Nachrichten

Geheime Privatisierungspläne: Kanzleramt soll von Beginn an bei „Projekt Edelstein“ dabei gewesen sein

Die ÖVP plante die Privatisierung des Bundesrechenzentrums – ganz im Geheimen. Das ist jenes Unternehmen, das die Steuerakte der Österreicher, die elektronische Gesundheitsakte (ELGA), Passbilder und vieles mehr verwaltet. So ein Datenschatz ist natürlich viel wert. Bundeskanzler Kurz wollte nach Auffliegen des Projekts nichts damit zu tun haben, Befragungen im U-Ausschuss zeichnen ein anderes Bild.

Journalisten von profil, „Der Standard“ und der ZiB2 hatten Einsicht in vertrauliche Akten des Finanzministeriums: E-Mails, Memos, Power-Point-Präsentationen und Rechtsgutachten aus dem Zeitraum zwischen Juni 2018 und August 2019. Die Unterlagen decken ein geheimes Vorhaben des ÖVP geführten Finanzministeriums auf: Das Bundesrechenzentrum sollte privatisiert werden: jenes staatseigene Unternehmen, das die sensibelsten Daten der Österreicher verwaltet. Käufer sollte die Post AG sein.

Bundeskanzleramt war von Anfang an dabei

Als die Sache auffliegt, will niemand etwas damit zu tun haben. Bundeskanzler Kurz ist es sichtlich unangenehm. „Ich war in das im Detail nicht eingebunden“, „zu mir sind diese Überlegungen nie groß durchgedrungen“, sagt Kurz am 17.7. im ZIB2-Interview.

Doch jetzt wird im Ibiza U-Ausschuss klar: Das Bundeskanzleramt von Sebastian Kurz war von Beginn an in die geplante Privatisierung eingebunden: Der Vorstandsassistent von ÖBAG-Chef Thomas Schmid berichtete im U-Ausschuss von Sitzungen zum Projekt Edelstein im Jahr 2018. Dort hätte der Kabinettschef und enge Vertraute von Sebastian Kurz, Bernhard Bonelli, die Privatisierung mit dem Post-Chef geplant. Dabei war auch der stellvertretende Kabinettschef von Finanzminister Gernot Blümel, damals Mitarbeiter im Generalsekretariat im Bundeskanzleramt. Es ging um die politische Zusage für das Geheimprojekt. Damit wird klar: Das Bundeskanzleramt war von Beginn an involviert.

86.000 Euro für Beratung zum Projekt Edelstein

Das Ministerium bereitete die gesamte Privatisierung akribisch vor. Rechtsgutachten wurden eingeholt, Präsentationen abgehalten und sogar fertige Gesetzestexte wurden angefertigt. Auch ein interner Name für die Operation wurde gefunden: Projekt Edelstein. Die Vorbereitung der Privatisierung kostete auch einiges an Steuergeld: Der Berater-Riese McKinsey bekam vom Finanzministerium laut der Auskunftsperson G. im Ibiza U-Ausschuss 75.000 Euro – McKinsey sollte die Privatisierung-Szenarien berechnen. Auch eine Anwaltskanzlei soll 11.000 Euro im Rahmen von Edelstein bekommen haben.

Die Öffentlichkeit erfuhr davon nichts – auch nicht der damalige Koalitionspartner FPÖ. Führende ÖVPler machten sich die Sache untereinander aus – und alles blieb unter Verschluss.

Kurz Vertrauter hätte jetzt BRZ unter sich

Zwei zentrale Figuren im Projekt Edelstein sind der damalige Chef der Sektion I des Finanzministeriums Eduard Müller und der damalige Generalsekretär des Finanzministeriums Thomas Schmid. Müller war zwischenzeitlich selbst Finanzminister der Übergangsregierung und trieb in dieser Funktion das Projekt weiter – nach wie vor unter strenger Geheimhaltung. Erst Übergangskanzlerin Brigitte Bierlein verhinderte, dass die Privatisierung des Rechenzentrums in den Ministerrat kam – denn die Übergangsregierung wollte ganz grundsätzlich keine neuen Initiativen beschließen.

Mittlerweile ist Müller Chef der Finanzmarktaufsicht. Auch Thomas Schmid stieg in der Karriereleiter auf – die Kurz-Regierung machte ihn vom Generalsekretär im Finanzministerium zum Alleinvorstand der Staatsholding ÖBAG. Und von der ÖBAG soll das Bundesrechenzentrum auch schlussendlich privatisiert werden, laut dem Fahrplan des Projekt Edelsteins.

Post mit Datenschutzskandal soll intimste Daten der Österreicher verwalten

Der Plan sieht nämlich vor, das Bundesrechenzentrum zur ÖBAG zu verschieben und es von dort an in die Post zu privatisieren. Die Post gehört nur noch zu 52,8 Prozent der Republik, das heißt: Auch die Mehrheit des BRZ wäre dann in privatem Besitz. Damit würden die intimsten Daten der Österreicher von einem teilprivaten Unternehmen verwaltet. Denn über das BRZ laufen Finanzamtbescheide und die elektronische Gesundheitsakte (ELGA). Auch biometrische Passbilder werden dort gespeichert. Ebenso das Firmen- und Grundbuch sowie das Mahnwesen der Republik werden über das BRZ abgewickelt. Besonders brisant: Die Post hatte 2019 mit einem ausgewachsenen Datenschutzskandal zu kämpfen. Sie bekam eine Verwaltungsstrafe von 18 Millionen Euro, weil sie im Wahlkampf anhand von Daten ihrer Kunden die Parteisympathie hochrechneten und diese Information zum Verkauf anbot. Dieser Skandal dürfte das Projekt Edelstein schließlich beendet haben.

Zahlt die Republik drauf?

Doch bevor die Post den Zuschlag bekommen sollte, mussten noch einige Fragen geklärt werden. Das BRZ macht derzeit kaum Gewinn – soll es auch nicht. Es verkauft zum Selbstkostenpreis seine Leistungen an die Republik Österreich. Das ist gesetzlich so festgeschrieben. Das große Geld kann man nicht machen,  Im ÖVP-Finanzministerium wurde aber auch überlegt, ob das so bleiben muss. So beschäftigten sich Beamten mit der Frage, ob der Staat IT-Leistungen beim BRZ künftig zu Marktpreisen einkaufen müsse. Andere Fragen drehten sich beispielsweise um den Verkaufspreis oder ob die Republik bei einem Verkauf des BRZ künftig IT-Aufträge international ausschreiben muss. So könnte es dazu kommen, dass der Staat ein gut funktionierendes Unternehmen ausgliedert und am Ende des Tages sogar noch finanzielle Nachteile hat.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1615 Stimmen
    58% aller Stimmen 58%
    1615 Stimmen - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 428 Stimmen
    15% aller Stimmen 15%
    428 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 339 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    339 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 252 Stimmen
    9% aller Stimmen 9%
    252 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 130 Stimmen
    5% aller Stimmen 5%
    130 Stimmen - 5% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2764
12. März 2024
×
Von deiner IP-Adresse wurde bereits abgestimmt.
Share
Marco Pühringer

Neue Artikel

So weit hinten wie noch nie: Österreich stürzt bei Pressefreiheit auf Platz 32 ab

Reporter ohne Grenzen (ROG) veröffentlichen jedes Jahr ein Ranking, wie es um die weltweite Pressefreiheit…

3. Mai 2024

AK-Wahlen: Sozialdemokratie gewinnt – Regierungsparteien verlieren

Die Fraktion der sozialdemokratischen Gewerkschafter (FSG) gewinnen trotz leichtem Minus die AK-Wahlen klar. In sieben…

3. Mai 2024

Die Familie Lopez aus Haslach: Bestens integriert, trotzdem abgeschoben!

2021 kam die Familie Lopez nach Haslach in Oberösterreich. Die Mutter fand schnell Arbeit als…

2. Mai 2024

Fast eine halbe Million Österreicher haben nicht genug zu essen

Armut in Österreich: Fast eine halbe Million Menschen können sich nicht genug zu essen leisten.…

2. Mai 2024

1. Mai – Seine Geschichte und Bedeutung für unsere Arbeitsbedingungen, Arbeitszeiten und faire Löhne

Am 1. Mai wird auf der ganzen Welt der Tag der Arbeit gefeiert. Der Feiertag…

30. April 2024

Niederösterreich: So halbiert eine rote Gemeinde den Strompreis für alle

In der Gemeinde Trumau wird bald Realität, was sich viele lange erträumt haben: Strom zum…

30. April 2024