Menschen, Organisationen oder Firmen versuchen manchmal Informationen von der Öffentlichkeit fernzuhalten. Es wird etwa Druck auf Medien ausgeübt, über einen Sachverhalt nicht zu berichten. Das bewirkt aber oft erst recht das Gegenteil: Die versuchte Vertuschung gelangt in die Medien, wird öffentlich diskutiert und verbreitet sich nach dem Schneeballprinzip. Im schlimmsten Fall erreicht man durch sein Agieren besonders viel Aufmerksamkeit und damit das Gegenteil von dem, was man beabsichtigt hat. Das Phänomen wird „Streisand Effekt“ genannt.
Der Fotograf Kenneth Adelman macht Luftaufnahmen von der Küste Kaliforniens und stellt diese auf die Fotoplattform Pictopia. Darunter ist auch ein Foto vom Anwesen der US-amerikanischen Sängerin, Schauspielerin und Regisseurin Barbra Streisand. Das Bild ist auf der Webseite neben 12.000 anderen Bildern ersichtlich – nirgends scheint der Name von Barbra Streisand auf. Streisand sieht sich aber in ihrer Privatsphäre verletzt und klagt die Fotoplattform und den Fotografen auf 50 Millionen US Dollar. Die Öffentlichkeit sollte nicht wissen, wo die Prominente wohnt.
In die Streisand-Falle tappte 2018 der österreichische Milliardär Rene Benko. Der umtriebige Unternehmer ist häufig in den Schlagzeilen der Zeitungen, da er durchaus erfolgreich spektakuläre und finanzschwere Geschäfte tätigt, die das Interesse der Allgemeinheit wecken. Nun ist es üblich, dass umfangreichere Medienberichte über Personen des öffentlichen Lebens auch eine Kurzbiografie oder einige Eckpunkte aus den biografischen Daten enthalten. Ein solches Detail ist in Benkos Fall eine gerichtliche Verurteilung aus dem Jahr 2014 wegen Korruption.
Diesen Makel in seiner Biografie will Benko entfernt wissen und droht Journalisten und Medien mit seinen Anwälten. Nun hat das deutsche Magazin Spiegel über Benkos geplanten Einstieg in den österreichischen Zeitungsmarkt berichtet und im Text die besagte Verurteilung erwähnt. Benkos Anwälte verlangten daraufhin von dem Nachrichtenmagazin, die Passage zu löschen.
Doch der Spiegel reagierte anders, als Benkos Anwälte dachten und der Streisand Effekt kam ins Rollen. Anstatt sich der Zensur zu unterwerfen, brachte man einen ausführlichen Bericht mit dem Titel „Österreichischer Milliardär: Benko will Medien verbieten, über seine Verurteilung zu schreiben“ und begründete dies wie folgt:
In dem Text ist nun nocheinmal in mehreren Absätze über Benkos vergangene Straffälligkeit nachzulesen. Als Draufgabe zitiert der Spiegel Journalisten aus Österreich, die sich von Benkos Anwälten unter Druck gesetzt fühlen.
Zumindest in Österreich sei er damit erfolgreich, sagt ein anderer Redakteur. „Er hat Geld und kann uns in Grund und Boden klagen. Die meisten Redaktionen scheuen daher die Auseinandersetzung.“
Daraufhin wurde in den sozialen Medien über den Spiegel-Artikel und das Verhalten Benkos und seiner Anwälte diskutiert. Und die Kontroverse wurde zu einem Beispiel für den Streisand Effekt. Was wohl nicht im Sinne des Milliardärs war.
Im Web kursierte wieder einmal ein Foto, das Vizekanzler Strache beim gemeinsamen Biertrinken mit gewaltbereiten rechtsextremen Identitären zeigt. Veröffentlicht wurde es von Rudi Fußi. Strache wehrte sich dagegen und behauptete: Das Foto sei eine Fälschung.
Er schleppte Fußi vor Gericht. Blöd nur, dass dessen Anwältin während der Verhandlung gleich eine ganze Foto-Reihe von besagtem Abend vorzeigte. Strache musste schließlich zugeben: Das Foto ist echt. Dann traf ihn der Streisand Effekt und zahlreiche Medien berichteten erst recht über die Affäre.
Hier der ganze Fall im Überblick.
Ein weiteres Beispiel für den Streisand Effekt aus dem deutschsprachigen Raum ist die Affäre, die sich um ein spöttisches Musikvideo über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan entwickelt hat. Im Satiremagazin „extra 3“ wurde zu der Melodie des Liedes „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ ein Musikvideo mit dem Titel „Erdowie, Erdowo, Erdogan“ ausgestrahlt. Der türkische Präsident zitierte daraufhin den deutschen Botschafter ins Außenministerium, mit dem Ziel solche Aktionen künftig zu unterbinden. Das sorgte international für Aufsehen, was zur Folge hatte, dass das Musikvideo auf YouTube millionenfach aufgerufen wurde.
Die Affäre weitete sich aber weiter aus. Der deutsche Satiriker Jan Böhmermann sagte als Reaktion auf Erdogans Verhalten ein beleidigendes „Schmähgedicht“ über den türkischen Präsidenten in seiner Late-Night-Show „Neo Magazine Royale“ auf. Erdogan klagte Böhmermann daraufhin Erdoğan und ca 75 % des Gedichtes wurden verboten. Im Anhang des Urteils fand sich jedoch der Volltext des Schmähgedichtes, um die verbotenen Passagen zu kennzeichnen. Dieser Anhang wurde wiederrum stark verbreitet und damit der Erdogan kritische Inhalt einer noch breiteren Öffentlichkeit bekannt.
Ein Beispiel das international für Schlagzeilen sorgte, sind die Proteste, die sich wegen eines Videos von Scientology entwickelten. Ein Video von Tom Cruise über die Sekte landete auf YouTube, er wirkte darauf durch sein Lachen und Verhalten wie verrückt. Die Scientologen versuchten daraufhin die Löschung des Videos zu erreichen. Als Reaktion darauf formierte sich das „Projekt Chanology“ vom Hacker-Kollektiv Anonymus, die Angriffe auf die Webseite von Scientology durchführten. Scientology schützte sich daraufhin besser gegen Cyberattacken. Das Kollektiv änderte dann seine Strategie und organisierte ab Februar 2008 monatliche reale Demonstrationen.
Das Geschäft mit der Wahrheit: Wie Medien gesteuert werden. Noam Chomsky & Edward S. Herman
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