Konservative und neoliberale Stimmen, die die Organisationen der ArbeitnehmerInnen kritisieren, gibt es viele. Jetzt hat FPÖ-Vorsitzender Heinz-Christian Strache das Ende der Pflichtmitgliedschaft bei der Arbeiterkammer sogar zur Koalitionsbedingung erklärt. An den 0,5 Prozent Kammerumlage kann es nicht liegen: Diese zu streichen, brächte ein kaum merkliche Entlastung für die ArbeitnehmerInnen. Hinter der Forderung steckt vor allem der Wunsch, die sozialpartnerschaftliche Vertretung der ArbeitnehmerInnen zu schwächen.
Die Arbeiterkammern setzen sich für gute Arbeitsbedingungen, gerechte Entlohnung und Konsumentenschutz ein. Für die meisten Betriebe ist das kein Problem – denn gute Arbeitsbedingungen führen nachweislich zu motivierteren Mitarbeitern und helfen dem Unternehmen nachhaltig.
Trotzdem wollen etwa die FPÖ oder die NEOs die verpflichtende Mitgliedschaft in der AK abschaffen: Sie argumentieren, dass diese nicht mehr zeitgemäß sei. Dabei rechnen sie aber ganz klar damit, dass eine Schwächung der AK den Abbau von Arbeitsrechten, neoliberale Politik, usw. erleichtern würden.
Denn sie wissen: Die freiwillige Mitgliedschaft in der Arbeiterkammer ist eine hohe Schwelle. Und gerade Menschen, die wenig über die AK wissen, würden eher verzichten, freiwillig beizutreten. Und genau das will man: Wer über wenig Ressourcen verfügt, kann sein Rechte dann kaum mehr einfordern und ist den übermächtigen Wirtschaftsinteressen schutzlos ausgeliefert. Wer die AK schwächen will, will Arbeitnehmerrechte abbauen.
Es gibt sehr unterschiedliche Gründe, sich an die AK zu wenden: von nicht ausbezahlten Urlaubs- und Weihnachtsgeldern über unrechtmäßigen Entlassungen bis zu Schikanen am Arbeitsplatz. Allein im Jahr 2016 führten AK-MitarbeiterInnen zwei Millionen Beratungsgespräche durch – mehr als die Hälfte davon zum Arbeitsrecht, zum Sozialrecht und zum Insolvenzrecht.
2016 erstritt die AK 532 Millionen Euro für ihre Mitglieder und hat damit in vielen Bereichen die Rechtsansprüche von ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen geltend gemacht.
Die Arbeiterkammern verfügen über Mitgliedsbeiträge in der Höhe von rund 433 Millionen Euro. Im Vergleich mit der Wirtschaftskammer ist das ein deutlich geringerer Betrag. Obwohl man in etwa sieben Mal mehr Mitglieder hat, ist das Budget der AK nur halb so hoch.
Wer sicherstellen will, dass erkämpfte Rechte für ArbeiterInnen, Angestellte und KonsumentInnen verteidigt werden, ist gut beraten, die Stärke der Arbeiterkammern zu erhalten. Die AK leistet in diesen Bereichen viel Arbeit. In jüngster Zeit beschäftigt sie sich intensiv mit der Digitalisierung der Arbeit und den mit ihr einhergehenden Veränderungen. Wer möchte, dass die Qualität unserer Arbeitsplätze nicht abnimmt, ist auf eine starke Interessensvertretung angewiesen.
Die Wurzeln der Arbeiterkammern liegen übrigens in der Ersten Republik. 1920 beschloss das Parlament die Errichtung von Kammern für Arbeiter und Angestellte. Die sollten den Handelskammern als Verhandlungspartner auf Augenhöhe gegenüberstehen. Es war ein frühes Konzept der heute bekannten Sozialpartnerschaft.
Damit die Arbeiterkammer ihre Leistungen erbringen kann, braucht sie Geld. Die Mitglieder der AK bezahlen monatlich eine sogenannte Umlage, mit der die Leistungen der Kammer finanziert werden.
Diese Umlage beträgt 0,5 Prozent des Bruttoeinkommens bis zur Höchstbemessungsgrundlage in der Sozialversicherung – mehr als 14,44 Euro pro Monat zahlt niemand.
Dieser Beitrag wird übrigens auch vom Gehalt abgezogen – und vermindert die Bemessungsgrundlage bei der Steuer.
Viele Kammer-Mitglieder müssen aber gar keine Umlage bezahlen. Wer Karenzgeld bezieht, arbeitslos ist, Lehrling ist, seinen Präsenz- oder Zivildienst leistet oder Krankenpflege-Schüler ist. In Summe betrifft das 816.000 Menschen, also fast ein Viertel aller Mitglieder.
Die Kammerumlage zu streichen, kann also nicht auf die finanzielle Entlastung der ArbeitnehmerInnen zielen. Sie hat die Schwächung jener Organisation zum Ziel, die dafür sorgt, dass ArbeitnehmerInnen unfairen Arbeitsbedingungen nicht mit Furcht, sondern mit Selbstbewusstsein begegnen: Weil es eine Kammer gibt, die sie bei der Durchsetzung ihrer Rechte unterstützt.
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