Über 100.000 junge Menschen absolvieren in Österreich derzeit eine Lehre. Die Zahl der Lehrlinge ist dabei im Jahr 2018 zum ersten Mal seit längerem wieder gestiegen. Die Regierung Kurz I betonte laufend, dass der Mangel an Fachkräften eine wichtige Problemstellung für die österreichische Wirtschaft darstellt. Real macht Schwarz-Grün nicht viel für die Lehrlinge.
Wenig Konkretes aber viele Ankündigungen
Lobenswert erscheint der Plan, dass alle Lehrberufe in einem 5-jährigen Zyklus auf die Aktualität ihres Berufsbildes, auf welchem die Ausbildung basiert, überprüft werden sollen. Fraglich ist jedoch, ob das Wirtschaftsministerium die notwendigen Mittel zur Verfügung stellt, um qualitätsvolle Evaluationen zu ermöglichen. Die Forcierung der Berufsorientierung in der 9. Schulstufe ist eine sehr wichtige Maßnahme, um jungen Menschen überhaupt die unterschiedlichen Möglichkeiten ins Berufsleben zu kommen, zu erläutern.
Mit der verpflichtenden Fortbildung von betrieblichen Ausbildern hat die Regierung eine jahrelange Forderung der Gewerkschaftsjugend übernommen. Die Umsetzung bleibt spannend, da sich bisher die Betriebe gegen diese Forderung immer gewehrt haben. Auch die angekündigte Öffnung des Hochschulsystems für Lehrlinge ist eine jahrelange Forderung der Gewerkschaftsjugend, bisher waren weder Grüne noch ÖVP besonders an dieser Thematik interessiert.
Im Gegensatz zur ÖVP-FPÖ Regierung bekennt sich die derzeitige Regierung zur Ausfinanzierung der überbetrieblichen Lehrwerkstätten für Jugendliche, die keinen „regulären“ Lehrplatz gefunden haben. Die Kürzungen, die unter der Regierung Kurz I durchgeführt wurden, sollen aber anscheinend nicht mehr ausgeglichen werden.
Förderung für Betriebe nicht für Lehrlinge
Die betreffenden Punkte stellen jedoch nur vage Ankündigungen dar, so soll zum Beispiel die Lehre mit Matura „attraktiver“ gemacht werden. Wie dies erfolgen soll, sagt die Bundesregierung nicht. Besonders die Problematik, dass viele Lehrlinge die Vorbereitung auf die Reifeprüfung neben ihrer Arbeit absolvieren müssen, wird nicht thematisiert. Der Vorschlag der Anrechnung von Maturakursen auf die Arbeitszeit wurde bisher durch die Arbeitgeber immer blockiert.
Die Lehre nach der Matura, in Form sogenannter „dualer Akademien“, soll außerdem forciert werden. Dabei handelt es sich um ein lehrähnliches Ausbildungssystem, welches die Maturanten durchlaufen. Es stellt eine Mischung zwischen betrieblicher und schulischer Ausbildung dar. Bezahlt werden die bisherigen dualen Akademien maßgeblich durch Mittel des AMS. Das AMS und damit wiederum der Steuerzahler bezahlt als öffentliche Institution für den Unwillen der Betriebe selbständig Ausbildungsplätze anzubieten. Auch im Bereich der Lehrlingspolitik geht die neue Regierung vom Paradigma aus, dass Unternehmen primär mit Anreizen (sprich mit viel Geld) subventioniert werden müssen, damit sie Lehrlinge ausbilden. Der Unwille zur Ausbildung von Lehrlingen scheint dabei aber gar nicht zur Rhetorik des „Fachkräftemangels“ zu passen.
Teilzeit auch für Lehrlinge
Die ÖVP-FPÖ Regierung plante, eine Teilzeit-Lehre zu etablieren, um Lehrlingen mit Betreuungspflichten (nur Kinder bis zum Schuleintritt) den Abschluss einer Lehre zu ermöglichen. Dieser Vorschlag ist nun unter dem Titel „Flexi-Lehre“ wieder zurück. Für eine gelernte Einzelhandelskauffrau würde dies zum Beispiel in Folge von längerer Lehrzeit in Kombination mit verspäteten Gehaltssprüngen (durch weniger vollwertige Berufsjahre) einen Verlust von mehreren zehntausenden Euro an Einkommen alleine in den ersten Berufsjahren bedeuten. Besonders in Bereichen wie dem Handel, bekannt für seine hohen Teilzeitquoten ein Schritt in Richtung Einzementierung der Altersarmut für Frauen. Anspruch auf bedarfsgerechte Kinderbetreuung oder der Ausbau von öffentlichen Pflegeleistungen, bzw. stärkere Unterstützung durch Kurse zum außerordentlichen Antritt zur Lehrabschlussprüfung als Alternative werden nicht benannt: konservatives Familienbild mit grünem Anstrich getarnt als Fachkräfteoffensive
Alle gegen Pflegelehre doch Schwarz und Grün dafür.
Im neuen Regierungsprogramm plant die Regierung die Etablierung eines Pflegelehrberufs. Die Kritik, dass 15-Jährige nichts in der Pflege verloren hätten, wird besonders von der ÖVP zerstreut, obwohl die Gewerkschaft, Arbeiterkammer und die Verbände von pflegenden Angehörigen die Lehrausbildung strikt ablehnen. Kurz scheint sich hier an den Interessen der WKÖ zu orientieren, welche die Etablierung eines Lehrberufes fordert.
Wie geht es weiter?
Nach Plänen der Regierung werden wohl die Förderungen für Betriebe weiter ausgedehnt. Die Steuerzahler übernehmen somit immer mehr die Rolle, die eigentlich die Betriebe übernehmen sollten. Sie zahlen über die Lohnsteuer und Mehrwertsteuer nicht nur den größten Teil des Staatshaushaltes, sondern auch noch für die Ausbildung der Jugend in den Betrieben.