der Falschaussage: Nein, er habe nicht falsch ausgesagt und trage auch keine Verantwortung. Nein, vielmehr habe er den Fehler gemacht, zu unbedarft und offen auf Fragen geantwortet zu haben. Im Ausschuss habe eine aufgeheizte Stimmung samt Zwischenrufen geherrscht. Er sei unter Druck gesetzt worden. Außerdem hätten ihn Abgeordnete angezeigt und damit verhindert, dass er beim zweiten Mal offen antwortet.

Doch wer sich erinnert, weiß: Kurz war bereits bei seiner ersten Befragung im Ausschuss ausweichend und polemisch. 

Unterstellungen gegenüber dem U-Ausschuss

Der SPÖ-Abgeordnete Jan Krainer schlägt daher vor, die Stelle aus der ersten Befragung nachzuhören, die das Magazin Zackzack veröffentlich hat – um einen Eindruck von der Atmosphäre zu bekommen. Er will so die Schilderungen von Kurz widerlegen. Die ÖVP ist dagegen. Daraufhin kam es zu einer Geschäftsordnungsdebatte, die Aufnahme darf abgespielt werden. Man hört eine ruhige Befragung – kein einziger Zwischenruf ist zu hören. Ob Kurz das mit der aufgeheizten Stimmung meinte, fragt ihn Krainer anschließend. Doch der Ausschussvorsitzende Wolfgang Sobotka (ÖVP) lässt die Frage nicht zu.

Schon im Eingangsstatement beginnt Kurz mit einem Angriff auf die Abgeordneten: Der Kanzler wirft dem Ausschuss „Hass“ und eine „vergiftete Stimmung“ vor. Er sieht sich als Opfer einer irrationalen, emotionalen Opposition.

Aus einem ganz normalen Vorgang in einer Demokratie, nämlich der Befragung im U-Ausschuss, macht Kurz eine Gefühlssache: Man soll nicht denken, sondern mit ihm mitfühlen.

Der Machtpolitiker Kurz inszeniert sich als Opfer

Tatsächlich hat kaum jemand so eine Machtkonzentration in der Republik aufgebaut wie Kurz im Kanzleramt. Aber wenn Kurz spricht, könnte man meinen, der ÖVP-Chef sei da irgendwie unschuldig reingeraten. Als wäre er kein kalkulierter Medien- und Politstratege, sondern ein armes Opfer einer mächtigen Opposition.

Das gilt auch in Bezug auf die Justiz: Kurz macht seit Monaten Stimmung gegen die Justiz, etwa in dem berüchtigten Hintergrundgespräch, in dem er von „roten Netzwerken“ sprach, die die Justiz instrumentalisieren würden. Verfassungsrechtler wie Heinz Mayer werten das als „schweren Angriff auf die Justiz“, für die Kurz keinen einzigen Beweis vorgelegt hat

Aber selbst hier schafft Kurz es, sich zum Opfer zu machen. Diesmal sind die „Verteidiger der Justiz“ – man denkt etwa an das aktuelle Anti-Korruptionsvolksbegehren – schuld. Denn wenn sich andere demonstrativ „hinter die Justiz stellen“, entstehe der Eindruck, er würde die Justiz pauschal kritisieren – die Verteidiger der Justiz sind schuld, nicht der Kritiker.

Das findet Kurz „schade“. Er will einzelne Institutionen (konkret die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die gegen ihn und Blümel und andere ÖVP-Politiker ermittelt) kritisieren können, ohne sich den Vorwurf eines „Kritikers der Justiz“ gefallen lassen zu müssen. 

Falls einem von den Verdrehungen jetzt schon schwindelig ist, bitte festhalten! Denn es wird  noch dreister: Kurz vergleicht seine Angriffe auf die WKStA mit Kritik an der Katholischen Kirche nach den Missbrauchsskandalen: „Man kann ein sehr guter Gläubiger sein und dennoch die Kirche kritisieren.“ 

Böse sind immer die anderen

Und diese Vergleiche, deren einziger Sinn die Vernebelung und das Säen von Zweifeln ist, werden dann immer mehr: Die ÖVP bekam Großspenden in einmaliger Höhe und stückelte sie in Tranchen, um Meldepflichten zu umgehen. Gegen den Finanzminister wird wegen Bestechlichkeit ermittelt, aber Kurz wechselt den Schauplatz: Auch bei der SPÖ, er nennt sie „die Roten“, redet die Gewerkschaft mit, bei den Grünen die NGOs.

Den Zusammenhang sucht man vergeblich. Dass die Interessen von vier Milliardären nicht das Gleiche sind wie die von vier Millionen ArbeitnehmerInnen, ist das eine. Dass es in einem Fall um den Vorwurf der Bestechlichkeit geht, im anderen um normale politische Repräsentation, das Eigentliche.

Kurz versteckt im U-Ausschuss seine hemmungslos aggressive Machtpolitik, in der alles kalkuliert ist, hinter einer naiv-ahnungslosen Opferrolle – Beschädigung von Parlament und Justiz inklusive. Wer ihm das noch glauben soll, weiß man nicht. Man wird sehen, was morgen in den Zeitungen steht.

Kaum jemand hat so viel Machtkonzentration aufgebaut wie Sebastian Kurz.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 59%, 1476 Stimmen
    59% aller Stimmen 59%
    1476 Stimmen - 59% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 382 Stimmen
    15% aller Stimmen 15%
    382 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 309 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    309 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 220 Stimmen
    9% aller Stimmen 9%
    220 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 4%, 110 Stimmen
    4% aller Stimmen 4%
    110 Stimmen - 4% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2497
12. März 2024
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Patricia Huber

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