Konzerne vermeiden Steuern im großen Stil. Jedes Jahr entgehen den EU-Mitgliedsstaaten 1.000 Milliarden Euro. Weil ÖVP-Finanzminister seit Jahren Maßnahmen gegen Steuervermeidung verhindern, hat das Parlament im freien Spiel der Kräfte 2019 beschlossen: Egal, wer österreichischer Finanzminister ist, muss in Sachen EU-Steuerpolitik für Transparenz und gegen die Steuertricks der Multis stimmen. Doch die ÖVP widersetzt sich dem Beschluss und verhindert einen EU-Vorstoß zu Steuertransparenz – was gerade angesichts der Corona Krisenkosten verwundert.
Es gilt als ein einfaches und wirksames Instrument gegen Steuerbetrug: Die Steuertransparenz, die Konzerne verpflichtet, in jedem Land ihre gezahlten Steuern offenzulegen. Country-by-Country-Reporting nennt die EU das – und aktuell scheint der Vorstoß dazu vom EU-Vorsitzland Portugal an Österreichs Regierung gescheitert zu sein.
Einige Staaten verhinderten letzte Woche die Zustimmung, einer davon ist Österreich, heißt es aus Beamtenkreisen. „Ursprünglich sind alle davon ausgegangen, dass Österreichs Vertreter der Steueroffenlegung zustimmen wird, weil er ja vom österreichischen Parlament dazu verpflichtet wurde,“ berichtete ein EU-Diplomat dem Nachrichtenportal Law360. Doch Österreich stimmte nicht zu, sondern enthielt sich – wie neben den beiden Nachrichtenplattformen Law 360 und Agence Europe unmittelbar nach der Tagung der Arbeitsgruppe auch der Sprecher des Wettbewerbsrates auf Anfrage bestätigt: „Am Ende des Treffens scheint es keine qualifizierte Mehrheit für den Vorschlag Portugals gegeben zu haben“, bestätigt der Sprecher Leonidas Karamountzos.
Und diese qualifizierte Mehrheit hing an Österreich, wie es bereits am 14.1.:
Das Treffen der Arbeitsgruppe Gesellschaftsrecht diene vor allem dazu, „zu überprüfen, ob die Blockade weiter besteht. Verschiedene Akteure hoffen, dass es Österreichs veränderte Position in der Frage möglich macht, die notwendige Mehrheit zu finden.“
„Österreich ist hier das Zünglein an der Waage“, kritisierte auch der stv. SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried am Samstag in einer Aussendung. „Wenn Österreichs Regierung diese zentrale Maßnahme für Steuergerechtigkeit europaweit zum Scheitern bringen, wäre das ein ungeheurer Skandal.“ Schließlich legt ein Parlamentsbeschluss aus dem Dezember 2019 Österreichs Regierung darauf fest, „jegliche Maßnahmen zur Steuergerechtigkeit auf europäischer Ebene zu forcieren und bei der nächsten Abstimmung im Rat dem Dossier für die transparente (veröffentlichte) länderspezifische Berichterstattung (public Country-by-Country-Reporting) ihre Zustimmung zu erteilen und damit eine weitere Verzögerung des Verfahrens zu verhindern.“
Groß angelegte Steuervermeidung richtet enormen Schaden an. Multinationale Konzerne nutzen komplizierte Konstruktionen mit Steuersümpfen und anderen Schlupflöchern, um Milliarden aus den Gemeinwesen zu ziehen. Alleine in der EU macht der Schaden 1.000 Milliarden aus. 170 Milliarden davon könnte man leicht eintreiben – dazu müsste die EU nur ihre eigenen Steuersümpfe wie Luxemburg, Malta oder Irland trocken legen. Das zeigt eine neue Studie des Polish Economic Institute. Doch konservative Parteien wie die ÖVP blockierten alle Initiative, um dieses Problem anzugehen.
Im Jahr 2016 hat die EU-Kommission strengere Transparenzregeln für Großkonzerne vorgeschlagen. Ab einem Jahresumsatz von 750 Millionen Euro sollen Großkonzerne Umsatz, Gewinn, Mitarbeiterzahl und Steuerleistung pro Land auf ihrer Website veröffentlichen. So wird leicht einsehbar, ob Unternehmen auch dort ihre Steuern zahlen, wo sie Geschäfte machen. Betreffen würde das die 6.000 größten Konzerne weltweit – eben jene, die durch Gewinnverschiebung rund ein Drittel weniger Steuern zahlen als kleine und mittlere Betriebe.
Derzeit müssen die Multis diese Daten nur den Finanzbehörden melden – auch in Österreich. Da die Informationen aber von großem öffentlichen Interesse sind und auch Druck auf die Konzerne ausüben würden, wäre eine generelle Veröffentlichung wichtig.
„Öffentliche länderweise Finanzberichte sind ein entscheidender Hebel, um Steuervermeidung einzudämmen. Sie würden den öffentlichen Druck massiv erhöhen, dass Konzerngewinne tatsächlich dort besteuert werden, wo sie entstehen“, sagt David Walch von Attac Österreich.
Doch Österreichs blockiert den Beschluss nicht zum ersten Mal. Das geht, weil Kommissionsbeschlüsse zu Steuerpolitik einstimmig gefällt werden müssen. Seit 2016 verhandeln die EU-Kommission und die Finanzminister der Länder deswegen über die Pflicht zur Offenlegung. Das Europäische Parlament ist mehrheitlich dafür – wie auch die meisten Mitgliedsstaaten. Nur einige Länder wie Zypern, Luxemburg, Irland und eben auch Österreich unterstützen das Vorhaben nicht.
Die ÖVP-Minister Schelling und Löger haben die Steuertransparenz für Multis ebenso verhindert wie die Übergangsministerin Elisabeth Udolf-Strobl, die in den 90er Jahren im Kabinett von Wolfgang Schüssel arbeitete. Ende November 2019 scheiterte der Beschluss im Kampf gegen Steuerbetrug im EU-Rat für Wettbewerbsfähigkeit unter anderem auch an ihrer Stimme. Österreichs Ministerin hielt es wie ihre ÖVP-Vorgänger für „nicht sinnvoll, zusätzliche Regularien einzuführen.“ Ebenso hat Deutschland sich enthalten – auch hier waren es die Konservativen, die sich der Transparenz versperrten.
Das österreichische Parlament hat im freien Spiel der Kräfte eingegriffen: Österreichs Minister müssen in Zukunft „Maßnahmen zur Steuergerechtigkeit auf europäischer Ebene forcieren“. Der Antrag wurde im EU-Hauptausschuss mit den Stimmen von SPÖ, Grünen und der FPÖ beschlossen. ÖVP und NEOs lehnen es ab, dass Österreich der Steueroffenlegung für Multis zustimmt.
Diesem Beschluss hat sich Österreichs Regierung bereits einmal widersetzt, wie Attac und das Wiener Institut für internationalen Dialog und Kooperation, VIDC aufdeckten: Hochrangige Beamte der Ständigen Vertretung Österreichs in Brüssel bestätigten per Mail, dass die Regierung eine entsprechende EU-Einigung weiterhin ablehnt.
Nachdem am Freitag bekannt wurde, dass Österreich dem portugiesischen Vorstoß zur Steueroffenlegung von Konzernen nicht zugestimmt hat, spricht das Finanzministerium am Dienstag von einem Missverständnis. „Der vorliegende Kompromissvorschlag hat einige Neuerungen enthalten und es wurden lediglich nähere Ausführungen des Juristischen Dienst des Rates erbeten. Die Zustimmung Österreichs im Falle einer Abstimmung wurde im Anschluss an die Ratsarbeitsgruppe dem portugiesischen Ratsvorsitz sogar schriftlich bestätigt“, sagt der Sprecher des Finanzministeriums auf Anfrage. Diese Bestätigung sei aber vertraulich und könne nicht veröffentlicht werden.
Da es aber keine inhaltlichen Veränderungen, sondern nur „minimale“ Anpassungen gab, wie auch der Sprecher des Wettbewerbsrates betont, kann eine Enthaltung damit nicht gerechtfertigt werden. Österreichische Regierung habe daher unmittelbar danach auch ihre Zustimmung bestätigt. Warum Österreichs Regierungsvertreter dann nicht bereits in der Arbeitsgruppe dem Vorschlag zugestimmt hat und wie lange Österreichs Haltung die Abstimmung verzögern wird, ist bislang noch unklar.
[Artikel am 26.1.2021 aktualisiert]
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