Im Jänner 2020 kam die ÖVP-Grüne Regierung ins Amt, seither hat die schlechte Performance der Regierungsverantwortlichen und die daraus folgenden 14 Regierungsumbildungen das Land beschäftigt. Seit dem Rücktritt von Sebastian Kurz im Zuge der Inseraten-Affäre dreht sich das Personalkarussell noch schneller. Jetzt sind auch Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck aus der Regierung ausgeschieden.
Die Regierung wollte nach dem Rücktritt des türkisen Bundeskanzlers eine „Selbstbeschäftigung der Politik“ vermeiden und rasch zur Regierungsarbeit zurückkehren. Seither kommt es alle paar Monate zu einem Wechsel in der Regierung. Österreich hat den dritten Kanzler und den dritten Gesundheitsminister in nur zwei Jahren – und das in Zeiten einer weltweiten Pandemie, eines Angriffskriegs und einer Inflation, die kein Ende nimmt. Die Opposition fordert angesichts der Rücktritte von Köstinger und Schramböck nun endgültig Neuwahlen.
ÖVP und Grüne sollten Österreich weitere Monate mit einer strauchelnden Regierung ersparen und den Weg für Neuwahlen freimachen, meint der stellvertretende SPÖ-Klubvorsitzende Jörg Leichtfried. „Köstinger soll die anderen Minister gleich mitnehmen und den Weg für Neuwahlen frei machen“, fordert auch FP-Generalsekretär Michael Schnedlitz.
Die glücklose Ministerin Schramböck erklärt ihren Rücktritt nicht einmal vor der Öffentlichkeit, sondern tritt per Video-Botschaft von der öffentlichen Bühne ab. Die Wirtschaftsagenden wandern in das Arbeitsministerium von Martin Kocher. 4,2 Millionen Arbeitnehmer:innen haben damit kein eigenes Ministerium mehr. Auch die Tourismus-Agenden wandern nach dem Rücktritt Elisabeth Köstingers aus dem Landwirtschaftsministerium zu Kocher.
Die Zuständigkeit für Digitalisierung, die bei Schramböck lagen, kommt wieder ins Finanzministerium. Dort wird Florian Tursky Digitalisierungs-Staatssekretär.
Genau sieben Monate nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz als Bundeskanzler verlässt die Kurz-Vertraute Köstinger die Regierung. Damit wird die Volkspartei kurz vor dem Parteitag der ÖVP, bei dem Karl Nehammer zum Parteiobmann gewählt werden soll, in eine Personaldebatte gedrängt. Die Entscheidung fällt schließlich auf Susanne Kraus-Winkler. Sie ist seit 2018 Obfrau des Fachverbands Hotellerie in der Wirtschaftskammer Österreich und Mitbegründerin der Nobelhotels „Loisium Gruppe“. Sie wird Tourismus-Staatssekretärin im Ministerium von Martin Kocher.
Nicht einmal ein ganzes Jahr blieb Wolfgang Mückstein Gesundheitsminister. Die ÖVP ist mit Mückstein ähnlich hart umgegangen wie gegen dessen Vorgänger Anschober. Mückstein bekam von der ÖVP die Fehler der Regierung im Pandemie-Management umgehängt – allen voran die gescheiterte Impfpflicht. Mückstein warf nach nicht einmal 11 Monaten das Handtuch und übergab an den Vorarlberger Grünen Johannes Rauch.
Im Zuge der Regierungsumbildung im Dezember übernimmt die 27-jährige Plakolm aus der Jungen Volkspartei (JVP) das Jugendstaatssekretariat, das aus dem grünen Umweltministerium ins Bundeskanzleramt verschoben wird. Mit der erneuten Regierungsumbildung am 9. Mai 2022 bekommt Plakolm zusätzlich die Zuständigkeit für den Zivildienst.
Neo-Bundeskanzler Nehammer holt den Niederösterreicher Gerhard Karner ins Innenministerium.
Dann wird auch noch Bildungsminister Heinz Faßmann ausgetauscht – gegen den steirischen Uni-Rektor Martin Polaschek. Faßmann wurde von Eltern und Lehrern für seine chaotische Corona-Politik an Schulen kritisiert.
Auch Finanzminister Blümel erklärte zwei Monate nach Kurz seinen Rücktritt aus der Politik. Gegen Blümel laufen Ermittlungen wegen Korruptionsvorwürfen. Sein Nachfolger Magnus Brunner kommt aus dem Vorarlberger Wirtschaftsbund.
Nach dem Rücktritt von Digitalisierungsministerin Margarete Schramböck bekommt Brunner am 9. Mai 2022 einen Staatssekretär für Digitalisierung: Florian Tursky. Er war zuvor Büroleiter von Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP).
Schallenberg kehrt nach nur zwei Monaten im Bundeskanzleramt wieder ins Außenministerium zurück. Nach nur 56 Tagen verlor Außenminister Linhart sein Amt wieder. Danach wurde er von Schallenberg zum Botschafter in Berlin ernannt – zunächst ganz ohne Bewerbung Linharts. Wegen heftiger Kritik musste der Bestellvorgang wiederholt werden, Linhart musste sich diesmal bewerben.
Als Sebastian Kurz Anfang Dezember den kompletten Rückzug aus der Politik verkündete, übergab Schallenberg das Kanzleramt an Karl Nehammer – nach nur zwei Monaten im Amt.
Als Außenminister Schallenberg Sebastian Kurz als Bundeskanzler nachfolgt, wird er im Außenministerium von Michael Linhart ersetzt.
Selbst innerhalb der ÖVP kam die Ankündigung von Kurz‘ Rücktritt als Bundeskanzler überraschend: Knapp davor unterschrieben noch alle ÖVP-Minister eine Garantie, ohne Kurz als Kanzler nicht Minister bleiben zu wollen. Wenige Tage später gilt diese Erklärung nicht mehr – Kurz geht nach Korruptionsvorwürfen und Ermittlungen gegen ihn, vorerst bleiben alle anderen ÖVP-Minister und Ministerinnen im Amt. Außenminister Schallenberg übernimmt das Kanzleramt nach dem Rückzug von Kurz als Bundeskanzler, der selbst ÖVP-Vorsitzender und Klubobmann im Nationalrat bleibt.
Gesundheitsminister Anschober trat mitten in der Pandemie zurück, weil er ziemlich ausgepowert war – die Querschüsse aus der ÖVP und von Kanzler Sebastian Kurz dürften ihm keine Unterstützung gewesen sein. Während eines Krankenhausaufenthalts von Anschober riss Kanzler Kurz das Pandemiemanagement öffentlichkeitswirksam an sich. Anschober konnte sich nicht wehren.
Schon nach einem Jahr kam Türkis-Grün die erste Ministerin abhanden: Arbeits- und Familienministerin Christine Aschbacher musste wegen Plagiatsvorwürfen gehen, sie übergab an den damaligen IHS-Chef Martin Kocher. Die Familienagenden wanderten zur auch für Integration zuständigen Kanzleramtsministerin Susanne Raab.
Ulrike Lunacek zog sich im Mai 2020 nach heftiger Kritik von Österreichs Kulturschaffenden an der schleppenden Corona-Hilfe zurück, Kultur-Staatssekretärin ist seitdem Andrea Mayer.
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