In der Wiener Stadthalle tritt Sebastian Kurz an der Seite eines fundamentalistischen Predigers auf. Der rief 10.000 Gläubige zu einem Kurz-Gebet auf. Das war aber nicht nur ein einzelner Wahlkampfauftritt: Die ÖVP hat seit Jahren enge Kontakte zum rechten christlichen Rand.
„Gott, wir danken dir so sehr für diesen Mann. Für die Weisheit, die du ihm gegeben hast. Für das Herz, das du ihm für dein Volk gegeben hast (..)Wir beten, dass du ihm gerechte Führung gibst, Weisheit und viel Schutz.“
Das spricht ein Prediger vor zehntausend Gläubigen. Währenddessen strecken die Zuseher ihre Hände zum Kurz-Gebet in die Höhe und jubeln. Doch es geht nicht um einen religiösen Führer, für den da gebetet wird. Es geht um eine sehr weltliche, politische Figur – es geht um Sebastian Kurz.
Diese Szenen spielten sich vergangenen Sonntag in der Wiener Stadthalle ab. Während zuvor 500.000 Menschen im Rahmen der Euro-Pride die Liebe feierten, nahmen 10.000 Christinnen und Christen an der Veranstaltung „Awakening Europe“ teil. Ein Event, bei dem Homosexuelle zum Feind erklärt und angebliche „Wunderheilungen“ sowie Teufelsaustreibungen vollzogen werden.
„Awakening Europe“- Gründer Ben Fitzgerald war früher Drogendealer. Eine Begegnung im Jahr 2002 änderte ihn jedoch. Laut der Veranstaltungsseite ist er ein „leidenschaftlicher Liebhaber von Jesus und Leiter von Awakening Europe und Godfest Ministries“. Er ist davon überzeugt, „dass die Zukunft der Nationen von Europa durch radikal Glaubende verändert wird, die frei leben und Jesus mutig bekannt machen“.
Bevor er das Event initiierte, arbeitete er viele Jahre in der umstrittenen Bethel-Kirche mit. Kern der charismatischen Evangelikalen ist eine sehr strenge Bibelauslegung und das Zelebrieren von Gottesdiensten in Rahmen von Großveranstaltungen. Bei diesen Events werden Kranke öffentlichkeitswirksam durch Gebete „geheilt“. Egal ob Rückenschmerzen oder Tumore – alles lässt sich laut den Charismatikern durch Gebete heilen.
„Awakening Europe“ wird als religiös fundamentalistisch eingestuft. Doch es geht nicht allein um den Glauben, sondern auch ums Geld: Laut dem Magazin „das Biber“ mussten Gläubige für angebliche Heilungen und Wiedergeburten nicht nur Gott danken – sondern auch Geld zahlen. Auch um Partner von Awakening Europe zu werden, braucht man neben der Liebe zu Jesus und Gott eine finanzielle Spende von mindestens 240 Euro im Jahr.
Neben dem skurrilen Kurz-Auftritt fanden in der Stadthalle Exorzismen ebenso statt wie Hetze gegen Homosexuelle. Zwischendurch gab es dann auch mal musikalische Untermalung – von rein christlichen Musikern natürlich.
Dieses Event war aber nicht das erste, bei dem sich Altkanzler Kurz mit der rechten christlichen Szene vernetzt. So sprach er im Juni 2016 beim Marsch für Jesus. Die Teilnehmer gingen unter anderem gegen das Recht von Frauen auf Schwangerschaftsabbrüche auf die Straße. Gut vernetzt mit ihnen ist auch Gudrun Kugler. Die Nationalrätin aus der Donaustadt ist die Brücke der ÖVP zu konservativen Freikirchen.
Alleine in ihrem Wahlkreis gibt es 16 davon – das macht sich auch in ihren Vorzugsstimmen-Ergebnissen bemerkbar. So überraschte sie gleich bei ihrer ersten Kandidatur 2005. Sie befand sich auf einem aussichtslosen Listenplatz der ÖVP für die Wiener Gemeinderatswahlen und erhielt auf Anhieb die zwei meisten Vorzugsstimmen nach dem damaligen Spitzenkandidaten Johannes Hahn. Ihr Programm kommt in der Christen-Community gut an: Gegen Schwangerschaftsabbrüche, für ein konservatives Familienbild und gegen die Ehe für alle.
Kugler beschränkt ihr Engagement aber nicht nur auf die Politik – sie gründete auch die katholische Ehevermittlung Kath-Treff. Bei kathTreff geht es explizit nicht darum, Partnerschaften zu vermitteln, sondern Ehen. Generell gibt die Ehebörse einen Einblick in die Wertehaltungen der Community. In den „Hausregeln“ der Plattform steht, dass Treffen im privaten Bereich abzulehnen sind – ein potenzieller Ehe-Partner, der nicht in der selben Stadt wohnt, muss im Hotel übernachten. In den FAQ der Seite werden Fragen gestellt wie:
„Soll man so grundlegende Dinge wie das Kennenlernen eines Ehepartners nicht dem direkten Wirken Gottes überlassen?“
und es werden auch Tipps gegeben, wie man diesen Prozess beschleunigen kann: Man soll täglich für den richtigen Ehepartner beten.
Gebete haben für Kugler generell eine magische Wirkung – so verkündete sie auch bei ihrer Rede in Rahmen von Awekening Europe, dass Österreich nach dem 2. Weltkrieg wegen der Gebete vieler gläubiger Christen nicht wie Deutschland in zwei Teile geteilt wurde. Privat dürfte Gudrun Kugler kathTreff nicht nützen, schließlich ist sie mit den ehemaligen Opus-Die-Pressesprecher Martin Kugler verheiratet.
Bei Opus-Dei handelt es sich um einen streng christlichen Orden, der mit Praktiken wie Selbstgeiselung zum Büßen von Sünden auffällt. Außerdem steht der Orden wegen seiner Geheimniskrämerei und seiner politischen Ausrichtung in Kritik. Laut dem Religions-Publizisten Dr. Michael Schmidt-Salomon kann man Opus-Dei ein „Demokratiegefährdungspotential“ nachweisen.
Kontakte zu diesem erzkonservativen Orden hat ein enger Vertrauter von Sebastian Kurz: Bernhard Bonelli. Er studierte in Barcelona auf einer Universität, die von Opus-Dei betrieben wird. Bonelli war Kabinetts-Chef von Kurz und der Ex-Kanzler wiederum war Trauzeuge bei dessen Hochzeit.
An dieser Opus Dei Universität studierte auch Maria-Theresia Niss-Mitterbauer. Ihre Familie hat über die Miba AG 45.000 Euro für den Wahlkampf von Sebastian Kurz gespendet, jetzt sitzt sie für die ÖVP im Nationalrat und ist ihre Sprecherin für Forschung und Innovation.
Bonelli half übrigens Kardinal Schönborn bei der Grüdnung des Vereins Catholic Legislators Network. Auf der Webseite des Vereins wird mit Bibelstellen gegen „gravierende Verstöße gegen die natürliche Ordnung“ argumentiert. Außerdem soll der Staat gegen die Verbreitung von pornografischen Inhalten vorgehen. Bonelli scheint im Vereinsregister noch immer als Gründungsmitglied der Organisation auf.
Das Netzwerk führt auch zum ÖVP EU Abgeordnete Lukas Mandl, der mit seltsamen Vereinskonstruktionen zur Finanzierung seines Vorzugsstimmenwahlkampfes aufgefallen ist. Mandl sitzt im Lenkungsausschuss des Netzwerkes des Vereins. Der Sitz des Vereins befindet sich übrigens in der kleinen 4.000 Einwohner Gemeinde Trumau – wo sich wiederum das Internationale Theologische Institut befindet. Eine der dortigen Lehrenden: Gudrun Kugler.
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